DOPING
Ist die Liga sauber“
Ende der 1980er-Jahre sollen Fußballprofis Captagon geschluckt haben. Dabei hieß es jahrelang, dass Doping im Fußball nichts bringen würde. Bei Juventus Turin gab es Verdachtsmomente, die auf Epo-Doping hindeuteten. Wäre so etwas auch in der Bundesliga möglich? Von Malte Oberschelp. 

 


Sitzen oder stehen: 75 ml Urin muss ein Spieler beim Dopingtest mindestens abgeben, danach werden A- und B-Probe anonymisiert
Foto Michael Danner


Man stelle sich vor, ein äußerst populärer Fußballer gibt nach seiner Karriere gemeinsam mit dem Sportdirektor seines führenden deutschen Klubs eine Pressekonferenz. Beide gestehen vor dutzenden Kameras, in ihrer Karriere Epo genommen zu haben. Unvorstellbar? Nein. Es ist nicht unmöglich, dass sich im Fußball irgendwann wiederholt, was der Radsport vor einigen Wochen vormachte.

Zwar gibt es in der beliebtesten deutschen Sportart immer noch Trainer, Offizielle, Mediziner und sogar Dopingexperten, die daran glauben, dass Epo im Fußball sowieso nichts bringt. Das Argument lautet oft, Doping spiele generell keine Rolle, weil schließlich niemand besser mit dem Ball umgehen kann, nur weil er Pillen schluckt. Doch bestreitet kein Trainer, dass es im Fußball nicht nur auf Technik ankommt. Es geht genauso um Spritzigkeit und Zweikampfstärke, hier kann mit Aufputschmitteln nachgeholfen werden.

Oder auch die Laufbereitschaft, ein Faktor, der im modernen Fußball immer wichtiger geworden ist. Genau dort setzt Epo an, das im Blut den Sauerstofftransport erleichtert und dadurch die Ausdauer verbessert.

„Man kann keine Sportart ausschließen“, sagt Ulrike Spitz, die Sprecherin der Nationalen Anti-Doping-Agentur in Bonn. Bei der Nada werden die Trainingskontrollen im deutschen Sport organisiert, für die Wettkampfkontrollen sind die Verbände zuständig. Auch der DFB lässt inzwischen auf Epo testen – zumindest stichprobenweise. Mehr geben die Laborkapazitäten und die Finanzen nicht her. Ein normaler Urintest kostet etwa 150 Euro, wird die Probe auch auf Epo überprüft, steigen die Kosten auf fast das Doppelte. Deshalb wird das Gros der Tests eher beim Radsport oder Triathlon durchgeführt. Ausnahme war immerhin die WM, vor der die gesamte Nationalmannschaft überprüft wurde.

Klaus Müller sagt: „Es wäre sinnvoll, die Fußballerproben häufiger auf Epo zu untersuchen.“ Er leitet das Dopinglabor in Kreischa nahe Dresden, eines der beiden IOC-akkreditieren Labore in Deutschland. Doch dazu bräuchte er zusätzliches Personal und mehr Analysetechnik: Das Testverfahren ist äußerst kompliziert. Müller ist allerdings auch der Ansicht, dass die Problematik im Fußball mittlerweile nicht mehr unterschätzt wird.

Noch vor 20 Jahren gab es dort überhaupt keine Tests. Erst nachdem Toni Schumacher 1987 in seinem Buch Anpfiff über Doping in der Bundesliga berichtete, führte der DFB Wettkampfproben ein. Schon Schumacher behauptete, ähnlich wie jetzt Peter Neururer, das Aufputschmittel Captagon sei unter Fußballern weit verbreitet. Heute werden in der Bundesliga nach jeder Partie zwei Spieler pro Mannschaft ausgelost und zur Urinprobe gebeten. Dazu kommen Trainingskontrollen, jährlich etwa 70 in Erster und Zweiter Liga.

Diese Tests sind, das zeigt die Erfahrung aus anderen Sportarten, die eigentlich wichtigen. Dopingsünder kennen die Nachweiszeiten der Stoffe, die gerade bei Blutdoping mit Epo und Wachstumshormonen sehr kurz sind. Vor dem Wettkampf setzten sie die Mittel rechtzeitig ab. Eine Trainingskontrolle kommt dagegen überraschend.


