INTERVIEW TEIL 1
„So etwas bekommst du nie mehr zu sehen“
Sein „Bye-Bye-Bayern“ als Trainer von Eintracht Frankfurt war als Jux gedacht, dem VfL Bochum brachte er das Kicken bei und Bayer Leverkusen ließ er den schönsten Offensivfußball einer deutschen Mannschaft in den 2000er-Jahren spielen: Klaus Toppmöller hilft als gelernter Bauingenieur in diesem Sommer lieber beim Hausbau seiner Tochter als sich als Trainer irgendwo ins Gespräch zu bringen. Mit Henning Klefisch traf er sich in „Toppis Sportsbar“ in Rivenich.

 

Klaus Toppmöller
„Sportlich war Leverkusen das Nonplusultra“: Klaus Toppmöller will Lúcio drücken. Foto Pixathlon

 

Das Gespräch dreht sich nun schon eine halbe Stunde um das Rundleder, als Klaus Toppmöller seine Antwort mit dem entscheidenden Satz einleitet. „Nun geht mich das nichts mehr an“, sagt Klaus Toppmöller. Toppmöller, 61, gelernter Bauingenieur, hilft in diesem Sommer lieber seiner Tochter beim Hausbau an der Mosel, als sich in einer der TV-Expertenrunden bei einem potenziellen Arbeitgeber ins Gespräch zu bringen. Um die vielen Baustellen in der Zusammenstellung einer Profimannschaft können sich andere kümmern.

Das Spiel liebt der einstige Mittelstürmer des 1. FC Kaiserslautern (204 Bundesligaspiele, 108 Tore) immer noch. Auf einige Dinge, die der „Trainer des Jahres 2002“ in seiner Karriere erlebt hat, kann er allerdings gut verzichten: Im Gespräch mit Henning Klefisch berichtet „Toppi“ von Spielerberatern, die ihn als Trottel auslachen, weil er keine Kickback-Zahlungen annehmen wollte sowie Boulevard-Journalisten, die einem Trainer in der neuen Stadt sagen, was er zu tun hat.

RUND: Herr Toppmöller, wie geht es Ihnen?
Klaus Toppmöller: Ich bin mit sehr vielen Arbeiten beschäftigt. Die Tochter hat an der Mosel gebaut. Ich kümmere mich intensiv um den Hausbau meiner Kinder.


RUND: Schon als Bundesligatrainer war Ihre enge Beziehung zu Ihrem Heimatort bekannt. Welche Bedeutung hat Rivenich für Sie?
Klaus Toppmöller: Ich bin in der Gastwirtschaft geboren. Auch aufgewachsen. Ich habe hier jeden gekannt. Nach der Schule habe ich nur Fußball gespielt. Wenn ich aus der Schule kam, habe ich den Ranzen in die Ecke und geschmissen. Im Prinzip Fußball und Schule. Meine Eltern hatten auch eine Gastwirtschaft. Als mein Vater gestorben ist, habe ich die Lokalität gekauft und nun komplett renoviert. Auf meinem 50.000 Quadratmeter großen Gelände herrscht immer Baustelle. Ich habe immer hier gewohnt. Bis auf 1980, da bin ich zeitweise nach Toronto in die USA gewechselt. Ich war im Gemeinderat und im Dorf sehr stark involviert.

RUND: Wie ausgeprägt ist Ihr Wunsch noch einmal auf die Fußballbühne zurückzukehren: Sie wurden mit dem Wunsch zitiert, mit einer Nationalmannschaft an einer WM teilnehmen zu wollen.
Klaus Toppmöller: Sportdirektor möchte ich jedenfalls nicht unbedingt werden, obwohl ich das bei einigen Ex-Vereinen, wie zum Beispiel Bochum, zeitweise ausgeübt habe. Ich habe die Spieler für wenig Geld ausgesucht und habe die Mannschaft formiert. Mit mir ist in der Saison 1997/98 der VfL Bochum in den UEFA-Cup gekommen und wir haben Mannschaften wie Brügge und Trabzonspor ausgeschaltet. Gegen Ajax Amsterdam sind wir dann nur unglücklich ausgeschieden. Bereits nach 15 Minuten haben wir 2:0 geführt. Zum Zeugwart habe ich damals gesagt, „Hol dir einen Fotoapparat und fotografier das Ergebnis auf der Anzeigetafel. So etwas bekommst du nie mehr zu sehen.“ Als er aus der Kabine gekommen ist, stand es schon 2:2-Unentschieden. Dann sind wir noch ausgeschieden. Ich würde das mit Borussia Dortmund in der letzten Saison vergleichen. Uns fehlte letztlich die internationale Erfahrung.

RUND: Von 2006 bis 2008 haben sie die Nationalmannschaft von Georgien betreut. Davor waren Sie fast 20 Jahre Vereinstrainer. Wo war Ihre schönste Station?
Klaus Toppmöller: Vom sportlichen Erfolg war sicherlich Bayer Leverkusen das Nonplusultra. Vom Leben insgesamt war zweifelsfrei Georgien die schönste Station. Ich war der beste Freund vom Staatspräsidenten. Überall hin wurde ich eingeladen. Nach gewissen Siegen sind wir vor zahlreichen Menschen in der Stadt frenetisch bejubelt worden. Die Fans waren klasse. Ich war dort ein Idol.

RUND: Wie bewerten Sie mit einigem Abstand das berühmte „Bye-Bye-Bayern“, das Sie als Trainer von Eintracht Frankfurt in der Spielzeit 1993/94 im Meisterschaftskampf gesagt haben?
Klaus Toppmöller: Das war ein Jux, den man macht. Dass dieser Spruch so aufgebauscht worden ist, ist mir wirklich unbegreiflich. Die „Bild“-Zeitung versucht, so eine Geschichte im Positiven wie im Negativen hoch zu puschen. Bei mir war dies häufig im Negativen der Fall.

