KOLUMNE
Macht Stehgeiger zu Ausdauerläufern
Wie macht man Kreisligafußballer fitter? Von Oliver Fritsch

 Grandplatz
Staubiger Grandplatz: Alltag in der Kreisliga Foto Pixathlon

 


Konditionstraining in der Kreisliga – das Fachbuch, das sich mit diesem Phänomen befasst, müsste weniger medizinische und trainingswissenschaftliche Aspekte behandeln, sondern eher pädagogische und psychologische. Wie bringe ich Hobbyfußballer, unter ihnen Leute, deren erste Handlung nach dem Sport der Griff nach der Zigarettenschachtel ist, zweimal in der Woche zum Laufen und Springen?
 
Mittlerweile mag sich das Bewusstsein in den höheren Ligen im Amateurbereich verändert haben. In die Trainingsarbeit werden verschiedene Übungen wie Brustgelenksarbeit oder auch die Kräftigung des Oberkörpers eingebaut. Auch Haltungsübungen und ähnliche Inhalte gibt es. Anregungen dazu, gibt es auch im Internet, etwa Übungen für Dein Brustmuskeltraining In der Kreisliga sind diese Erkenntnisse aber noch nicht angekommen.
 
Ich habe, nun, nach zehn Jahren Trainingspraxis in Hessens Betonligen, noch keine perfekte Strategie gefunden. Zunächst mal ist jedoch festzuhalten, dass es in jeder Mannschaft ein großes Leistungsgefälle gibt: hier ein paar Läufertypen, die jedem Leichtathletikverein gut zu Gesicht stehen würden; dort, am unteren Ende der Skala Stehgeiger, für die die Sportmedizin das Etikett „untrainiert“ (das ist ein Level über „pathologisch“) vorsieht und die keine fünf Liegestütz schaffen – nicht selten sind das jedoch diejenigen, die mit dem Ball befreundet sind und ohne die das Zusammenspiel der Mannschaft so flüssig wäre wie Tipp-Kick. Diese Jungs fit zu kriegen, gehört zu den schwierigen und wichtigen Aufgaben des Kreisligatrainers.
 
Einem dieser technisch beschlagenen Spieler, der den 3.000-Meter-Test in einer Zeit läuft wie manch anderer das rückwärts schaffen würde, hatte ich mal für die Sommerpause Lauftraining in drei Niveau-Stufen verordnet – ein individueller Trainingsplan für seine Pinnwand. Anleihen für dieses Schriftstück nahm ich bei einer mir bekannten Grundschullehrerin, einer Expertin in Methodik und visueller Didaktik. Viel geholfen hat’s nicht, er war nicht groß zu bewegen. Den Vorschlag meiner Beraterin, die Niveau-Stufen mit Tiersymbolen (Pferd, Hahn und Frosch) zu kennzeichnen, hatte ich, vielleicht war das mein Fehler, verworfen. Ebenso einen weiteren ihrer Tipps für mein Training: den Hasenlauf, ein bei Grundschülern angeblich sehr beliebter achtminütiger Ausdauerlauf, bei dem der Lehrer seiner Klasse, wenn ich das richtig verstanden habe, im Hasenkostüm gegenübertritt. Ich werde es für die nächste Saison mal bedenken.
 
Das Lehrbuch muss auf jeden Fall auch rhetorische Tipps parat halten, denn der argumentative Aufwand einer faulen Männergruppe, die sich gegen die Aufforderung zu körperlicher Aktivität wehrt, kann ein beachtenswertes Maß annehmen. Und an der Ehre packen lassen sich Fußballer vielleicht am Spieltag und an der Theke, jedoch weniger mit spöttischen Bemerkungen in Bezug auf ihre Fitness. Jüngst verpuffte meine ironische Spitze: „Was Ihr tut, soll ja auch irgendwie etwas mit Sport zu tun. Im entfernten Sinne zumindest.“ Eigentlich eine Provokation: Fußball im entfernten Sinne ein Sport!! Hallo! Ein Kollege referierte mir neulich von seiner Erfahrung: Als er im Training Steigerungsläufe anordnete, hörte er den laut vernehmbaren Satz eines keuchenden Spielers, den dieser (nur vermeintlich) zu seinem Mannschaftskameraden mit gespielter Empörung äußerte: „Du kannst doch nicht einfach behaupten, dass der Trainer ein Arschloch ist!“ Meinem Kollegen fehlten die Worte.
 

Zurück  |