NACHRUF
„Wir sahen: Da geht wirklich was"
Zum Tode von Wolfgang Frank: Er gehörte er zu den innnovativsten Trainern des deutschen Fußballs. Viele seiner ehemaligen Spieler wie Jürgen Klopp hat er beeinflusst, Trainer zu werden. Auch Christian Hock, der sich im Buch „Jürgen Klopp: Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen" an seinen Lehrmeister erinnert. Von Matthias Greulich.

 

Wolfgang FrankWolfgang Frank (1951 bis 2013) Foto Hochzwei

 

Er hat eine Spielergeneration in Mainz geprägt, am 7. September 2013 ist Wolfgang Frank gestorben. Im von Elmar Neveling herausgegebenen Buch Jürgen Klopp. Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen, erinnert sich Christian Hock an den wichtigsten Trainer seiner Karriere:

Den alten Jahreskalender hat Christian Hock noch, alle Trainingseinheiten von Wolfgang Frank stehen drin. Tag für Tag. „Da konnte ich für mich nachvollziehen, was wir genau gemacht hatten“, sagt Christian Hock. So ausdauernd wie er war kein anderer Mitspieler. Aber auch Jürgen Klopp speicherte die Trainingsinhalte, die ihn beeindruckt hatten, für sich ab. Ihr damaliger Trainer brachte sie dazu, intensiver über Fußball nachzudenken und sich ihrem Beruf zu hundert Prozent zu widmen

Es war am 25. September 1995, als sie in Mainz den Nachfolger von Horst Franz präsentierten, der mit nur einem Punkt aus sieben Spielen und 0:13 Toren entlassen worden war. „Unter Wolfgang Frank war es das erste Mal, dass wir im Bereich Taktik etwas geübt hatten“, sagt Christian Hock. Als junger Spieler bei Borussia Mönchengladbach erlebte er Anfang der Neunziger die etablierten Bundesligatrainer Bernd Krauss und Jürgen Gelsdorf. „Da waren die alten Säcke auf dem Platz, die mit Libero und zwei Manndeckern gespielt haben. Und da wurde auch nichts Neues gemacht“, so Christian Hock. In Mainz, damals Tabellenletzter in der Zweiten Liga, war die Bereitschaft, was zu verändern höher als anderswo.

Wolfgang Frank zeige seinen Spielern schon in den ersten Trainingseinheiten auf, wie die Lösung aussehen könnte. Als es einigermaßen zu klappen schien, machte er Ernst. In einem Testspiel gegen den 1. FC Saarbrücken ließ er seine Profis zum ersten Mal in der Raumdeckung und mit Vierer-Abwehrkette im 4-4-2 agieren. Die Mainzer, die zuvor wochenlang das Verschieben geübt hatten, führten nach einer halben Stunde mit 4:0, beim Stand von 5:0 pfiff der Schiedsrichter ab. „Wir sahen: Da geht wirklich was. Wir haben vielleicht die Spieler dafür, die Viererkette zu spielen!“, sagt Christian Hock. In Deutschland, wo man religiös am Libero festhielt, standen die Mainzer damals im Profifußball mit dieser Erkenntnis ganz alleine. Der Versuch von Jupp Heynckes in Frankfurt, ballorientiert zu verteidigen, war ein Jahr zuvor am Widerstand von Spielern, Fans und Medien gescheitert.

Der neue Cheftrainer in Mainz hatte andere Erfahrungen im schweizerischen Aarau sowie in Wettingen und Winterthur gesammelt, wo man taktisch weiter war. Neben einem Lehrvideo von Milans Meistertrainer Arrigo Sacchi brachte der Mann, der in den Siebzigern beim VfB Stuttgart, Eintracht Braunschweig Borussia Dortmund und dem 1. FC Nürnberg ein erfolgreicher Angreifer gewesen war, auch Aufnahmen einer Schweizer Jugendauswahl mit an den Bruchweg. „Das Video lief dauerhaft“, sagt Christian Hock. Mit Stangen markierte Wolfgang Frank, wo jeder im neuen System hinzulaufen hatte. Auch mit Seilen wurde gearbeitet. Im Abstand von zehn Metern standen sie im Verbund zusammen. So lässt sich mit vier Spielern eine Fläche von 50 Metern abdecken. Fast die komplette Breite des Fußballplatzes, der zwischen den Seitenlinien 70 Meter misst.

