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„Wir brauchen die kompletten Rechte!“
Wenn Stars ihre Werberechte verkaufen, ist immer mehr Geld zu verdienen. Ob die Klubs oder die Fußballer selber an der Nutzung der Persönlichkeitsrechte verdienen sollen, birgt Konfliktstoff für die gesamte Bundesliga. Fließt das Geld für den Kauf dieser Rechte dann auch noch ins Ausland, wittern die Behörden schnell Steuerhinterziehung – wie vor einigen Jahren bei Eintracht Frankfurt und Kaiserslautern. In Leverkusen sorgen die Zahlungen von Reiner Calmund nach Südamerika deshalb für komplizierte Aufräumarbeiten. Von Matthias Greulich und Rainer Schäfer.

 

Taribo West
Im Trikot Nigerias: Taribo West sprintet dem Dänen Brian Laudrup bei der WM 1998 davon Foto Pixathlon

 

 Der Angeklagte Jürgen Friedrich nahm einen Zettel und schrieb dreimal 1,0 Millionen Mark für „Persönlichkeitsrechte“ darauf. Der Berater von Taribo West änderte nur die Stelle hinter dem Komma – auf dreimal 1,5 Millionen Mark. Über das Finanzielle war man sich schnell einig, nach anderthalb Stunden war der Transfer des nigerianischen Nationalspielers im November 2001 zum 1. FC Kaiserslautern perfekt. Was die Richter am Landgericht Kaiserslautern in ihrem Urteil gegen die ehemaligen Funktionäre des FCK Friedrich, Gerhard Herzog und Robert Wieschemann feststellen, liest sich abenteuerlich. Ein Einzelfall? Oder laufen immer noch einige Transfers in der Bundesliga wirklich derart unseriös ab? Auf 77 Seiten werden die verwegensten Konstrukte ausgebreitet, wie verdeckte Lohnzahlungen ins Ausland abgewickelt wurden, um Steuern zu sparen.

Immer wieder verwendet Friedrich den Begriff „Persönlichkeitsrechte“ als Ausgangspunkt für kreative Vertragsgestaltungen. Im Urteil heißt es, dass Taribo West zwei Millionen Mark pro Jahr forderte – und das netto. Friedrich teilte mit, dass dies dem 1. FC Kaiserslautern aufgrund der Steuer- und Abgabenbelastung nicht möglich sei. Der damalige Präsident der Lauterer bot daraufhin eine Lösung über die Zahlung von „Persönlichkeitsrechten“ an. Wests Berater erklärte, das sei kein Problem und in Italien gang und gäbe. Friedrich bot ein monatliches Grundgehalt von 80.000 Mark sowie eine Prämie pro Punkt von 25.000 Mark pro erzielten Punkt an, als Zahlung für Persönlichkeitsrechte wurden 4,5 Millionen Mark vereinbart. Die Rechnungsadresse lautete auf eine Firma World Footballer Rights in Mailand, die in Wahrheit nicht existierte. Der Inhaber des Kontos, auf das die erste Teilzahlung erfolgte, war Taribo West.

 Vor Gericht in Kaiserslautern – es gab Stimmen, die behaupteten, die Richter hätten Sympathien für den 1. FCK gezeigt – wurden die Angeklagten nicht sonderlich hart angepackt. Der Fall ging anschließend sogar bis zum Bundesgerichtshof. Die Strafen gegen Friedrich, Herzog und Wieschemann bezeichnete der dortige Vorsitzende Richter Clemens Basdorf als "mild, aber nicht zu mild" und deshalb vertretbar. Am Ende kam Friedrich mit einer Bewährungstrafe von zwei Jahren wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen davon. der in einem Fall schuldig gesprochene Herzog musste 39.000 Euro zahlen. Wieschemann wurde wegen täterschaftlicher Steuerhinterziehung zur Zahlung von 130.000 Euro Geldbuße verurteilt.

