Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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THEMENWOCHE
Stimmung wie im Wohnpark
Claqueure auf den Stehplätzen, Geschäftskunden hinter verspiegelten Scheiben: In den hochmodernen Arenen der Liga sehen die Zuschauer inzwischen ein Spiel komplett unterschiedlich. Ein Auszug aus dem Buch „50 Jahre Bundesliga“. Von Matthias Greulich

 

 

Veltins Arena: Der Fußballplatz als Baustelle: Der FC Schalke 04 hat sich an den Baukosten von 192 Millionen Euro verhoben
Foto Martin Kunze

 

 

Der neue Fußball ist an den Stadtrand gezogen, da wo der alte Fußball war, stehen heute Wohnhäuser. Es gibt dort noch einen kleinen Hügel, darunter liegt der neue "Wohnpark Bökelberg". Wer von oben schaut, kann die Umrisse des legendären Bökelberg-Stadions noch erahnen. Bis 2004 trug der VfL Borussia Mönchengladbach seine Heimspiele mitten in diesem Wohngebiet aus. Zu den Tribünen ging es so steil hinauf, wie sonst nur am Betzenberg in Kaiserslautern. Der Gladbacher Konditionstrainer Karl-Heinz Drygalski nutzte die Steigung. Die Profis wie Günter Netzer, Berti Vogts und später Lothar Matthäus ließ er dort Treppenläufe machen. Die Fans der Borussia fielen alle zwei Wochen in diese ansonsten ruhige Gegend ein, und wenn einmal im Jahr die Bayern kamen, machten sie mehr Lärm, als man es 34.500 Zuschauern zugetraut hätte.

Der neue Fußball findet im Borussia-Park in einem Gewerbegebiet im Westen der Stadt statt. Selbst wenn 54.000 Zuschauer kommen, stört das auf der grünen Wiese niemanden mehr. An den Kiosken muss man für Wurst, Cola und Bier nicht lange Schlange stehen. Und mit dem Parken ist es auch nicht mehr so eine Katastrophe: 9.500 Stellplätze wurden gleich nebenan gebaut. Wenn die Bayern vorbeischauen, ist es dort immer noch laut. Aber es gibt Momente, da kann es in dieser riesigen Arena so still sein wie im Wohnpark. Selbst in der Nordkurve, so heißt es aus der Heimat der Treuesten, sei früher bessere Stimmung gewesen. Diejenigen, die man dort verächtlich "Eventfans" nennt, sind sowieso unsichere Kantonisten: Auf den teuren Plätzen sitzen längst nicht immer alle pünktlich zum Wiederanpfiff nach der Halbzeitpause. Einige haben sich im Bereich für Geschäftskunden verquatscht, und so manchem Geschäftspartner ist das Roastbeef vom Büfett wichtiger als der VfL Borussia. Was in den 42 Logen passiert, bekommt man in der Arena dagegen nicht mit. Die Zuschauer sitzen dort geschützt hinter getönten Glasscheiben.

86,9 Millionen Euro hat der funktionale Bau gekostet. 35,8 Millionen Euro davon kommen von der Stadt Mönchengladbach, die dem Klub ein Darlehen gegeben hat. Und das angesichts der finanziellen Lage der 260.000-Einwohner-Stadt, die als klamm zu beschreiben, bei unglaublichen 1,29 Milliarden Euro Schulden üble Schönfärberei wäre.

Moderne Arenen wie in Mönchengladbach sind in den vergangenen Jahren in fast jeder Bundesligastadt entstanden. Und wer nicht neu baute, hat sein Stadion modernisiert, um den Besuchern mehr Komfort zu bieten und die Einnahmen zu steigern. Der Zuschauer sitzt oder steht meist nah dran am Geschehen. Die alten Leichtathletik-Laufbahnen, die Tribünen und Fußballfelder trennte, sind zu diesem Zweck überbaut worden – bis auf das inzwischen in den Vereinsfarben von Hertha BSC blau-weiß eingefärbte Tartangeläuf im Berliner Olympiastadion.

