INTERVIEW TEIL 2
"Neuer geht nicht aus dem Tor hinaus, um Fehler zu machen"
Im zweiten Teil des RUND-Interviews spricht Jean-Marie Pfaff über das moderne Torwartspiel, Grüppchenbildung im Profifußball, die aktuelle belgische Nationalmannschaft und sein jetziges Leben. Interview Henning Klefisch

 

Jean-Marie PfaffIm Tor des FC Bayern: Jean-Marie Pfaff. Foto Pixathlon

 

In den 80er-Jahren gehörte Jean-Marie Pfaff zu den weltbesten Torhütern. Seine Glanzzeit erlebte er zwischen 1982 und 1988 im Tor des FC Bayern München und der belgischen Nationalmannschaft. Unvergessen bleibt sein unglückliches Gegentor im ersten Bundesligaspiel gegen Uwe Reinders von Werder Bremen. Mit guten sportlichen Leistungen und seiner offenen Art konnte er seine Kritiker jedoch schnell überzeugen.  Mittlerweile lebt der 59-jährige gebürtige Flame zusammen mit seiner Frau Carmen in der Nähe von Antwerpen. Zurzeit hält er Motivationsvorträge mit dem Slogan „Die Nr. 1 sein und die Nr1 bleiben“ und zeigt seine Verbundenheit mit dem FC Bayern, indem er an Spieltagen eine Kerze anzündet. Henning Klefisch hat den früheren Weltklassetorhüter in seinem Haus in Antwerpen besucht.

 

Klicken Sie hier, um Teil eins des Interviews mit Jean-Marie Pfaff zu lesen: „Ich hatte Angst vor der Bundesliga“



RUND: Herr Pfaff. Sie wirken rundum glücklich und zufrieden.
Jean-Marie Pfaff: Wir können ruhig du sagen. Mir geht’s richtig gut. Ich lebe mit meiner Frau Carmen, meinen Kindern und Enkelkindern hier glücklich in Antwerpen, beobachte den internationalen Fußball und ich arbeite als Referent seit einigen Jahren für die Forma Leutner Sportmarketing München Jean-Marie Pfaff GmbH, wo ich bei Firmen und Management-Seminaren über die wichtigsten Erfolgsfaktoren der täglichen Verkaufs-,Projekt und Führungsarbeit spreche. Dabei geht es vor allem um den Leitsatz meines Vortrags „Die Nr.1 sein und die Nr.1 bleiben.“ Zusammen mit meinem Partner Roland Leutner möchte ich Menschen helfen. Mir macht die Arbeit enorm viel Spaß.

RUND: Nun kommen wir zu deinen Nachfolgern.Die Rolle des Torwarts hat sich in den vergangenen Jahren in großem Maße verändert. Was sind die größten Unterschiede im Vergleich zu deiner Zeit?
Jean-Marie Pfaff: Vieles wird heutzutage vor den beiden Sechzenmeterräumen spielerisch gelöst. Ein Torwart bekommt  oftmals einen Ball auf sein Tor, den er nur schlecht sehen kann. Häufig kommt ein Gegenspieler noch vom ersten Pfosten hineingeflogen. Mir fällt besonders auf, dass viele Keeper in der Bundesliga ihr Stellungsspiel verbessern müssen. Einige Torhüter stehen falsch. Wenn Flanken kommen, muss es eine klare Zuordnung geben. Sie müssen anders zum Ball stehen, damit sie die Kugel besser halten können. Früher habe ich immer sehr viel mit meinen Mitspielern gesprochen und dirigiert. Man darf allerdings nicht nur im Spiel so agieren, sondern auch im Training. Man spielt so, wie man trainiert. Im Training muss man die Automatismen einüben.  Für mich war immer klar: Wenn aber eine Mannschaft schlecht spielt, muss man als Torhüter auch glänzen. Wenn eine Mannschaft gut spielt, muss der Torwart auch gut spielen. Dann muss er konzentriert bleiben. Im heutigen Fußball sind viele Torhüter abhängig von ihrer Mannschaft. Wenn ich für ein Spiel meinen Gegner und dessen Stärke kenne, dann muss ich meine Mannschaft so stellen, dass der Gegner bei der Ballannahme schon gestört wird. Bei gefährlichen Situationen wie Eckbällen, Einwürfen oder dem langen Ball im Mittelfeld Richtung Tor musst du aufmerksam sein wie früher beim Gegner HSV, mit Kaltz auf der linken Seite, Milewski auf der rechten Position,.Magath und vielen anderen glänzenden Gegenspieler. Als Torwart musst du das kommende Bundesliga-Spiel schon in deinem Kopf gespielt haben. Man muss den Gegner ganz genau analysieren und sich darauf vorbereiten, wie das Team agieren wird, welche Flanken geschlagen werden, welche Distanzschützen es gibt. Man muss schauen, wie man steht. Das musst du immer wieder üben.

