Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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JÜRGEN KLINSMANN
„Die Chance kommt nie wieder “
Die Zeit war knapp. In 45 Minuten Zeit galt es, möglichst viele Fragen zu allen Lebensbereichen zu beantworten. RUND bat Jürgen Klinsmann deshalb, knapp und so pointiert wie möglich zu antworten. Der Bundestrainer durfte drei Antworten verweigern, ein Angebot das er ausreizte. Interview Christoph Ruf und Rainer Schäfer


Jürgen Klinsmann
"Kein Zockertyp": Jürgen Klinsmann Foto Mareike Foecking


RUND: Würden Sie darauf wetten, dass Deutschland Weltmeister wird?
Jürgen Klinsmann: Wenn ich dürfte, ja.

RUND: Wie viel würden Sie setzen?

Jürgen Klinsmann: Ich würde nur symbolisch wetten, ich bin absolut kein Zockertyp. Aber ich würde schon etwas in den Pott reinschmeißen.

RUND: Was ist der Unterschied zwischen dem DFB 2004 und 2006?

Jürgen Klinsmann: Der Glaube, letztlich auch im internationalen Fußball erfolgreich sein zu können, ist ausgeprägter als 2004.

RUND: Wäre es Ihnen im Nachhinein lieber, Sie hätten beim Confederations Cup nicht so gut gespielt und die Erwartungen wären nicht ausgeufert?
Jürgen Klinsmann: Überhaupt nicht. Der Confed-Cup hat uns sehr viel gegeben, die jungen Spieler mussten lernen mit Extremen umzugehen: Die Stimmung war vorher negativ, dann extrem positiv. Danach die Balance zu finden, hat Monate gedauert. Das war enorm lehrreich für die Weiterentwicklung.

RUND: Sie können ganz schön austeilen wie nach dem Spiel gegen die USA.

Jürgen Klinsmann: Wir neigen in Deutschland dazu alles schlecht zu machen. Das hat sich extrem hochgeschaukelt vor dem USA-Spiel. Deshalb habe ich nach dem Spiel gefragt: Was ist eigentlich passiert? Wir haben in Florenz ein Spiel verloren, 1:4 gegen Italien, und dann ist der Trainer nicht zu einem Workshop gegangen. Ich habe in Dortmund nur sagen wollen: Das ist die WM für alle, für Fans, für die Mannschaft und auch die Medien, die kommt nicht wieder. Überlegt euch doch mal, wie ihr damit umgeht.

RUND: In Dortmund fühlten sich alle Medien angesprochen. Neigen Sie zur Pauschalkritik, wenn Sie zornig sind?
Jürgen Klinsmann: Ich habe von einigen gesprochen, die nur wegen der Auflage in Beleidigung und Rufschädigung übergehen, die Konsequenz ist, dass Spieler oder Trainer Anwälte einschalten müssen. So geht nur Zeit und Energie verloren.

RUND: Als Antrittsgeschenk erhielten die Nationalspielern einen i-Pod und das Buch von Napoleon Hill „Denke nach und werde reich“.

Jürgen Klinsmann: Das Buch ist von Oliver Bierhoff, der i-Pod war ein passendes Geschenk, das auch viel benutzt wird. Jetzt spielt eine i-Pod-Generation für Deutschland, die Hip Hop hört. Wir hatten noch unseren Walkman mit Kassetten drin. Darauf muss man sich einstellen. Wenn HipHop gehört wird, wird eben HipHop gehört.

RUND: Sie mögen keinen HipHop?
Jürgen Klinsmann: Doch, natürlich, aber meine Musik ist Genesis und Yes.

RUND: Was gibt Eminem dem Nationalteam?

Jürgen Klinsmann: Eminems Song „Lose yourself“ trifft genau unsere Situation: „Look, if you had one shot, or one opportunity to seize everything you ever wanted – in one moment. Would you capture it or just let it slip?“ Wir gehen auf etwas zu, die Chance kommt nie wieder, lass sie uns doch ergreifen. Und nicht danach sagen, wenn ich das richtig eingestuft hätte, hätte ich mich noch mehr reingehängt. Wir können etwas Fantastisches erreichen, wenn wir wollen.

