REGIONALLIGA
„Wer hier meckert, weiß nicht, wo er ist“
Kann er aus dem Marketingwerkzeug eines Weltkonzerns einen Klub mit eigenem Konzept und Spielidee formen? Beim Regionalligisten RB Leipzig arbeitet Ralf Rangnick im Hintergrund an den Strukturen. Das Fernziel ist die Bundesliga. Von Henning Klefisch.

 

 

RB LeipzigErfolgreicher Saisonstadt: Die Regionalligaspieler von RB Leipzig sollen so schnell wie möglich in die Bundesliga.
Foto RB Leipzig

 

 

Umut Kocin, 24, läuft an den Containern vorbei, die aus der Ferne wie ein fahrender Zug aussehen. Die Container stehen auf dem Trainingsgelände von Rasenballsport Leipzig (RBL). Sechs Trainingsplätze, rund 35 Millionen Baukosten. 2014 soll alles fertig werden. In der Zwischenzeit sind die Fußballer dieses ungewöhnlichen Regionalligisten im 720 Quadratmeter großen Containerdorf mit Sauna und Fitnessstudio zuhause. Es ist ein Provisorium, das dennoch höchsten Ansprüchen genügt. Kocin ist froh, auf den fahrenden Zug aufgesprungen zu sein. „Wer sich hier beschwert, müsste bei Real Madrid oder Barcelona spielen. Wir haben top Trainingsbedingungen, um uns optimal vorzubereiten. Wer hier meckert, weiß nicht, wo er ist.“

Der Red-Bull-Konzern, dem RB Leipzig gehört, möchte den Verein so schnell wie möglich in die Bundesliga bringen. Damit es nicht zulange dauert, muss in dieser Saison der Aufstieg aus der vierten Liga gelingen. Momentan läuft alles nach Plan: RBL führt die Tabelle in der Regionalliga Nordost an. Alexander Zorniger, 45, seit Saisonbeginn Cheftrainer bei RBL: „Der Saisonstart ist sehr positiv. Von 21 möglichen Punkten haben wir 19 Zähler geholt. Sechs Siege in Folge sind ebenso beeindruckend. Das Umfeld zieht total mit. Die Fans sind überragend. Es macht Spaß mit den Jungs zu arbeiten.“ Den 58. Fußball-Lehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie hat Zorniger im Sommer als Jahrgangsbester abgeschlossen. Er war Trainer des Regionalligisten SG Sonnenhof Großaspach und Co-Trainer beim VfB Stuttgart.

Die Verpflichtung von Zorniger, der Peter Pacult abgelöst hat, war die Idee von Ralf Rangnick. Seit August 2012 ist Rangnick Sportdirektor bei Red Bull und gleichzeitig auch für RB Salzburg zuständig. Rangnick versucht, die Strukturen in Leipzig zu verbessern. Ins Tagesgeschäft mischt er sich nicht ein. Sein Augenmerk liegt auf der Jugendarbeit, er schaut sich häufiger Spiele der U-Mannschaften an. Zuletzt nannte er es in einigen Interviews ein wichtiges Ziel, die besten Spieler aus der Region für RBL zu gewinnen, um die Identifikation der Sachsen mit dem erst im Mai 2009 gegründeten Verein zu erhöhen. Abwehrspieler Umut Kocin: „Ralf Rangnick zeigt vor Ort Präsenz. Dies ist eine spezielle Motivation für die jungen Spieler. Er ist ein absoluter Fußballfachmann und kann durch seine guten Kontakte für Red Bull Leipzig viel zum Positiven verändern.“

Rangnick konnte einige Wegbegleiter aus seiner Zeit in Stuttgart und Hoffenheim zu RBL holen. Neben Zorniger sind dies die U17-Nachwuchstrainer Frank Leicht und Alexander Blessin sowie Athletiktrainer Tim Lobinger, der ehemaligen Weltklasse-Stabhochspringer. Vom FC Bayern ist der Sportpsychologe Philipp Laux nach Leipzig gewechselt. Es gibt einige Parallelen zur TSG Hoffenheim. Dort war Rangnick ab dem Jahr 2006 verantwortlich für das „Modell Hoffenheim“. Den Dorfverein brachte er als Cheftrainer in die Bundesliga, wo die Kraichgauer mit modernem Offensivfußball und einer hervorragenden Jugendarbeit an vielen Traditionsvereinen vorbeizogen. Gelingt es Rangnick diese Spielphilosophie auf RBL zu übertragen, dann steht hinter den geschützten 100 Millionen Euro, die Red Bull investieren will, erstmals ein Konzept und eine Spielidee.