RUND: Wie gefallen dir gegenwärtig die Torhüter?
Jean-Marie Pfaff: Es gibt viele junge Torleute, die mir häufig zu abhängig von der Mannschaft sind. Sie müssen das Spiel selbst gewinnen. Wenn du Bälle auf dein Tor bekommst, musst du immer konzentriert bleiben.Wenn einmal ein Ball durchkommt, bist du auch da. Das ist manchmal das Schwierigste für einen Torhüter. Als Bayern-Keeper habe ich das auch erlebt. Aber wenn du ein Spiel hast in Dortmund oder in Kaiserslautern, ist diese prickelnde Atmosphäre doch wirklich super. Schon vor dem Spiel bist du motiviert. Als Torwart musst du das Spiel gewinnen. Wenn du in Mainz spielst, weisst du, dass sie häufig in die Spitze vorstoßen. Du musst dann einfach da sein. Du musst dich darauf vorbereiten, dass du nicht viel Arbeit bekommst, aber im entscheidenden Moment da bist. Darauf musst du hintrainieren.

RUND: Wie bewertest du die deutschen Torhüter?
Jean-Marie Pfaff: Da gibt es Manuel Neuer. Thomas Kraft von Hertha BSC gefällt mir sehr gut. Wenn solch ein junger Spieler auch den richtigen Torwarttrainer besitzt und er weiterhin fleißig trainiert bei Hertha BSC Berlin, dann wird er ein echter Kandidat für die Nationalmannschaft werden. Neuer ist ebenfalls ein guter Torwart. Er ist ein junger Keeper, der von Schalke kam. Bei ihm finde ich schade, dass er beim FC Bayern München so wenig Arbeit bekommt und die Hintermannschaft der Münchener so stark ist.
 
RUND: Was sagst du zu seinen Leichtsinnsfehlern?
Jean-Marie Pfaff: Neuer geht nicht aus dem Tor hinaus, um Fehler zu machen. Er will natürlich keine Fehler machen. Ich glaube, dass er konzentriert genug ist. Ich muss sagen, dass es wahrlich nicht so einfach ist bei Bayern München zu spielen. Er ist sicher in vielen Situationen. Das bedeutet aber auch nicht, dass du nicht unsicher bist. Es kommt ganz klar darauf an, wie man das Spiel in Kopf hat und wie  der Gegner sich darstellt. Der Ball ist dein Freund, wenn du ihn in der Hand hast. Wenn der Ball unterwegs oder der Gegner im Ballbesitz ist, ist er dein größter Feind. Dann kann alles mit dem Ball passieren. Wenn der Ball aus deinen Händen rutscht und hereingeht, bist du ein Fliegenfänger. Dies ist eine echte Gefahr. Du brauchst als Torwart nicht viel falsch zu machen. Du wirst sofort beurteilt. In der Bundesliga bekommt Neuer häufig sehr wenig Arbeit. Bei Mannschaften, wo du als Torhüter mehr zu tun bekommst, wie in Hamburg oder Mönchengladbach, musst du 90 Minuten dirigieren, korrigieren und dich auf den Gegner komplett konzentrieren.