RUND: Ihre Art wird manchmal als amerikanisch und oberflächlich kritisiert.
Jürgen Klinsmann: Meine Denkweise hat nichts mit Amerika zu tun, die hatte ich auch als ich in Deutschland, Frankreich, England oder Italien lebte. Sie ist aus Überzeugung optimistisch. Wenn wir jetzt eine gute Vorbereitung auf die WM machen, dann muss erst mal jemand kommen, der uns im eigenen Land schlagen kann. Den wollen wir erst mal sehen.

RUND: Sie gelten als knallharter Verhandlungspartner.
(Klinsmann reagiert emotional) Jürgen Klinsmann: Das ist auch so ein Klischee. Ich habe nach jeder Verhandlungsrunde Dinge aufgeschrieben, die ich besser machen wollte und so ständig dazugelernt. Es gab aber noch nie Verhandlungen, wo jemand ausgerastet ist. Dass jemand aufsteht und die Türen zuknallt, wie es in Italien üblich ist, gab es bei mir nie. Auch die Verhandlungen mit dem DFB sind in kürzester Zeit abgeschlossen worden.

RUND: Was ist für Sie Zivilcourage? Greifen Sie ein, wenn jemand angegriffen oder beleidigt wird?

(Klinsmann schaut skeptisch. Offenbar vermutet er hinter der Frage einen Hinterhalt) Jürgen Klinsmann: Das weiß ich nicht, weil meine Reaktion situationsbedingt wäre. Nächste Frage.

RUND: Wer verdient den Namen Revolutionär?
Jürgen Klinsmann: Ich sicherlich nicht. Ich habe keine Revolution gemacht, sondern Dinge vorangetrieben, um eine Leistungsoptimierung zu erreichen.

RUND: Wer ist für Sie ein Revolutionär?

(Klinsmann reagiert ungehalten) Jürgen Klinsmann: Da halte ich mich raus. Nächste Frage.

RUND: Sind Sie ein Dickkopf?
Jürgen Klinsmann: Ich bin Schwabe, das kann schon sein. Aber ich bin ganz sicher nicht beratungsresistent, wie es so oft heißt. Sonst hätte ich nicht so vielen Experten die Verantwortung übergeben, dann hätte ich genau die umgekehrte Philosophie.

RUND: Welches Klischee über die USA trifft am wenigsten zu?
(Klinsmann wird zunehmend ungeduldig) Jürgen Klinsmann: Ich mache mir keinen Kopf, was der Deutsche über den Amerikaner denkt. Ich habe schon in fünf, sechs Ländern gelebt, kein Land ist perfekt. Ich nehme die Leute so wie sie sind und nicht wie ich sie haben möchte. Dass man damit nicht weit kommt, habe ich schon am Anfang meiner Karriere in Italien gelernt.

RUND: Was halten Sie vom Beratungsunternehmen McKinsey?

Jürgen Klinsmann: Doktor Henzler, der ehemalige Europa-Chef von McKinsey, hat auf Vermittlung von Oliver Bierhoff vor der Mannschaft einen Vortrag gehalten über Leistungsbereitschaft im Managementbereich. Ich finde das hochinteressant, da kann man viel rausziehen und lernen. McKinsey hat auch Bayern München unter die Lupe genommen, was Uli Hoeneß auch geholfen hat, den FC Bayern zu einer Weltmarke zu machen.

RUND: Haben Sie eine Haltung zu George Bush und den Irakkrieg?
Jürgen Klinsmann: Natürlich, nur die öffentlich zu machen als Bundestrainer hätte eine Diskussion über meine Meinung zur Folge, die ich nicht will. Ich diskutiere darüber zu Hause und im Freundeskreis.

RUND: Gerald Asamoah und Patrick Owomoyela wurden zuletzt von Rechtsextremen bepöbelt.