Die Nutzung von Persönlichkeitsrechten bleibt ein Streitfall für die Liga. „Ich gehe davon aus, dass das Thema Persönlichkeitsrechte in den nächsten fünf, sechs Jahren neu definiert wird. Das wird ein großes Thema werden“, glaubt Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. „Dieses Thema hat ja schon eine Dimension bis hin zur Nutzung im medienrechtlichen Bereich. Bis zur Frage: Kann ich überhaupt ohne die Zustimmung des Spielers Fernsehübertragungen von Spielen machen?“

 Dabei ist die Tatsache, dass sich Profiklubs die Nutzung der Persönlichkeitsrechte von ihren Spielern übertragen lassen, an sich nichts Ungewöhnliches – es wird sogar von der Deutschen Fußball Liga (DFL) ausdrücklich verlangt. Paragraf 3 des Musterarbeitsvertrags, den die DFL für die Klubs ausgearbeitet hat, regelt, dass der Spieler dem Klub das Recht einräumt, seine Persönlichkeitsrechte zu vermarkten, soweit seine Tätigkeit als Lizenzspieler und nicht ausschließlich seine Privatsphäre berührt ist. In die Privatsphäre der Spieler fällt die Werbung für nicht fußballbezogene Produkte und schriftstellerische Tätigkeiten, also etwa für Kolumnen in Zeitungen. Die Regelung in diesem Musterarbeitsvertrag wurde erst im vergangenen Jahr genauer gefasst, es dürfte nicht die letzte Änderung gewesen sein.

Der auf die Lizenzierung von Persönlichkeitsrechten spezialisierte Rechtsanwalt Markus Schütz sagt: „Persönlichkeitsrechte sind ein wirtschaftliches Gut geworden. Die sind zwar nicht übertragbar und veräußerbar, aber die Nutzung an ihnen kann man erwerben. Sowohl die Spieler und ihre Vermarktungsagenturen als auch die Bundesligaklubs erkennen inzwischen, dass damit Geld zu verdienen ist.“ Auch für den selbsternannten Sanierer des 1. FC Kaiserslautern, René C. Jäggi, der mit einer Selbstanzeige die Machenschaften seiner Vorgänger angeprangert hatte, waren die Persönlichkeitsrechte bei seinen eigenen Verträgen ein Thema. Die GRJ Leisure Development Holding AG in Basel, sollte Entschädigungszahlungen dafür bekommen, dass sie Jäggi von seiner bisherigen Tätigkeit freistelle. Jäggis Rechtsanwalt Markus Bürgler schlug deshalb per Fax vor, dass der FCK dafür unter anderem die persönlichen Markenrechte erhalten und damit Werbung betreiben dürfe. Das entsprechende Vertragsangebot des FCK lehnte Jäggi dann allerdings ab.

 Bei den ganz großen Transfers des Weltfußballs geht schon heute nichts mehr ohne die Vermarktung der Persönlichkeitsrechte des Stars. Rechtsanwalt Michael Becker, unter anderem der Berater von Michael Ballack, erklärt das Prozedere: „Wenn der Arbeitsvertrag des Profis mit seinem neuen Arbeitgeber verhandelt wird, kommt von Vereinsseite regelmäßig der Satz: ‚Um den Transfer zu stemmen, brauchen wir die kompletten Rechte.‘ Die werden dann vom Klub erworben, der dann wiederum seine Vereinssponsoren kontaktiert, die einen Teil der Ablösesumme über Werbeverträge mit dem neuen Spieler refinanzieren. Für den Klub wird die Ablösesumme damit erträglicher.“ Bei Ballacks Wechsel zum FC Chelsea sollen angeblich 1,2 Millionen Pfund für die Verwertung von dessen Persönlichkeitsrechten geflossen sein, obwohl keine Ablösesumme fällig war. Michael Becker möchte diese Zahl nicht bestätigen. Sagt aber, dass der FC Chelsea Michael Ballack in seine Vermarktungsstrategie einbeziehen möchte und hierfür bereit gewesen sei, eine angemessene Summe zur Verfügung zu stellen.

