PORTRÄT
Der Oberbayer als Champion
Zum Karriereende: Bastian Schweinsteiger bestimmte auf der zentralen Mittelfeldposition den Spielrhythmus der Nationalelf. Sein Glamourimage hat er abgelegt, er will nur noch als seriöser Profi wahrgenommen werden. 
Von Elisabeth Schlammerl. Ein Auszug aus dem Buch Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum Erfolg".

 

Bastian SchweinsteigerVon Oberaudorf in die Nationalmannschaft: Bastian Schweinsteiger Foto Pixathlon

 

 Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum Erfolg.

 „Die Fußball-Nationalmannschaft. Auf der Spur zum Erfolg" von Matthias Greulich (Hg.) und Sven Simon. 176 Seiten, 19,90 Euro, Copress Verlag. ISBN 978-3-7679-1048-5

 

Es gibt immer wieder einmal Gelegenheit, alte Videos von Bastian Schweinsteiger herauszuholen: Da saust ein blonder Knirps auf Skiern die Piste hinunter und nimmt hinterher unbeeindruckt einen Pokal entgegen. In einem anderen ist aus dem Knirps ein etwa zwölfjähriger Junge geworden, der im offiziellen schwarz-weiß getigerten Rennanzug des Deutschen Skiverbandes elegant um Slalomtore kurvt. Nicht zu sehen ist, dass er sehr schnell ist, manchmal sogar der Schnellste seines Jahrgangs.

Bastian Schweinsteiger hätte ein erfolgreicher Skirennläufer werden können, wäre nicht der FC Bayern gewesen. Ein Jugendtrainer des deutschen Rekordmeisters hatte das  Multitalent aus dem kleinen oberbayerischen Grenzort Oberaudorf entdeckt und heftig um ihn zu werben begonnen. Ehe Schweinsteiger mit  14 Jahren ins Fußballinternat nach München übersiedelte, war ihm  in seinem letzten Skirennen noch ein besonderer Erfolg gelungen: Er besiegte den gleichaltrigen Felix Neureuther, dem damals schon eine große Skikarriere prophezeit worden war.  Die beiden sind Freunde geblieben. Über ihre früheren Duelle bei den bayerischen Schülerrennen reden sie immer noch mit Begeisterung.

Die Berge sieht Schweinsteiger mittlerweile meist nur noch von der Ferne. Sein Lebensmittelpunkt ist seit 1998 München und wird es nach seiner Vertragsverlängerung beim FC Bayern wohl auch in den nächsten Jahren bleiben. Erst nach der Karriere will er wieder aufs Land, allerdings nicht in die Berge. „Vielleicht kaufe ich ein Haus am Meer. Ich mag den Strand. Oder aber ich sitze mit 50 am Chiemsee herum und gehe jeden Tag Boot fahren“, verriet er dem Männermagazin „GQ“.
Noch bevorzugt er das Leben in der Großstadt. Er wohnt nicht sehr weit vom Marienplatz entfernt und sitzt oft in einem Café im Gärtnerplatzviertel. Dort bleibt er zwar nicht unerkannt, wirkt aber dennoch wie einer von vielen. Bastian Schweinsteiger hat keinen Hang mehr dazu, abseits des Fußballplatzes aufzufallen.

Früher war das anders. Nach seinem rasanten Aufstieg im Verein und Nationalmannschaft hatte er schnell die Rolle des Teenager-Idols übernommen. Er setzte Trends für Frisuren und Mode, liebte schnelle Autos und mit Sarah Brandner eine Frau, die am Anfang einer Modelkarriere stand. Deshalb brachte er es in den vergangenen Jahren immer wieder in die Lifestyle-Magazine. Dass er vor allem wegen einer neuer Haarfarbe oder schwarz lackierter Fingernägel Beachtung auf dem Boulevard fand, die Leistungen aber längst nicht immer hielten, was das Talent versprach, störte die Verantwortlichen des FC Bayern gewaltig. Uli Hoeneß, damals noch Manager, nahm dafür auch das Umfeld und die Öffentlichkeit in die Verantwortung. „Dem Schweini“, sagte er einmal, „wurde zu viel Puderzucker in den Hintern geblasen.“

Beim Sommermärchen von 2006 war der Oberbayer  zusammen mit Lukas Podolski als lustige Boy Group inszeniert worden. Es fehlte ihm die Ernsthaftigkeit eines seriösen Fußball-Profis, aber das nahm ihm niemand übel. Schließlich war er erst 21 Jahre, da sind Flausen noch erlaubt. Irgendwann waren allerdings der Sommer und das Märchen vorbei, die Leichtigkeit des Seins verflogen, nur Schweinsteiger schien das nicht zu kapieren. Heute sagt er, dass das öffentliche Bild falsch gewesen sei, es „war anders, als ich in Wirklichkeit war“. Es störte ihn, in Medien der Glamourboy zu sein, aber er arbeitete nicht hartnäckig genug, um das Image zu korrigieren und blieb deshalb das ewige Talent mit mehr Tiefs als Hochs. „Natürlich“, gibt er zu, „habe ich auch ein paar Fehler gemacht.“ Aber man reife eben erst mit den Jahren.

Es hat sich einiges verändert. Schweinsteiger zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, seine Model-Freundin Sarah Brandner ebenfalls. Er verzichtete endgültig auf extravagante Frisuren und ließ wissen, dass er ab sofort nicht mehr „Schweini“ genannt werden wolle. „Jetzt komme ich in das Alter“, stellte er im Sommer 2009  fest, „in dem ich beweisen will und muss, dass ich das Zeug zum Champion habe.“

Wer weiß, ob er sich schon  innerhalb eines knappen Jahres nach dieser Ankündigung  dahin entwickelt hätte, wäre Louis van Gaal nicht Trainer beim FC Bayern geworden. Der Niederländer berief ihn in den Spielerrat und fand nach ein paar Monaten für ihn auch noch die richtige Position. Er delegierte ihn von der rechten Außenbahn ins Zentrum des Mittelfeldes, wo er sein strategisches Talent ausspielen kann. Ehe Schweinsteiger dort endlich richtig durchstarten durfte in der Rückrunde, erlebte er aber noch eine seiner bittersten Stunden. Im November 2009 war er bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern ausgepfiffen worden. „Das war hart, das hat mich damals sehr getroffen.“ Er hat darauf reagiert – auf dem Platz und eine glänzende Saison gespielt, sowohl bei Bayern als auch in der Nationalmannschaft. „Er ist ein sehr nachdenklicher junger Mann geworden, der alle Flausen aus dem Kopf hat“, stellte Hoeneß fest.

Die Kapitänsbinde trug bei der WM in Südafrika Philipp Lahm statt des verletzten Michael Ballack, aber auf dem Platz gab Schweinsteiger den Ton an. Er war „der emotionale Leader“ von Bundestrainer Joachim Löw, das Herz des deutschen Spiels. Der Münchner dirigierte die Defensive ebenso wie die Offensive und bestimmte den Spielrhythmus, manchmal kompromisslos aggressiv, manchmal spielerisch elegant. Besser ging es kaum und trotzdem sagt Schweinsteiger, dass es noch besser gehen müsse in Zukunft. Mit der Vergangenheit hält er sich nicht gerne auf, höchstens, wenn er wieder einmal das Video mit dem blonden Knirps auf Skiern sieht und seinen alten Kumpel Felix Neureuther trifft.

 

Bastian Schweinsteiger und Felix NeureutherAlte Kumpels: Bastian Schweinsteiger und Felix Neureuther bei den Basketball-Profis des FC Bayern Foto Pixathlon

 

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