Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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PORTRÄT
Die Tackling-Gesellschaft
Von den Bayern zum französischen Nationalmannschaftsmanager: Willy Sagnol ist, wie viele Männer aus der Auvergne besonders dickköpfig. Von Rico Rizzitelli



Wilil Sagnol
"Williiiii!": Der einstige Publikumsliebling des FC Bayern
2008 bei einem Länderspiel gegen Kolumbien Foto Pixathlon
 
 
Das an den Ausläufern der Auvergne klebende Montfaucon-en-Velay könnte Drehort eines Films der Taviani-Brüder sein. Mitten im Nirgendwo. Dort, an der Grenze zum Departement Ardèche und dem südlichen Teil des Departements Loire, sind die Winter lang und streng, der Wind zeichnet die Landschaft. Seit 20 Jahren verliert das hoch gelegene Dorf, von dem aus es nach Saint-Etienne wie auch nach Le Puy-en-Velay knappe 40 Kilometer Entfernung sind, Einwohner. 1999 waren es noch 1207 Seelen. Wäre es nur nach ihm gegangen, Willy Sagnol lebte noch hier, denn dann wäre er damals nicht zu diesem Tag der Talentsuche gegangen. Der Mittwochnachmittag war in der Regel für seine Kumpels und den Schulsport reserviert, „und das hat mir absolut gereicht“, gesteht er sofort. Allerdings hatte sein Vater Jacky in „Le Progrès“ gesehen, dass der AS Saint-Etienne einen Sichtungstermin organisierte, und man schlägt dem Vater, der einen mit Fußball infiziert hat, nichts ab. Schon gar nicht, wenn er einem den Namen gegeben hat, der an einen niederländischen Spieler der 70er Jahre erinnert, Willy Van de Kerkhof, zweifacher Finalist bei einer Weltmeisterschaft (was für ein Vorzeichen!). Seitdem sammelt der pater familias, Handelsvertreter für Heizstoffe in der Stadt, sämtliche Zeitungsausschnitte, in denen es um seinen Sohn geht.

Willy Sagnol, in Calvin-Klein-T-Shirt und tailliertem Jackett, beeindruckt zunächst und vor allem durch seinen Blick. Große runde Augen wie Mel Gibson, die den Horizont ringsum absuchen. Mit kurzen pechschwarzen Haaren, der Andeutung eines Schnauzers, seiner großen Statur und der sanften Stimme hat es sich der Gesprächspartner bequem gemacht. Von leichter Verführung keine Spur. Sagnol hört zu und versucht ruhig und ohne jede Prahlerei zu überzeugen.

„Im Gegensatz zu anderen habe ich als Kind nicht davon geträumt, Profifußballer zu werden. Meine Sache war eher eine Karriere als Kommissar bei der Polizei“, geht er zurück an den Anfang seiner Karriere. Was zweifelsohne daran liegt, dass er nie genug von amerikanischen Serien bekommen konnte. Und von den Filmen von Louis de Funès, für die er schwärmt. Gilles Bernardo, Besitzer der Bar „Le Tire-Bouchon“ (Der Korkenzieher) in Montfaucon-en-Velay, erinnert sich „an einen Jungen, der keine Wellen schlug und den seine Kumpels vergötterten. Er war dermaßen unauffällig, dass es einem, wenn er zurückkam, schwer fiel sich vorzustellen, dass er Profifußballer war.“

Elie Baup, heute Trainer des FC Toulouse und damals Leiter des Ausbildungszentrums von Saint-Etienne, entdeckte Sagnols stolze Autorität und seine Neigung zur aufrechten Verteidigung. „Trotz der ihm unleugbar eigenen Qualitäten machte er kein Aufhebens. Das lag in seiner Natur, diese seltsame Mischung aus Talent und Schüchternheit“, erinnert er sich. Sein Mannschaftskollege Philippe Cuervo aus Saint-Etienne findet in seinem Lob gar kein Ende: „Er war noch nicht einmal 20 Jahre alt, und schon beeindruckte sein Spiel durch seine Reife. Zudem besaß er eine ungewöhnliche Charakterstärke: Er wusste, wo er hinwollte und auch, wie er dorthin kommt.“ Nach einer Spielzeit in der zweiten Liga, beschließt Willy, einen großen Sprung zu machen. Monaco nimmt ihn unter Vertrag. Nach seiner Ankunft im Land von Strass und Pailletten fühlt sich der Sohn Montfaucons nicht sonderlich wohl. „Ich hatte das Gefühl, meine Fixpunkte, meine Werte zu verlieren. Einige Spieler haben mir die Augen für diese merkwürdige Realität geöffnet.“ Willy lernt seinen Beruf. Bis dahin hatte er Fußball gespielt.

Da er wenig schläft und ein Morgenmuffel ist, bekommt er den treffenden Spitznamen „Temesta“ – genau wie das Sedativum. Nach einem schwierigen Anfang trägt der höfliche Grätscher seine gutmütige Ernsthaftigkeit vor sich her und schafft es damit, sich einen Klappsitz bei der Mannschaft von France Espoirs zu sichern, wo er Raymond Domenech kennen lernt. Die beiden beeinflussen sich noch heute. Der Spieler schätzt, dass der Trainer „den Spielern in einem ziemlich flexiblen Rahmen Verantwortung überträgt“, während der Trainer den Spieler lobt, der mit Leib und Seele Verteidiger ist und „den modernen Außenverteidiger verkörpert, der offen für den Dialog ist, aber nicht seinem Wert entsprechend geschätzt wird“.

Nach drei Spielzeiten in Monaco findet „Temesta“, dass seine Einkünfte nicht mehr ganz seinen Leistungen entsprechen. Er erhält dort 80.000 Francs monatlich, ein lausiges Gehalt im Fürstentum. Der damalige monegassische Präsident verspricht ihm eine lächerliche Gehaltserhöhung, und wenige Sekunden später schlägt Willy die Tür zu. „Ich war am schlechtesten bezahlt im ganzen Verein, und weil ich jung war, hielt man mich für blöd. Es heißt, die Bewohner der Auvergne wären knauserig und dickköpfig. Ich bin nicht knauserig, aber unglaublich dickköpfig. Das war eher eine Frage der Prinzipien als des Geldes.“

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