HEIMSPIEL
„Ich genieße es als Harley-Rocker “
Peter Neururer hat sich einen Traum erfüllt, den ungezählte Motorradfans nicht verwirklichen können. Er fuhr zusammen mit seinen Rocker-Kollegen vom VfL Bochum auf seiner eigenen Harley Davidson über die Golden Gate Bridge in San Francisco. Dabei hatte der 50-jährige Trainer schon gar nicht mehr an die Erfüllung des American Dream geglaubt. Aufgezeichnet von Jörn Duddeck.

 

Peter Neururer

Ein Mann, eine Maschine, eine Mission: Peter Neururer will gutes Wetter Foto Axl Jansen und Nicole Hardt

 

Alles fing damit an, dass ich Anfang der 70er Jahre während meiner Pubertät mit dem Film „Easy Rider“ konfrontiert wurde. Peter Fonda und Dennis Hopper fuhren in diesem Streifen auf ihren Harleys durch die beeindruckenden Landschaften in Arizona. Seit dieser Zeit steht die Harley für mich stellvertretend für das Gefühl von Freiheit, und von da an war es immer mein Traum, einmal mit einer Harley Davidson über die Golden Gate Bridge in San Francisco zu fahren. 1983 habe ich meine Frau Antje kennen gelernt und ihr von diesem Wahnsinnsgefühl erzählt, dass ich unbedingt mal erleben wollte.

Zu einer eigenen Harley kam ich allerdings erst Jahre später - meine Frau erinnerte sich anlässlich meines 48. Geburtstags an den großen Traum und schenkte mir eine nagelneue Road King. Ein Geschenk, mit dem ich zum damaligen Zeitpunkt nie im Leben gerechnet hätte. Da ich mir während meines Studiums zum Diplom-Sportlehrer so was nie leisten konnte, war dieser Wunsch eigentlich schon vollkommen in Vergessenheit geraten.
 
Der Reihe nach: Am 26. April 2003, dem Tag meines Geburtstags, stand für mich und meine damalige VfL-Mannschaft ein wichtiges Spiel bei meinem Ex-Verein FC Schalke 04 an. Da am Spieltag noch eine Vormittagstrainingseinheit stattfand, wollte ich abends trotz des Geburtstags nicht reinfeiern, sondern früh zu Bett gehen. Antje bat mich jedoch darum, wenigstens bis 24 Uhr wach zu bleiben. Da ich pünktlich um kurz nach Mitternacht in mein Bett wollte, schmiss ich mich schon mal in den Bademantel und wartete die Zeit ab. Zur Geisterstunde wurde ich dann von meiner Frau auf einmal aufgefordert, in die Garage zu gehen. Angesichts meiner Montur empfand ich das als äußerst ungünstig. Die Garage war erleuchtet, und von drinnen hörte ich ein eigenartiges Blubbern. Als ich dann vor mir eine fantastisch aufgemachte Road King sah, war ich völlig perplex. 15 Jahre hatten wir nicht mehr über das Harley-Feeling gesprochen, da hatte ich in diesem Moment Tränen in den Augen vor Freude.

Die erste große Reise ging - wie könnte es anders sein - in die Vereinigten Staaten, durch Kalifornien. Es war ein Genuss, endlich selbst über die Golden Gate Bridge brettern zu dürfen. Gemeinsam mit einigen VfL-Kollegen wurde eine eigene Tour-Connection ins Leben gerufen. Mit dabei waren meine Co-Trainer Funny Heinemann und Nico Michaty, Teamarzt Dr. Karl-Heinz Bauer, Physiotherapeut Jürgen Dolls und Ex-Profi Tom Dooley, der beim VfL Bochum ein Praktikum absolvierte. Ich war der einzige Besitzer einer Road King, alle anderen mussten sich eine Harley mieten. Von Los Angeles fuhren wir zunächst entlang der Route 66, bogen nach Las Vegas ab und durchfuhren Death Valley in Nevada. Zum Glück war es in der Wüste nicht so heiß wie üblich. In San Francisco angekommen, konnte ich mir dann endlich meinen Golden-Gate-Bridge-Traum erfüllen. Zurück ging es dann über den Highway Number One nach L.A. Es war eine fantastische Zeit, die wir dort gemeinschaftlich verbrachten.

Insgesamt kamen wir auf 2200 Meilen. Während der Reise habe ich eine intensive Beziehung zu meiner Harley entwickelt. Es ist nicht irgendein Motorrad, und ich sehe mich auch nicht als Motorrad- sondern als Harley-Fahrer. Das Fahren gibt mir ein unheimliches Freiheitsgefühl. Ich genieße es, nicht als Fußballtrainer, sondern als Harley-Rocker wahrgenommen zu werden. Ich bin nun einmal eine Person des öffentlichen Interesses. Das kann mitunter recht lästig sein und einengen, vor allem wenn es in den privaten Bereich geht. Sitze ich auf meiner Maschine, dann trage ich meinen Helm und meine Brille und bin einfach nur der Fahrer und nicht der Fußballtrainer Peter Neururer, der von allen Leuten beobachtet wird. Unterstützt wird dieses unheimliche Freiheits- und Entspannungsgefühl vorwiegend durch das intensive Geräusch des Motors. Sobald der anspringt, brauche ich keine Musik mehr.

Gerade nach dem unheimlich stressigen Bundesligajahr, das mit dem Erreichen des Europapokals gekrönt wurde, ging es darum, abzuschalten und eine Einheit zu werden, eine Einheit zwischen mir, der kalifornischen Landschaft und meiner Harley. Diese Tour hat uns allen so gefallen, dass wir im darauf folgenden Jahr eine zweite Fahrt unternahmen, diesmal durch Spanien und Portugal. Leider stand uns nicht so viel Zeit zur Verfügung, und wir waren emotional mit den Gegenden weniger verbunden. Aber das Fahrgefühl muss man einfach erlebt haben. Man wird als Harley-Fahrer ganz anders angesehen als ein normaler Motorradfahrer, denn die Harley wirkt viel heftiger als eine kleinere, möglicherweise schnellere Maschine. Mehr Tempo als etwa 130 Stundenkilometer, die eine Harley bringt, wäre in meinem Alter allerdings auch nicht mehr zuträglich. Mittlerweile steige ich so oft es geht und wenn die Straßen trocken sind auf meine Road King. Eine einzige Qual war der Monat, in dem ich meinen Führerschein aufgrund eines Verkehrsdeliktes abgeben musste. Seitdem weiß ich: Ein Monat ohne Harley ist schlimmer als ein Jahr ohne Auto.

 

Der Text ist in RUND #7_02_2006 erschienen.


Peter NeururerEin Mann, eine Maschine, eine Mission: Peter Neururer will gutes Wetter Foto Axl Jansen und Nicole Hardt

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