KOLUMNE
Trotz Krawatte keine Orden
Über 215.000-mal wurde das Verdienstkreuz am Bande bisher an wertvolle Stützen dieser Republik verliehen – aber gerade mal zehn Fußballer waren darunter. Wie ist es um die gesellschaftliche Anerkennung der Profis – Franz Beckenbauer einmal ausgenommen – bestellt?


Singt die Hymne und wurde mit dem Verdienstkreuz am Bande geehrt: Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann Foto Sebastian Vollmert


Wenn Franz Beckenbauer alle seine Auszeichnungen und Orden auf seinen Lieblings-Trainingsanzug heften würde, sähe er aus wie einer dieser vergreisten russischen Generäle, die gerne bei Militärparaden auf dem Roten Platz auf der Ehrentribüne ausgestellt werden. Schwer gezeichnet von den Feld- und Beutezügen ihres Lebens und behangen mit dem Metallgehalt mehrerer Panzergranaten.

Was der letzte deutsche Kaiser alles geleistet hat, das weiß inzwischen jeder Pennäler, nicht nur in Unter-, Ober- und Altgiesing. Dafür wird er seit ungefähr 40 Jahren ununterbrochen geehrt, seine erworbenen Titel können hier aus Platzgründen nur auszugsweise aufgeführt werden: Viermal erhielt Beckenbauer den Bambi, einmal den Millenniums-Bambi, das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland, das Verdienstkreuz der 1. Klasse, den Ehrendoktor-Titel der Nationalen Sportakademie Sofia und sogar den Großen Verdienstorden am Bande des Südamerikanischen Fußballverbandes Conmebol.

Wir sind noch nicht fertig: Für sein Lebenswerk wurde er mit der Goldenen Sportpyramide der Deutschen Sporthilfe geehrt und als vorläufiger Höhepunkt mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, das in der Champions League der öffentlichen Wertschätzung spielt und nur noch den anderen Fußball-Heiligen Sepp Herberger, Uwe Seeler und Fritz Walter verliehen wurde.

Beckenbauer ist damit ein Sonderfall, die große Ausnahme im Ball tretenden Volk: Die Bundesrepublik Deutschland erweist zwar ihren Bürgerinnen und Bürgern ihre öffentliche Gunst regelmäßig und großzügig, aber in den allerseltensten Fällen gilt sie unseren Fußballern. Die zwar materiell bestens versorgt werden, aber in diesem staatlichen und auf Ehre basierenden Belohnungssystem viel zu kurz kommen.

Über 215.000-mal wurde das Verdienstkreuz am Bande seit 1951 an wertvolle Stützen dieser Republik verliehen, darunter sind mit Big Franz, Dettmar Cramer, Jupp Derwall, Fritz und Ottmar Walter, Uwe Seeler, Gerd Müller, Holger Obermann, Otto Rehhagel und Jürgen Klinsmann gerade mal zehn aus der Abteilung Ballsport: Nicht mal ein komplettes Fußballteam unter Abertausenden von dekorierten Hauswirtschaftsmeisterinnen, Fachoberlehrern und Polizeihauptkommissaren – was umgerechnet wohl dem Mengenverhältnis eines Grashalms zum Rest eines Fußballrasens gleich kommt.

Wenn Fußballer national besonders wertvolle Leistungen erbringen, werden sie in der Regel mit dem Silbernen Lorbeerblatt geschmückt. Was nach billigem Imitat aus Südostasien klingt, wird am 10. November auch den Nationalspielern überreicht, die in Brasilien Weltmeister wurden.

Helmut Schön, mit einem Europa- und Weltmeistertitel der erfolgreichste deutsche Nationaltrainer, bekam aus nicht bekannten Gründen noch nicht einmal das Silberne Lorbeerblatt ans Revers geheftet. Der „Mann mit der Mütze“ musste mit fragwürdigen Titeln wie „Krawattenmann des Jahres“ vorlieb nehmen, 1970 gestiftet von der deutschen Bekleidungsindustrie, weil er seine Krawatte so stilvoll in Szene zu setzen wusste.

Vor kurzem gab Bundespräsident Horst Köhler die Namen von 262 „besonders verdienten Frauen und Männern“ bekannt, die 2007 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet werden. Ganz sicher ist es keinem Zufall geschuldet, dass so patente Hausfrauen wie Mathilde Maria Bartsch aus Harsewinkel zur Ehrung empfohlen wurden, genau so wie die ehemalige Fremdsprachenkorrespondentin Ursula Bökemeier aus Korbach, der Parkettlegermeister Heinz Brehm aus Bamberg oder der ehemalige Landwirt Werner Schumacher aus Krüzen.

Aber warum findet sich in der dieser Auflistung unserer bürgerlichen Elite wieder kein einziger Fußballer? Was sagt das über den gesellschaftlichen Status unserer Profitreter aus? Zählen sie denn gar nicht richtig zur Mitte unserer Gesellschaft? Eine Annahme, die sich aufdrängt, wenn man sieht, wie seltsam unmündig und unbeholfen die meisten Fußballer wirken, sobald sie sich im öffentlichen Raum äußern und bewegen, der nicht durch Seitenlinien gekennzeichnet ist. Da gibt jeder Dachdeckermeister aus Mülheim/Ruhr eine souveränere Figur ab.

Rainer Schäfer

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