RUND: Wie sehr tut es noch weh, dass Sie damals nicht Deutscher Meister mit der Eintracht geworden sind?
Klaus Toppmöller: Im entscheidenden Moment haben wichtige Spieler gefehlt. Anthony Yeboah ist damals ausgefallen. Ich habe immer wieder versucht ihn zu motivieren, um ihn auch zum Laufen zu bringen. Er war ein toller Fußballer. Ich habe ihm damals gesagt, dass er der Einzige ist, der den Torrekord von Gerd Müller knacken kann. Wenn er nicht verletzt gewesen wäre, hätte er noch deutlich mehr Treffer erzielen können. Gegen Dresden hat er sich im Zweikampf mit einem Mitspieler verletzt. Als Yeboah ausgefallen ist, haben uns die Alternativen im Angriff gefehlt. Anicic kam aus der Jugend und Matthias Hagner und Thomas Sobotzik konnten Yeboah einfach nicht ersetzen, weil solch ein Spieler mit dieser Klasse nicht ersetzt werden konnte. Vielmehr haben Hagner und Sobotzik wichtige Spielpraxis sammeln können.

RUND: Sie haben sich viel mit Psychologie beschäftigt. Wie motivieren Sie Ihre Spieler?
Klaus Toppmöller: Ich habe meine Motivation immer abhängig vom Tagesgeschehen gemacht. Ob ein 10.000 Meter-Läufer oder ein Marathonläufer. Irgendetwas habe ich mir immer ausgedacht. Mein Kernpunkt war immer, dass ich gezielt die Psyche angesprochen habe. Bei Frankfurt habe ich einen Adler geholt. Dann habe ich etwas über sein Wesen erzählt und erklärt, wie er angreift, um die Sinne meiner Spieler zu schärfen. Bei meiner ersten Bundesliga-Station in Frankfurt habe ich die Kopie der Meisterschale besorgt, danach haben wir 4:0 gewonnen. Ähnlich verhält sich nun auch mein Sohn Dino, der in der Oberliga den SV Merzig als Spielertrainer aus dem Abstiegskeller geführt hat. Es ist grundsätzlich enorm, was du aus den Spielern herauskitzeln kannst.

RUND: Mit Bayer 04 Leverkusen spielten sie in der Saison 2001/02 einen beeindruckenden Angriffsfußball.
Klaus Toppmöller: Egal, wo wir nach Europa hingekommen sind, die anderen Trainer haben von uns geschwärmt. In Portugal habe ich die brasilianische Nationalmannschaft getroffen. Scolari hat zu mir gesagt, dass er taktisch und spielerisch noch nie eine deutsche Mannschaft so stark gesehen hat. Auch der Präsident von Girondins Bordeaux hat gesagt, dass dies die erste deutsche Mannschaft für ihn gewesen ist, wo er Spaß hat zuzuschauen.

RUND: Woran hat es gelegen, dass die Mannschaft nicht einen Titel holen konnte?
Klaus Toppmöller: Vielleicht war der Druck nicht genug groß. Ich habe immer gesagt, dass mich Titel nicht interessieren, sondern ich schönen Fußball sehen möchte.

RUND: Damit, nur Zweiter geworden zu sein, können Sie also gut leben?
Klaus Toppmöller: Mit meiner Karriere bin ich absolut zufrieden. Ich habe das Beste draus gemacht. Vor der Spielzeit 2001/02 hat uns Experte Udo Lattek auf den siebten Tabellenplatz getippt und damit am höchsten von allen Mannschaften eingeschätzt. 2001 hat Bayer 04 mit Berti Vogts eine Katastrophenspielzeit absolviert. Gerade so haben sie noch den Champions-League-Qualifikationsplatz vier erreichen können. Wir mussten die Qualifikation gegen Roter Stern Belgrad noch schaffen. Manager Calmund sagte mir immer, dass dies das wichtigste Spiel ist. Wenn wir in die Champions League einziehen, ist die komplette Saison gerettet. Nach der Saison hatte Leverkusen einen Werbewert von 300 Millionen Euro.

RUND: Wenig ruhmreich verlief Ihr Abschied beim Hamburger SV 2004. Was waren die entscheidenden Gründe für Ihren vorzeitigen Abgang?
Klaus Toppmöller: Das war damals schon genauso wie die letzten Jahre. Der Trainer wird entlassen, weil wirklich jeder mitreden möchte. Es gibt keine Einigkeit bei den Führungskräften. Der Trainer wird nicht genügend gestärkt. Hinzugekommen ist dann noch die Thematik mit dem verschobenen Spiel im DFB-Pokal in Paderborn, wo ich schon nach 20 Minuten gemerkt habe, dass gemauschelt wird. Von der ersten Minute an hat der Schiedsrichter komplett gegen uns gepfiffen.

RUND: Bei Ihrer ersten Pressekonferenz in Hamburg hatten Sie angekündigt, alle Zeitungen gleich behandeln zu wollen. Ist Ihnen das im Verhältnis zur „Bild“-Zeitung zum Verhängnis geworden, weil das Blatt eine bevorzugte Behandlung einforderte?
Klaus Toppmöller: Beim ersten Termin, den ich mit der „Bild“ in einem italienischen Restaurant gehabt habe, bin ich gegangen. Die wollten mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Für mich völlig unverständlich solch ein Verhalten. Ich möchte nur fair behandelt werden. Dann bin ich hochzufrieden.

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