RUND: Zurück zu Ihrer Karriere: Wann hatten Sie das erste Mal Kontakt zum FC Bayern?
Jean-Marie Pfaff: Als ich 1974 in Beveren gewesen bin, habe ich geheiratet. Damals war ich auch im Münchener Olympiastadion gewesen. Da habe ich gestaunt und mir gesagt: „Wow, hier spielt Sepp Maier. Ich bin damals zur Hochzeit nach Österreich gefahren. Dann habe ich auf der Durchreise mir das Olympiastadion angeschaut. Acht Jahre später stand ich selbst in diesem Tor. Ich habe durchgehalten und mich durchgesetzt. Ich habe mir das ehrlich verdient. Das ist das, was im Leben zählt. Ich bin glücklich, mit dem was ich habe. Ich kann nicht mehr erreichen. Was ich habe, darauf bin ich stolz. Ich bin mit elf Geschwistern aufgewachsen. Ich habe gelernt, was schön ist. Neid und Eifersucht besteht bei uns in der Familie nicht. Nur mit Ehrlichkeit und Offenheit kommst du weiter. Es gibt auch in Fußballmannschaften einzelne Gruppen. Ich habe das häufiger erlebt, als ich bei Bayern München und Beveren gewesen bin. Besonders in Beveren war das nicht einfach. Ich kam aus einem 7000 Einwohnerdorf. Auf der anderen Seite hast du einen großen belgischen Verein wie Standard Lüttich gehabt, die zahlreiche Nationalspieler in ihren Reihen gehabt haben. Du kommst aus einem Dorf und wirst von deinen Mitspielern ein wenig belächelt. Wenn ich nicht respektiert werde, möchte ich zu Mitspielern keinen Kontakt haben. Bei Journalisten ist dies ähnlich. Ich spreche mit jedem Journalisten, aber wenn ich einmal nicht fair behandelt werde, hat sich das Thema für mich erledigt. Ich finde es richtig link, was manchmal über Spieler und Familien gesprochen wird. Wenn Sie sehen, wie ihr Leben ist und was sie über andere Menschen schreiben, dann fragen sich viele Journalisten nicht, ob man dies auch über sich schreiben kann.

