Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

weiterlesen

INTERVIEW TEIL 2
Je runder desto schneller
Cristiano Ronaldo schießt beim Freistoß übers Tor, die Torhüter greifen daneben – liegt das am Ball oder ist es Zufall? Im RUND-Interview sagt Ewald Hennig, Professor im Biomechanik Labor der Universität Duisburg-Essen, was passiert, wenn die Bälle immer runder werden. Interview Matthias Greulich

Cristiano Ronaldo
Trifft nicht wie gewohnt: Cristiano Ronaldo beim Freistoß. Foto Pixathlon

 

RUND: Herr Hennig,  der ARD-Experte Mehmet Scholl sagte, in England sei der Ball nie so geflogen, wie er es aus München kannte. Gibt es physikalische Erklärungen für Fehlschüsse?
Ewald Hennig: Freistöße werden häufig mit Effet geschossen. Mit starkem Vorwärtsdrall kann man sogar bei kurzen Freischussdistanzen einen Ball mit hoher Geschwindigkeit über die Mauer zirkeln und trotzdem das Tor treffen. Dies ist durch den Magnus-Effekt bedingt, der auch beim Tennis dem Topspin gespielten Ball ein stärkere Krümmung verleiht. Die Effetaufnahme des Balles ist von der Reibung zwischen Ball- und Schuhmaterial abhängig. Bei höherer Reibung zwischen Schuhobermaterial und Balloberfläche kann man den Effet auf den Ball stärker übertragen und deshalb auch die Flugbahn des Balles besser beeinflussen. Hinzu kommt: Bei modernen Fußballschuhen sieht man aus optischen Gründen immer mehr glänzende Oberflächen, die eine reduzierte Reibung mit dem Ball verursachen können.

 
RUND: Es liegt also auch an den neuartigen Sportschuhen und Buffern?
Ewald Hennig: Genau. Die Kombination aus neuen Ball- und Schuhobermaterialien verändert das Spielverhalten mit dem Ball, worauf sich Spieler in den letzten Jahren vermehrt einstellen müssen. Gerade die Beobachtung, dass bei dieser WM sehr hohe Ballgeschwindigkeiten erzielt werden, deutet darauf hin, dass der Ball grundsätzlich mit weniger Effet gespielt wird. Balleffet führt nämlich zu einem Verlust an Translationsenergie und damit zu geringeren Ballgeschwindigkeiten.

RUND: Spieler wie Rafael van der Vaart legen beim Freistoß die Blase des Balles in Richtung Schussbein. Ist das Aberglaube oder ergibt das aus physikalischer Sicht Sinn?

Ewald Hennig: Ich könnte mir vorstellen, dass da häufig etwas Aberglaube mitspielt. Hochleistungssportler wollen immer ganz bestimmte Bedingungen haben. Die neuen Bälle haben aber fast überhaupt keine Unebenheiten mehr. Deshalb kann es sein, dass van der Vaart sich den Ball aus einem physikalischen Grund mit einer gewissen Unebenheit hinlegt, um die Rotation des Balles zu erreichen.

RUND: Wie schaffen es die Spieler, dass der Ball auf seiner Flugbahn rotiert?
Ewald Hennig: Sie haben nur dann keine Rotation, wenn der Ball genau im Schwerpunkt getroffen wird. Trifft der Spieler ein bisschen außerhalb des Schwerpunktes – und das ist fast immer der Fall – wird automatisch eine Rotation erzeugt. Wenn man einen Freistoß über eine Mauer zirkeln will, muss der Ball eine Rotation haben. Diese Rotation bewirkt, dass er nach unten, oben, oder zur Seite abgelenkt wird. Das ist dieser berühmte Magnus-Effekt. Der funktioniert ähnlich wie bei einem Flugzeug: Das Flugzeug wird in die Höhe getragen, dort ist es der Bernoulli-Effekt, hat aber die gleiche Wirkung. Durch die Rotation des Balles wird auf der einen Seite die Luftströmung beschleunigt, auf der anderen Seite gebremst. Und in die Richtung, wo die Luft schneller ist, wirkt eine Sogkraft. Das ist die Magnus-Kraft. Wird der Ball mit einem Top-Spin getroffen, bewegt sich also im Uhrzeigersinn auf das Tor zu, dann gibt es einen Sog nach unten. Das heißt, der Fußballspieler kann über die Mauer zirkeln, über den Magnus-Effekt wird der Ball nach unten gezogen und so entstehen diese faszinierenden Schüsse.

RUND: Sie haben die neuen Bälle erwähnt, über die sich einige Keeper wie Iker Casillas beschwert haben. Ist das eine Ausrede oder flattern die Bälle heute tatsächlich stärker?
Ewald Hennig: Das tun sie. Früher, als die Bälle unebener waren, lag der Ball durch die Rotation stabiler in der Luft. Durch Unebenheiten bekommt ein Ball automatisch eine Drehung, auch wenn er im Zentrum getroffen wird. Durch die Magnus-Kraft, die auf den Ball wirkte, reagierte er auf Luftströmungen, die es ja immer gibt, weniger empfindlich. Bei einem graden Schuss mit hoher Geschwindigkeit bekommt der Torwart mit einem perfekt runden Ball große Probleme. Der Ball flattert dann, weil er eben durch unterschiedliche Luftschichten wandert. Nur ein paar Zentimeter Ablenkung bedeuten für den Torwart, dass er ihn nicht mehr so gut vorausberechnen kann. Deswegen wird der Ball heute auch so häufig gefaustet. Die Flugbahn des Balles ist nicht mehr so berechenbar.

RUND: Einige Szenen, die wie krasse Torwartfehler aussehen, ließen sich durch das geänderte Flugverhalten der neuen Bälle erklären?
Ewald Hennig: Krasse Torwartfehler sind wohl nicht durch die neuen Bälle erklärbar. Allerdings sind die schnelleren Bälle mit geringerer Flugbahnstabilität eine Herausforderung für den Keeper.

RUND: Also sind die Schützen durch die neuen Bälle im Vorteil?
Ewald Hennig: Definitiv. Man erzielt höhere Geschwindigkeiten. Das kann sicherlich auch ganz reizvoll für den Fußball sein.

Zurück  |