 Für andere Bundesligaprofis sind solche Konstrukte wenig realistisch. Im Vergleich zu ihrem Fußballeinkommen dürften sogar Nationalspieler wie Bastian Schweinsteiger, Christoph Metzelder und Torsten Frings mit ihren Werbeverträgen nur einen Bruchteil  dessen verdienen, was sie an Gehalt fürs Fußballspielen bekommen. Becker: „Bei Leuten wie David Beckham oder Wayne Rooney ist das anders. In diesen Fällen kann man davon ausgehen, dass schätzungsweise 15 bis 20 Prozent des Gesamteinkommens aus Werbe- und Sponsorverträgen fließt. Es handelt sich um einen bedeutsamen Betrag im einstelligen Millionenbereich.“

Dass der 1. FC Kaiserslautern 2,3 Millionen Euro für die Nutzung seiner Persönlichkeitsrechte von Taribo West ansetzte, musste deshalb Argwohn erregen, denn „solch ein Spieler ist eigentlich nirgendwo werblich zu vermarkten“, sagt Becker. Insbesondere dass der Verein nichts tat, um die teuren Rechte tatsächlich zu verwerten, rief die Ermittler in der Pfalz auf den Plan. Seitdem Anthony Yeboah wegen verdeckter Lohnzahlungen für Werberechte in Höhe von zwei Millionen Mark vom Bundesgerichtshof zu 360.000 Mark Strafe verurteilt worden war, gilt das Yeboah-Modell als Schulbeispiel für Steuerfahnder. Bei Bundesligamanagern gilt es als juristische Grenze für kreative Zahlungsmodelle für die Nutzung von Persönlichkeitsrechten. Die DFL ging wohl auch zur Abschreckung hart gegen den 1. FC Kaiserslautern vor, als Jäggi die Selbstanzeige beim Finanzamt abgab. Der FCK  musste 125.000 Euro Geldstrafe zahlen, den Lauterern wurden drei Punkte abgezogen.

 

Youri DjorkaeffGegen Brasilien im Finale von Paris: Beim WM-Turnier 1998 in Frankreich wurde Youri Djorkaeff Weltmeister, später wechselte er in die Pfalz zum 1. FC Kaiserslautern. Foto Pixathlon

 

Entsprechend schwer tut sich die DFL beim Thema Persönlichkeitsrechte. Auf Anfrage von RUND verweist Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung, auf den Geschäftsführer Christian Müller und Chefjustiziar Thomas Summerer, die sich jeweils nur für ihren Bereich äußern wollen. Summerer hält die Regelung im Musterarbeitsvertrag für notwendig: „Die Spieler bekommen ein ordentliches Gehalt, deshalb bin ich der Meinung, dass es sich die Spieler schon gefallen lassen müssen, dass der Verein den Teil der Persönlichkeitsrechte vermarktet, die mit dem Spielbetrieb zusammenhängen. Der Klub muss diese Rechte an die DFL übertragen, damit die DFL die Fernseh- und Gruppenvermarktung durchführen kann.“ Die Gruppenvermarktung umfasst unter anderem die Abbildung von Spielern in Computerspielen oder auf Sammelbilder.

Die Rolle der DFL hält Rechtsanwalt Schütz für bedenklich: „Nicht nur bei den auf dem Markt besonders begehrten Profis dürfte es gängige Praxis sein, für die Übertragung der Persönlichkeitsrechte Geld zu zahlen. Die DFL hat wohl nicht erkannt, dass sich hier eine neue Einkommensquelle bietet, die keine klassische Lohnzahlung darstellt.“ Mit Blick auf Kaiserslautern sagt Schütz: „Es wäre aber sicherlich die Aufgabe der DFL, den Vereinen Unterstützung in diesen Fällen anzubieten, statt die Geldzahlungen pauschal zu kriminalisieren, sobald Schwierigkeiten auftreten.“

Der Autor Fred Sellin kritisiert in seinem Buch „Das schmutzige Spiel“ die Organisationsstruktur der DFL im Fall Kaiserslautern. Er macht dies an der vermuteten Steuerhinterziehung im Fall Youri Djorkaeff fest, von deren Vorwurf die FCK-Verantwortlichen später vom Landgericht Kaiserslautern freigesprochen wurden.

Im Fall Djorkaeff, so Sellin, hätte die DFL von Anfang an angesichts des niedrigen vereinbarten monatlichen Grundgehaltes von 50.000 Mark ins Grübeln kommen können, zumal der Franzose damit im Gehaltsgefüge keinesfalls Spitzenverdiener war. DFL-Geschäftsführer Christian Müller: „Es wäre völlig abwegig zu glauben, einzelne Mitarbeiter der DFL würden routinemäßig die Höhe der Gehaltszahlungen an einzelne Spieler bewerten und daraus Rückschlüsse ziehen. Im Fall Djorkaeff, aufgrund der finanziellen Schieflage des FCK Gegenstand unserer Untersuchungen, bleibt es bei unserer Einschätzung, dass das Gehalt des Weltmeisters so niedrig bemessen war, dass sich der Verdacht verdeckter Gehaltszahlungen geradezu aufdrängt.“ Anders Chefjustiziar Summerer: Er geht im Gespräch mit RUND davon aus, dass die Liga nicht von sich aus hätte Verdacht schöpfen müssen.