RUND: Wir kommen nun zum Fußball in deinem Heimatland Belgien.Wie siehst du die gegenwärtige Situation auf dem Fußballmarkt?
Jean-Marie Pfaff: Derzeit sind die belgischen Spieler gefragt. Die Gefahr in diesem Geschäft sind Manager, die Chef von einem Verein werden. Der Verein muss immer Herr bleiben. Wenn ich mir diese ganzen Ausleihgeschäfte betrachte und sehe, dass die Spieler von verschiedenen Vereinen ausgeliehen werden. Das ist für den Verein eine große Gefahr, wo viel Geld ausgegeben wird. Wenn der Spieler bleiben möchte und der Stammverein dagegen ist, hat der Spieler oft keine Chance. Der Klub möchte Geld verdienen. Deshalb gibt er ihn ab an einen anderen Verein. Es gibt auch eine Unehrlichkeit im Fußball, denn die Vereine, die Millionen bekommen, haben auch 100 Millionen Euro Schulden. Andere Vereine, die mehr tun müssen, um Einnahmen zu erzielen, haben aber wegen finanzieller Nachteile nicht den Erfolg. Als wir mit Bayern München den DFB-Pokal gewonnen haben, bin ich damit zum Platzwart gegangen. Da habe ich Bier reingeschüttet, dann bin ich zur Putzfrau gegangen und habe eine Puppe hineingelegt. Zu ihr habe ich gesagt: „Du hast auch alles für diesen wichtigen Erfolg getan.“ Diese Menschen werde ich nie vergessen. Es ist gleich, ob sie arm und reich oder schön oder nicht schön sind. Wenn ein Mensch sein Herz sprechen lässt, dann hat er eine gute Karriere. Du musst dich im Leben durchsetzen. 1975 habe nur wenige hundert Euro pro Monat verdient. Ich war mit wenig zufrieden. Dann kam ich zum FC Bayern München und viele haben gedacht, dass ich reich bin. Wir haben gutes Geld verdient, aber zu Beginn nicht soviel verdient wie die anderen Spieler. Mein Vertrag ist immer besser und langfristig geworden. Meine Qualitäten und Leistung haben sich auch deutlich verbessert. Ich bin zufrieden gewesen. Niemals bin ich Nirgendwo beleidigt worden, auch nicht in Köln, Mönchengladbach oder Hamburg. Ich habe immer Respekt vor meinen Kollegen wie Schumacher, Kleff oder Stein gehabt. Ich lebe 100 Prozent für meinen Sport. Aus meinem Hobby habe ich meinen Beruf gemacht. Um dort oben zu bleiben, ist es nicht leicht. Nicht nur Talent allein ist entscheidend. Auch ein vernünftiger Charakter ist wichtig. Man darf nicht alles zu nah an sich heranlassen. Für mich ist wichtig, dass ich genügend Zeit habe, um auch einmal meine Enkelkinder von der Schule abzuholen. Wenn du den Kindern gegenüber hilfsbereit bist,  geben sie dir viel zurück. Wenn ich etwas tue, mache ich dies mit Leib und Seele.

RUND: Die belgische Nationalmannschaft hat gute Chancen auf eine Teilnahme an der WM 2014. Wie beurteilst du die Entwicklung der roten Teufel?
Jean-Marie Pfaff: Wir haben eine Riesenmannschaft. Die belgische Mannschaft hat sich sehr gut unter Nationaltrainer Marc Wilmots entwickelt. Die vorigen Trainer Leekens und Vandereycken haben auch gute Arbeit abgeliefert, aber die Spieler waren nicht so gut. Nach der WM 1986 haben wir keine so gute Mannschaft mehr gehabt. Nun haben wir den gesamten Trainer-und Betreuerstab besser aufgestellt. Wilmots kann nun aus sehr guten Spielern auswählen. Jetzt sind viele Spieler für Belgien mit ausländischen Wurzeln aktiv, die vorher nicht für uns gespielt hätten, weil sich einige Belgier dagegen gesträubt haben. Der Konkurrenzkampf im Nationalteam ist gewaltig, wodurch auch die Qualität steigt. Zu meiner Zeit als Nationalspieler gab es mit mir beim FC Bayern München und Gerrits beim AC Mailand nur zwei Spieler aus dem Ausland. Jetzt spielen die Nationalspieler in England, Russland und den Niederlanden. Früher war das nicht so möglich. Es ist eine ganz andere Welt entstanden.

RUND: Die belgischen Vereine spielen in der Champions League und Europa League keine herausragende Rolle. Wie kann die belgische Liga stärker werden?
Jean-Marie Pfaff: Die Nationalspieler sind alle im Ausland aktiv.Schau dir das jüngste Länderspiel an. Kein Auswahlspieler ist noch in der Heimat unter Vertrag. Du musst da nicht gegenarbeiten. Die Qualität ist verkauft worden. Man muss in Fußball investieren. Fußball ist ein beliebtes Medieninvestment, ein Geschäft geworden. Jetzt kommen die Russen und kaufen Mannschaften und Spieler auf. Ähnlich die Araber, die sehr viel investieren. Die Zukunft liegt bei den jungen Spielern im Verein. Die Jugendspieler müssen durch die Profis trainiert werden. Ich habe als Bayern-Spieler oft die Jugendspieler trainiert. Ich wollte meine Erfahrung weitergeben, gleichgültig, wo ich war. Ich habe keine Lücken hinterlassen. Ich habe in München mit meinem Kollegen Manfred Müller und Raimond Aumann zusammengearbeitet.