Die Aufgabe in Sachsen ist für den ehrgeizigen Rangnick enorm reizvoll: Leipzig hat ein größeres Zuschauerpotenzial mit einem Umland von rund 2 Millionen Bewohnern. Die Sport- und Messestadt Leipzig bietet grundsätzlich für den Spitzensport bessere Möglichkeiten als die Provinz Hoffenheim. Ein weiterer Unterschied liegt darin begründet, dass SAP-Gründer Dietmar Hopp als Mäzen in Hoffenheim wirkt, während bei den Roten Bullen ein Weltkonzern dahinter steht.

Tobias Kollmann, BWL-Professor der Universität Duisburg-Essen Universität Duisburg-Essen und Experte zum Thema Image von Fußballvereinen sagt, dass es so etwas wie RBL noch nie gegen habe im deutschen Fußball: „Bei der TSG Hoffenheim ging es nie darum, nur die Bekannt- und Beliebtheit der Marke SAP zu steigern. Bei RB Leipzig geht es dagegen hauptsächlich um den Transport der Marke Red Bull, direkt und unmittelbar. Deshalb das Vereinslogo, der Namen und die vielen Analogien zum Konzern und seinem Produkt.“ Es wird spannend zu sehen, ob RBL mehr sein kann als das Marketingwerkzeug eines Brauseherstellers, der nach allen Erfolgen in der Formel 1 nun auch im Spitzenfußball Fuß fassen möchte.

Umut Kocin redet jedenfalls noch nicht von der Bundesliga: „Erst mal möchten wir an die aktuelle Spielzeit denken. Die ersten drei Ligen spielen derzeit absolut keine Rolle. Wir sind jetzt in der Regionalliga und müssen uns damit auseinandersetzen. Unser Ziel ist natürlich der Aufstieg. Wir denken von Spiel zu Spiel. Wir arbeiten hart und gezielt. Und wollen so viele Punkte wie möglich holen. Am Ende wollen wir natürlich an erster Stelle stehen.“ Kocin sagt das ohne Überheblichkeit, so offen und bodenständig geben sich alle Gesprächspartner, denen man auf dem RBL-Trainingsgelände begegnet.

Der bis Juni 2016 an RBL gebundene Angreifer Daniel Frahn gerät ebenfalls ins Schwärmen. Rund 7.200 Zuschauer pro Heimspiel sind für Regionalligaverhältnisse enorm. Nur der Traditionsverein Rot-Weiss Essen hat mehr Tickets verkauft. „So ein Zuschauerschnitt ist großartig. Wenn man sieht, wie viele auswärts mitkommen, das macht schon Spaß.“ In dieser Spielzeit kommen in die rund 44.000 Zuschauer fassende Red Bull Arena noch attraktive Teams wie Magdeburg, Jena, Zwickau und nicht zuletzt Erzrivale Lokomotive Leipzig. Der Zuschauerschnitt von RBL könnte sich weiter erhöhen: „Unsere Fanszene wächst immer mehr. Für mich sogar überraschend schnell. Es werden immer mehr Fans in der Kurve, die für richtig gute Stimmung sorgen. In der zweiten und ersten Liga ist die Hütte voll. Die Stadt ist fußballbegeistert. Es wird nur gewartet, dass endlich wieder vernünftiger Fußball gespielt wird. Sie wollen guten Fußball hier sehen.“

 

Alexander Zorniger
Zu Saisonbeginn löste er Peter Pacult ab: Alexander Zorniger, Trainer bei RB Leipzig

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