 Bayer Leverkusen ist einer der Klubs, der wegen Spekulationen, ob Zahlungen ins Ausland ordentlich versteuert wurden, ins Gerede gekommen ist. Bayer ist der Pionier für Transferabwicklungen mit Südamerika, für die das ungleiche Geschäftsführerduo Reiner Calmund und Wolfgang Holzhäuser verantwortlich zeichnete. Dem hemdsärmligen Calmund glückten oft spektakuläre Coups, für deren steuerkonforme Abwicklung der nüchterne Holzhäuser zuständig war. Ein Happyend blieb dem Zusammenwirken der Geschäftsführer, das zum Slapstick-Stoff taugen würde, nicht beschieden. Calmund trat im Juni 2004 zurück, leicht gereizt ist der Schreibtischmensch Holzhäuser immer noch mit „Aufräumarbeiten“ beschäftigt. Inzwischen ist er überzeugt davon, den richtigen Umgang mit der schwierigen Materie gefunden zu haben. „Wenn es um Zahlungen an Spielerberater oder Agenturen geht, stellen wir in den Verträgen sehr klar, dass der Spieler weder indirekt noch direkt an diesen Zahlungen partizipiert.“ Sollten trotzdem steuerliche Konsequenzen entstehen, drohen  die nicht dem Klub, sondern nur dem Spieler oder der Agentur. „Denn eines können wir nicht kontrollieren: dass ein Berater den Betrag x erhält und den nicht so behandelt, wie er behandelt werden sollte.“

 Sind die Fälle Kaiserslautern, wo der Klub sich selbst beim Finanzamt anzeigte, und Leverkusen vergleichbar? Wolfgang Holzhäuser verneint: „Wir haben eine so genannte strafbefreiende Erklärung im Sinne des Strafbefreiungsgesetzes abgegeben. Eine solche Erklärung ist gerade nicht mit einer Selbstanzeige gleichzusetzen. Wir haben dies gemacht, um bereits dem Verdacht einer Lohnsteuerverkürzung entgegenzutreten. Es handelt sich also um eine reine Vorsichtsmaßnahme, um jegliches Risiko auszuschließen. Bei uns standen Aufräumarbeiten an. Wir haben nach Südamerika Zahlungen an Agenturen und Spielervermittler getätigt, für die Vermittlung von Spielern, für die Beratung, Provision und ähnliche Dinge. Wir haben im Rahmen von Bereinigungsarbeiten versucht, diese Zahlungen den einzelnen Spielern zuzuordnen, was nicht abschließend gelungen ist. Das war nicht lückenlos aufklärbar, in Südamerika ist es in der Tat etwas schwieriger.“

Bayer hat die Angelegenheit mit dem Finanzamt inzwischen geklärt. Aber wurde auch für den Kauf der Werberechte gezahlt? „Gerade in Brasilien kommt die Übertragung von Persönlichkeitsrechten sehr häufig vor“, sagt Frank Rybak, Justiziar der Spielergewerkschaft VDV. Dass dies eine gängige Geschäftspraxis ist stellt Wolfgang Holzhäuser in Abrede: „Wir sind in Leverkusen dafür bekannt, dass wir über lange Jahre sehr stark mit brasilianischen Spielern gearbeitet haben. Ich kenne keinen einzigen, der bei uns war oder noch ist, bei dem die Persönlichkeitsrechte in irgendeiner Form besonders behandelt wurden.“ Auf dem „Nebenkriegsschauplatz Persönlichkeitsrechte“, so Holzhäuser, wird mit allen Finten weitergekämpft.

 

Der Text ist in RUND #13_08_2006 erschienen.

 

Michael Ballack und Reiner Calmund
Spektakuläre Coups: Neben Michael Ballack holte Leverkusens ehemaliger Geschäftsführer Reiner Calmund auch viele Stars aus dem Ausland – und das mit teilweise unkonventionellen Methoden Foto Pixathlon

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