RUND: Die deutsche Nationalmannschaft hat sich in den vergangenen Jahren in der Weltspitze etabliert.Wie gefällt dir das Team?
Jean-Marie Pfaff: Wunderbar. Wenn ich die deutsche Nationalmannschaft sehe, sehe ich die Ballbehandlung und die spielerische Klasse. Das 3:3-Unentschieden gegen Paraguay ist nicht so schlimm. Früher gab es Freundschaftsspiele, um zu testen. Nun werden schon direkt Rückschlüsse daraus gezogen. Wenn du 3:3 spielst, bist du eine schlechte Mannschaft und die Kritik ist enorm. Dennoch musst du froh sein, dass du drei Tore erzielt hast. Es gab viele Chancen für Deutschland. Natürlich möchte man ein Freundschaftsspiel gewinnen, aber man muss auch nicht denken, dass immer alles perfekt läuft. Jetzt müssen sie noch mehr tun und noch konzentrierter sein. Die gegnerischen Treffer waren doch wunderbar herausgespielt. Der Respekt für den Gegner muss auch da sein. Deutschland hat eine großartige Moral bewiesen und ist zurückgekommen. Es sind auch nur Menschen und keine Roboter.

RUND: Bundestrainer Joachim Löw hat seit seinem Amtsantritt 2006 noch keinen Titel holen können. Muss Löw bei der WM 2014 den Titel holen?
Jean-Marie Pfaff: Joachim Löw hat viele gute Spieler in seinen Reihen. Es wird Zeit, dass Deutschland wieder einen Titel holt. Seit dem EM-Titel 1996 in England hat Deutschland keinen Titel mehr holen können. Jogi ist ein netter Kerl, aber mit diesem Spielermaterial und der großen Erfahrung ist das Potential für einen Titelgewinn enorm. Man muss keinen Schuldigen suchen, wenn kein Titel erreicht wird. Einen Titel gewinnt man entweder zusammen oder man verliert gemeinsam. Mit dieser Mannschaft muss man auch einmal erfolgreich sein. Spanien wird auch nicht mehr so gut sein wie früher. Seit der Wiedervereinigung ist Deutschland fußballerisch noch stärker geworden. Die Begleitung von jungen Spielern muss sich bei euch noch ein wenig verbessern.

RUND: Die deutsche Nationalmannschaft hat in den WM-Qualifikationsspielen und vor allem auch in den Testländerspielen relativ viele Gegentreffer kassiert. Was sind deiner Meinung nach die Gründe hierfür?
Jean-Marie Pfaff: Früher gab es zwei Vorstopper wie Kohler und Schwarzenbeck. Wenn du zu Schwarzenbeck gesagt hast, dass er vorne mitspielen soll, hat er gelacht und ist bei der Mittellinie stehen geblieben. Jetzt brauchst du spielstarke Innenverteidiger. Nur Bayern und Dortmund können richtig gute Verteidiger kaufen. Wenn Bayern ein Gegentor bekommt, erzielen sie drei Treffer. Den anderen Teams hingegen gelingt das nicht so. Du musst die Situationen vergleichen. Früher waren die Defensivakteure reine Manndecker. Nun sind sie mitspielende Akteure. Franz Beckenbauer hat das früher schon richtungsweisend gespielt. Er war offensivgeprägt. Gute Stürmer, die nicht mehr so torgefährlich sind, sollte man defensiv einsetzen. Über Klaus Augenthaler gab es das Gerücht, dass er sehr körperbetont spielt. Ich habe ihm dann Tipps gegeben, wie er ohne Fouls im Spiel auskommen kann.

