Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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PORTRÄT
Miroslav Klose: Ewig unterschätzter Weltstar
Zum Karriereende von Miroslav Klose: Er hat vier überragende Weltmeisterschaften gespielt, ist WM-Rekordtorschütze. Dennoch wird der Spätentdeckte von vielen noch immer unterschätzt. Von Oliver Lück. Ein Auszug aus dem Buch „Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum Erfolg".

 

Miroslav Klose
Nach seinem Tor gegen Ghana: Mirslov Klose hört als Weltmeister und WM-Rekordtorschütze bei der Nationalelf auf. Foto Pixathlon

 

„Er hat ihn vergessen“
Klaus Toppmöller über Miroslav Klose
Ich habe ihn in der Spielzeit 1999/2000 entdeckt. Damals war ich Trainer beim 1. FC Saarbrücken. Uerdingen hat gegen Kaiserslautern II gespielt. Ich bin zur Gegner-Beobachtung dorthin gefahren. Mit Gerry Ehrmann und Ernst Diehl habe ich gesprochen. Zu denen habe ich gesagt: „Was habt ihr denn da für eine Granate.“ Der ist schnell gerannt, war am Ball gut, kopfballstark. Die haben mich ausgelacht. Der Saarbrücker-Präsident Ostermann war vorher Präsident beim FC Homburg. Dort hat Klose gespielt, als er von Blaubach-Diedelkopf gekommen ist. Ostermann ist dann nach Saarbrücken gewechselt und hat sich die fünf besten Spieler mitgenommen. Ihn hat er vergessen.
 
 
Es soll Menschen geben, die Miroslav Klose noch immer unterschätzen. Das kann sicher nicht am Fußballer Klose liegen, der vier überragende Weltmeisterschaften gespielt hat – und wer kann das schon von sich behaupten? Es muss also ein anderer Grund sein. Vielleicht der, dass der spielende und der sprechende Klose sich sehr unterschiedlich sind, wenn man es zurückhaltend formulieren möchte. Wenn man es deutlich sagen wollte: Die beiden trennen Welten. Klose redet nicht wie ein Star. Er spricht derart emotionslos und eintönig, dass man meinen könnte, ihm hätte jemand Beruhigungsmittel verabreicht. Und Klose spricht sehr leise, so leise, dass man sich manchmal fragt, ob er Angst vor dem Sprechen hat. Alles in einem weichen, pfälzischen Dialekt, so wie der Fußballwundermann Fritz Walter damals. Oft stolpert er dabei über seine eigenen Sätze. Sätze, die wie auswendig gelernt klingen: „Ich muss den Kopf frei haben, um gut zu spielen.“ Oder: „Der Fußball ist das eine, und dann gibt es noch das andere Leben.“

Miroslav Klose erzählt nicht gerne von sich. Er angelt lieber, da hat er seine Ruhe.
 
Regelmäßig nach großen Turnieren aber muss er viel reden, weil er dann noch mehr gefragt wird als sonst. Denn dann hat er gespielt wie ein Star. Das war 2002 (5 Tore), 2006 (5 Tore), 2010 (4 Tore) und 2014 (2 Tore) nach den Weltmeisterschaften so, als Klose Tor um Tor schoss, so viele, dass man es nicht mehr glauben konnte. Und wer die Geschichte des Fußballers Miroslav Klose erzählen will, muss die Geschichte seiner Tore erzählen. Denn Klose ist Stürmer, es geht also um nichts anderes. In der Bundesliga sind es in rund 300 Spielen 120 Treffer. In 137 Länderspielen hat er bald 71 Mal getroffen – nur Gerd Müllers Bomberquote wird für immer besser bleiben. Dazu kommen die 16 WM-Tore, den Brasilianer Ronaldo hat er in der ewigen Torjägerliste überholt.
 