Ganz in Weiß: Auch unter Vereinsärzten gibt es schwarze Schafe – siehe Juventus Turin Foto Benne Ochs


Bei Fußballern sind auch die Verletzungszeiten interessant, in denen wieder Muskelmasse aufgebaut werden muss. „Die Trainingstests müssen wir intelligenter machen“, sagt Ulrike Spitz, „aber das ist ein hoher Aufwand. Wir müssen mit unseren Ressourcen haushalten.“ Die Nada betreut 9000 deutsche Sportler – da lässt sich schwer in Ruhe überlegen, welcher Kicker mit Kreuzbandriss gerade besonders in Versuchung sein könnte, es doch einmal mit Anabolika zu probieren.

Das ist nicht das einzige Problem in Sachen Fußball und Doping. Die Verbände geben genau wie im Radsport nicht immer die beste Figur ab. Positive Befunde, und davon hat es von Anabolika bis zu Dopingverschleierungsstoffen in der Vergangenheit einige gegeben, werden extrem unterschiedlich sanktioniert. Mal wird ein Spiel wiederholt, mal als verloren gewertet. Mal erhält der betreffende Spieler eine Sperre, mal eine Geldstrafe.

Noch dazu hat die Fifa jahrelang mit der Weltdoping-Agentur Wada im Clinch gelegen: Der Fußball wollte die zweijährige Mindeststrafe für Ersttäter nicht akzeptieren. Häufig muss der internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne lange vermitteln, bis es gemeinsame Standards gibt.

Derzeit sind sich wiederum Uefa und Fifa uneins, ob der Urintest auf Epo überhaupt juristisch haltbar ist. Die Fifa bestreitet das und würde einen positiv getesteten Spieler derzeit nicht bestrafen. Der europäische Verband geht da rigoroser vor. Überhaupt nimmt die Uefa das Thema Doping ernster als der Rest der Fußballwelt. Der Leiter der Antidoping-Einheit im schweizerischen Nyon, Marc Vouillamoz, glaubt schlicht und einfach: „Doping ist in jedem Sport ein Problem.“ Deshalb hat die Uefa ein teures und ehrgeiziges Programm aufgelegt. Es beinhaltet unter anderem einen höheren Anteil an Trainingskontrollen und bei zehn Spielern pro Champions-League-Teilnehmer unangekündigte Epo-Tests.

Vorkommnisse im Ausland geben grundsätzlichem Misstrauen recht. Bei Olympique Marseille berichteten ehemalige Spieler aus der Zeit um den Champions-League-Gewinn im Jahr 1993 von regelmäßigen Injektionen vor wichtigen Spielen: Die Spritzen machten „schärfer und wacher“ – typische Eigenschaften von Amphetaminen.

Die italienische Justiz stellte bei Juventus Turin in den neunziger Jahren ein riesiges Medikamentenarsenal sicher, darunter viele verbotene Stoffe. Zinedine Zidane und Alessandro del Piero mussten in den Zeugenstand, der Staatsanwalt verurteilte den Mannschaftsarzt in erster Instanz unter anderem wegen systematischen Epo-Dopings. Nach mehreren Revisionen wurde das Verfahren erst vor einigen Wochen durch den Obersten Gerichtshof eingestellt – wegen Verjährung.

Der bisher größte Doping-Skandal im Fußball blieb ohne juristische Folgen. Nur Zdenek Zeman, der als Trainer des AS Rom den Stein ins Rollen gebracht hatte, fühlte sich wie ein Verurteilter. Er hatte öffentlich auf die unnatürlich massiven Muskeln einiger zuvor verletzter Juve-Akteure hingewiesen. Danach bekam er jahrelang keinen Job mehr in der Serie A.

Der Doping-Verdacht aber besteht bis heute. Die Blutprofile vieler Spieler waren so außergewöhnlich, dass sie natürlich kaum zu erklären waren. Nur: Damals gab es noch keinen Epo-Nachweis, nur Indizien. Und, im Gegensatz zum heutigen Radsport-Skandal, auch kein tränenreiches Geständnis.

Der Text ist in RUND – #9_04_2006 erschienen. 

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