RUND: Wenn du auf dein Leben noch einmal zurückblickst. Hättest du irgendetwas anders gemacht oder bist du wunschlos glücklich?
Jean-Marie Pfaff: Ich kann ganz tief durchatmen. Ich habe meine Ziele erreicht. Wenn ich auch sehe, wieviel Neid und Eifersucht existiert, dass du das geschafft hast. Ich habe aber dafür richtig gelitten. Sieben Operationen habe ich in München gehabt. Davor in Belgien habe ich nur eine Operation am Meniskus gehabt. Ich bin nicht gut operiert worden. Der andere Torwart kam dann für mich ins Tor und die Zeitungen schrieben, dass wir mit de Hoek ab sofort spielen. Du fragst dich dann, ob dies Dankbarkeit bedeutet und was du psychologisch noch alles machen musst. Du kommst dann zurück, versuchst wieder hineinzukommen. Ich weiß, über was ich spreche. Es war wirklich Zeit mit 35 Jahren die Fußballkarriere zu beenden. Ich kann stolz sein. Ich muss auch großen Dank an meine Frau und meine Familie richten. Große Vorbilder waren meine Eltern.Alles, was unehrlich ist, hat keine Chancen bei mir. Mit mir dürfen sie nicht mehr zusammen lachen. Ich bin immer bereit für Interviews, nett und immer zugänglich. Manchmal sind von Freitag bis Sonntag drei bis 400 Personen hier, um sich mit mir fotografieren zu lassen. Man muss immer fleißig sein und Respekt vor den Anderen haben. Du musst alles dafür tun, um dein Ziel zu erreichen. Das bedeutet aber nicht, dass du familiär irgendeinen Blödsinn machen musst.Die Fans sind die ersten Menschen, die bei dir mitleben. Die Fans sind auch mir gegenüber dankbar, dass ich menschlich geblieben bin. Zuviel Schulterklopfen kann auch gefährlich sein. Das ist ein Geben und Nehmen. Wenn ich etwas geben kann, bin ich sehr glücklich. Wenn ich etwas bekommen kann, dann ist das natürlich auch so. Wir sind in der Familie Pfaff so.  Ich führe seit zwei Jahren in München meine neue Firma mit Herrn Leutner. Das ist der Wahnsinn. Ich bin so glücklich.

RUND: Schaust du noch häufiger beim FC Bayern vorbei?
Jean-Marie Pfaff: Nein, ich war seit 25 Jahren sicherlich nicht mehr in München. Aber trotzdem bin ich dort nicht vergessen. Ich habe in der Bundesliga mit gebrochenen Fingern und einem Leistenbruch gespielt und wurde auch deshalb von den Fans gefeiert. Ich habe immer alles gegeben. Ich bin sehr stolz, dass ich in der Bundesliga und für Bayern München gespielt habe. Viele versuchen Bayern zu kopieren, aber sie schaffen es auf Dauer nicht. Wenn ich überlege, dass ich in einer solchen Kategorie wie mit Sepp Maier und Oliver Kahn genannt werde, muss ich sagen, dass dies eine große Ehre für mich gewesen ist. Bayern hat bisher selten einen ausländischen Keeper verpflichtet. Es war eine große Ehre, zum FC Bayern München und nach Deutschland zu kommen.  Auch mit Niederlagen musste ich umgehen, wie dem verlorenen Champions-League-Finale gegen den FC Porto oder auch in der Bundesliga. Ich habe bei meinem Abgang gesagt, dass ich immer für Bayern München sein werde. Ich habe aber auch Respekt vor der Arbeit von Borussia Dortmund. Super! Ich hoffe auch, dass Mannschaften wie Eintracht Frankfurt oder der Hamburger SV oder Borussia Mönchengladbach um den Titel mitspielen werden. Ich hoffe, dass Hamburg und Mönchengladbach so erfolgreich werden wie in den 70er und 80er-Jahren.



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