Jürgen Klinsmann: Das ist Rassismus, der absolut nichts in unserer Gesellschaft verloren hat.

RUND: Was sagen Sie zu den Einbürgerungstests in Deutschland?
(Klinsmann schaut müde) Jürgen Klinsmann: Nächste Frage.

RUND: Haben Sie Arnold Schwarzenegger kennen gelernt?
Jürgen Klinsmann: Nein.

RUND: Lesen Sie Ihren Kindern Gutenachtgeschichten vor?

Jürgen Klinsmann: Ja.

RUND: Haben sie Lieblingsgeschichten?
Jürgen Klinsmann: Die holen sich immer die Bücher aus dem Riesenstapel, mal deutsch, mal englisch. Es gibt keine Lieblingsbücher. Aber es sind aktuelle Bücher und nicht mehr die Geschichte von Rotkäppchen und dem bösen Wolf.

RUND: Könnten Sie ohne Laptop leben?
Jürgen Klinsmann: Ungern, nur wenn es sein müsste.

RUND: Rudi Völler sagt über Sie: Wenn bei Ihnen der Bär abgeht, dann richtig, dann kommt deutsches Liedgut zum Einsatz. Haben Sie 1990 gesungen?
Jürgen Klinsmann: Wir haben nach jedem Spiel schön zusammengesessen bis in die Morgenstunden. (Klinsmann lächelt)

RUND: Ohne zu singen?
Jürgen Klinsmann: Ja. Aber um zehn Uhr auf dem Platz kam die Grätsche. (Klinsmanns Gesichtszüge entspannen sich, er lächelt) 1996 hatten wir eine Kassette im Bus dabei, Neue Deutsche Welle, da haben wir gesungen. „Eisbär“ von Grauzone. Aber was wir richtig gegrölt haben war „Football’s coming home“ von „Three Lions“. Jedes Mal, wenn der Bus losfuhr, haben wir das reingedonnert, und dann ging’s echt ab.

RUND: Sind Sie geizig?
Jürgen Klinsmann: Ich bin sparsam, weil ich so erzogen wurde vom Elternhaus, aber das hat nichts mit Geiz zu tun.

RUND: Können Schwaben etwas besser als andere?

Jürgen Klinsmann: Nein.

RUND: Welches schwäbische Sprichwort stimmt?
Jürgen Klinsmann: Ich habe keine Lieblingssprichwörter.

RUND: Welche Fehler darf man in der Backstube nie machen?
(Klinsmann antwortet sehr schnell) Jürgen Klinsmann: Die Brezeln verbrennen lassen im Ofen. Dann kracht’s!

RUND: Können Sie mit dem Thema Tod umgehen?
(Klinsmann wirkt unsicher, überlegt sehr lange) Jürgen Klinsmann: Nächste Frage.

RUND: Haben Sie an Karfreitag Fleisch gegessen?
Jürgen Klinsmann: Nein.

RUND: Weil Sie Vegetarier sind?
Jürgen Klinsmann: Nein, weil das von Mutter aus so bestimmt worden ist. Karfreitag ist in der christlichen Tradition ein Abstinenztag.

RUND: Ihr Vater Siegfried hat immer gesagt: Bub, mach keine halben Sachen. War das ein Leitmotiv für Sie?

Jürgen Klinsmann: Ja.

RUND: Ihr Vater kam viel in der Welt herum in jungen Jahren. Sie sind auch viel herumgekommen.

Jürgen Klinsmann: Ja, aber ich weiß nicht, ob das unmittelbar mit dem Vater zu tun hat. Wo wir Kinder aufgewachsen sind, war ja ein Zuhause, da war seine Wanderzeit längst vorbei.

RUND: Aber eine gewisse Neugier hat er Ihnen vermittelt.

Jürgen Klinsmann: Die war immer da. Ob das mit dem Elternhaus zusammenhängt, kann ich aber nicht sagen.

Das Interview ist in RUND #11_06_2006 erschienen

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