Tore können vieles verändern im Leben eines Fußballers. So war es auch bei Miroslav Klose. Er schoss immer die meisten. Schon damals, als 18-Jähriger bei der SG Blaubach-Diedelkopf, als er Meister der Bezirksklasse Westpfalz wurde. Bis er 20 war, arbeitete er als Zimmermann und spielte noch bei seinem Heimatverein. Das SG steht für Spielgemeinschaft, Blaubach und Diedelkopf sind Stadtteile von Kusel, wo Klose aufgewachsen ist und wo heute noch seine Eltern leben, die 1987 mit dem ihrem achtjährigen Sohn aus dem polnischen Oppeln übersiedelten. 40 Kilometer sind es von Kusel aus dem Nordpfälzer Bergland bis nach Kaiserslautern, wo der große 1. FCK spielt. Und der 1. FC Kaiserslautern wurde auch der Klub, wo der gebürtige Pole Profi werden sollte. Mit 21 stand er, inzwischen in der Regionalliga bei den Lauterer Amateuren unter Vertrag, bei den Heimspielen der Profis noch im Fanblock und trug das Trikot seines Idols, das des Stürmers Olaf Marschall. Ein halbes Jahr später verdrängte er Marschall aus der Stammelf und stürmte an dessen Stelle erstmals in der Bundesliga, da war er 22. Klose war bis zu diesem Zeitpunkt nie in eines der Jugendauswahlteams oder gar in eine der Nationalmannschaften berufen worden. Sein Talent war einfach übersehen worden.
 
Nun aber nahm seine Karriere Fahrt auf. Es folgten vier weitere Jahre beim 1. FCK und drei Jahre beim SV Werder Bremen, wo er 2006 Fußballer des Jahres wurde – 25 Tore in 26 Spielen. Doch erst mit dem FC Bayern München gewann Miroslav Klose seine ersten Titel: 2008 und 2010 jeweils die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal. In München aber ist er bloß einer von vielen. Selten ist er bisweilen über die Rolle des Ersatzstürmers hinausgekommen. Seine Stärke: Wenn es nicht läuft, er länger nicht trifft und die Presse ihn wieder einmal kritisiert, spielt er einfach weiter, als wäre nichts  gewesen. Klose – so hat es den Anschein – lässt sich nicht beeinflussen durch den Druck der Medien. In seiner unaufgeregten Art sagt er: „Ich darf die Konzentration auf das Wesentliche nicht verlieren.“
 
Seine Spielweise: Klose ist der Kopfballstärkste der deutschen Angreifer. Er ist gleichzeitig Anspielstation und Passgeber bei den Kombinationen am Strafraum, er ist zugleich als Empfänger und als Absender von Flanken geeignet. Er ist ein Mannschaftsspieler mit hohem Laufpensum. Und kaum jemand wirkt so konzentriert bei seinen Aktionen. „Die geistige Frische ist das Wichtigste“, sagt Miroslav Klose, „ich bin ein Kopfmensch.“ Bereits zu Bremer Zeiten arbeitete er eng mit einem Mentaltrainer zusammen, seit der Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann 2004 das Nationalteam betreut, sind die mentalen Aspekte seines Trainings noch ausgeprägter. „Im Spiel geht es um Millisekunden, und wenn man da die falsche Entscheidung getroffen hat, ärgert man sich“, sagt er, „ich bin Perfektionist, und das fängt im Kopf an.“
 
Miroslav Klose wird vermutlich nie der Kapitän einer Mannschaft sein. Dafür ist er zu leise, zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Seine Kritiker bezeichnen ihn als „Sensibelchen“ oder „scheues Reh“. Seine Fans nennen ihn lieber „bodenständig“ und „zurückhaltend“. Wie einer als Mensch ist, ist für seinen Wert als Fußballer natürlich nicht so wichtig. Klose selber sagt aber: „Ich spiele gerne die Rolle des stillen Stars.“ Der ganze Rest sei ihm nicht so wichtig. Auch wenn er sein nächstes Ziel dabei nie aus den Augen verliere: „Das nächste Tor.“ Denn Klose ist Stürmer – zwar ein ruhiger, aber auch einer der besten, die jemals für Deutschland gespielt haben.

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