Einen neuen Mannschaftsführer bestimmte der Trainer bei dieser Gelegenheit ebenfalls. Wolfgang Frank machte Lars Schmidt zum Kapitän, der nun zentral in der Viererkette spielte und offenbar durch das neue Amt gestärkt werden sollte. Rechtsverteidiger Jürgen Klopp war die Kapitänsbinde los. Die Mannschaft hatte damit kein Problem. Binde hin oder her. „Kloppo war doch auch so einer unser Führungsspieler und ein Sprachrohr des Trainers“, so Christian Hock.

Die Spieler des Tabellenletzten hatten zwar immer noch wenig Punkte, aber jetzt schon mal einen Plan, die meisten zum ersten Mal in ihrer Karriere. „Jeder wusste, was auf seiner Position zu tun war. Wenn du einen Fehler gemacht hattest, konntest du sicher sein, dass ein Mitspieler auf seiner Position stand, und dass eigentlich nichts passieren konnte. Das war das Allerwichtigste“, so Christian Hock. Um diese Sicherheit zu erreichen, mussten sie allerdings deutlich mehr laufen als zuvor. Die intelligenten Mainzer Profis sahen die Situation nicht als Belastung. Es gab doch die einmalige Chance, als Schlusslicht einfach nur noch zu gewinnen, so Christian Hock. Diese Chance nutzten sie auf eindrucksvolle Weise. Nach der Winterpause kamen sie rasch aus der Abstiegszone weg. In der Rückrundentabelle wurde Mainz Erster, in der Gesamtrechnung landen sie auf Platz elf.

In knapp einem halben Jahr hatte Wolfgang Frank den Klub verändert. Er redete nun offen vom Aufstieg in die Erste Liga und forderte vom Präsidenten Harald Strutz, das Bruchwegstadion auszubauen, obwohl die Kapazität von 13.000 Zuschauern bis dahin so gut wie nie ausgeschöpft worden war. Sein Ehrgeiz machte auch vor der Persönlichkeitsentwicklung seiner Spieler nicht Halt. In den Teamsitzungen nahm das Mentaltraining immer breiteren Raum ein.

Aus heiterem Himmel erklärte Frank dann allerdings im März 1997 seinen Rücktritt. Seine Spieler, allen voran Jürgen Klopp,  versuchten, ihn umzustimmen. Der Trainer aber blieb seiner konsequenten Linie auch beim Abschied treu. Er war durch niemanden mehr zum Bleiben zu überreden.

Wolfgang Franks Nachfolger Reinhard Saftig und Dietmar Constanini ließen die Viererkette nach einer Schamfrist Viererkette sein, was bei den Profis gar nicht gut ankam. Der Kern der Mannschaft war sich sicher, dass es mit dem System von Wolfgang Frank besser gelaufen wäre. Auch Jürgen Klopp und Christian Hock. „Wir hatten und haben da ähnliche Vorstellungen, sagt letzterer.

Um einiges lockerer geworden, kehrte Wolfgang Frank im April 1998 noch einmal auf den Trainerstuhl am Bruchweg zurück. Unter ihm rettetet sich der Klub vor dem Abstieg, in der Folgesaison wurden sie Siebter. Zwei Jahre später, am 17. April 2000, wurde der große Innovator in Mainz entlassen, nachdem er zuvor angekündigt hatte, seinen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern.

Es bleibt sein Einfluss, den er mit seiner in Deutschland damals einzigartigen Arbeit auf seine damaligen Spieler hatte und immer noch hat.


Neveling, Elmar  Jürgen Klopp »Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen. «

Elmar Neveling: Jürgen Klopp »Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen. «

5. aktualisierte und erweiterte Neuauflage, 328 Seiten, 19,90 Euro , ISBN: 978-3-7679-1223-6

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