Nach den erheblichen Investitionen in die Stadien für die WM 1974 gab es 30 Jahre später noch einmal den nächsten Schub: Allein 1,4 Milliarden Euro wurden in die zwölf Spielstätten der WM 2006 investiert, davon knapp 600 Millionen aus öffentlichen Kassen. "Das Unglaubliche an diesen Konstruktionen ist, dass die Gewinne, die die neuen Stadien abwerfen, privatisiert werden, während die Verluste sozialisiert sind", sagte der Architekt Volkwin Marg, der die Stadien in Köln und Frankfurt sowie das Konzept für den Umbau des Berliner Olympiastadions entworfen hat, in einem RUND-Interview.

Keinerlei Zuschüsse der öffentliche Kassen gab es allerdings bei den beiden aufwändigsten Stadionneubauten: Die Arenen des FC Schalke 04 (Gesamtkosten 192 Millionen Euro) und des FC Bayern (340 Millionen Euro) werden komplett privat finanziert. Die Münchner Allianz Arena wird ebenfalls vom Lokalrivalen 1860 München genutzt, der allerdings aufgrund finanzieller Probleme aus der gemeinsamen Stadiongesellschaft aussteigen musste. Die Bayern haben auch beim Stadionneubau mehr Weitsicht bewiesen als ihre ungeduldigen Konkurrenten in Gelsenkirchen. Während die Münchner ihre Kredite vermutlich bis 2018 abbezahlt haben werden, spielen die Schalker in einer Arena, die sie sich eigentlich nicht hätten leisten können.

Atmosphärische Probleme werden allerdings sogar aus der Hightech-Arena im München-Fröttmaning gemeldet, die bei den Heimspielen der Bayern rot illuminiert wird. Am 13. November 2007 reagierte Uli Hoeneß bei der Jahreshauptversammlung auf Kritik von Fans, die maulten "in der Tiefgarage herrsche bessere Stimmung als im Stadion", äußerst dünnhäutig. Das sei "populistische Scheiße", rief er in seiner berühmt gewordenen Wutrede den renitenten Fans aus der Ultra-Bewegung zu. Für die Stimmung seien schließlich die Fans und nicht der Vorstand verantwortlich. "Wer glaubt ihr eigentlich, wer euch finanziert? Das sind die Leute in der Loge, denen wir das Geld aus der Tasche ziehen", rief Hoeneß.

Dass die günstigen Karten auf den Stehtribünen von den Geschäftskunden subventioniert werden, ist eine weit verbreitete Ansicht in den Vorstandsetagen der Liga. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem: Tickets für Heimspiele des Rekordmeisters sind nur noch schwer zu bekommen. In den neuen Arenen mit ihren VIP-Logen und Familienblöcken wird deutlich, wie sehr sich der Fußball von seinen proletarischen Wurzeln entfernt hat. Architekt Marg macht eine andere Rechnung als der Kaufmann Hoeneß auf: "Wenn man jetzt das Fußballspiel nimmt, bilden die 40 bis 50.000 Zuschauer die Kulisse für die fünf Millionen vor dem Fernseher. Manchmal denke ich, dass es grotesk ist, dass die Claqueure auf den Stehplätzen im Stadion, die Kulisse fürs Fernsehen also, bezahlen müssen, während die Leute in den Logen ihre Ausgaben von der Steuer absetzen können. Das Stadion ist der öffentlichste aller Bauten und war ursprünglich immer ein Volksstadion. Da muss man sich schon fragen, warum die Öffentlichkeit jetzt Klassenstadien baut, die dazu beitragen, eine Segregation dieser angeblich so gleichen Gesellschaft herbeizuführen."

 

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50 Jahre Bundesliga

 Karlheinz Mrazek/Matthias Greulich: 50 Jahre Bundesliga, Copress Verlag, 19,90 Euro, 256 Seiten, ISBN 978-3-7679-0921-2

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