DRITTE LIGA
Südstadion: Ein Platz für Fußball-Romantiker
Zum Start der Dritten Liga: Fortuna Köln stieg sensationell in der Nachspielzeit beim FC Bayern II auf. Das Team von Uwe Koschinat hofft auf 4.000 Zuschauer pro Spiel im Südstadion. 2000 war der Klub aus der Südstadt nach 26 Jahren aus der Zweiten Liga abgestiegen. Von Henning Klefisch.

 

Fortuna Köln SüdstadionAus der Zeit gefallen: Das Südstadion bietet bis zu 15.000 Zuschauern Platz. Foto Pixathlon/Henning Angerer

 

Im Süden von Köln, genauer gesagt im Stadtteil Zollstock, ist der SC Fortuna Köln beheimatet. Der Drittliga-Aufsteiger demonstriert Bescheidenheit und verkörpert das Gegenteil des Stadtrivalen 1. FC Köln, was die Themen Finanzkraft, Popularität und Geschichte angeht. Es wirkt alles ein wenig bescheidener bei der Fortuna, die zum ersten Mal seit zwölf Jahren ihren wenigen, aber treuen Anhängern Drittliga-Fußball bieten kann. Einst als ewiger Zweitligist von einigen FC-Fans verspottet, zeigt man sich nun zufrieden, wenn der Klassenerhalt in der 3. Liga geschafft werden kann. Durch Finanzprobleme sind die Ansprüche beim zweitgrößten Verein der Domstadt deutlich gesunken.
 
Ein Platz für Fußball-Romantiker: die kleine Gaststätte, die mit vielen Memoralien bestückt ist und wo auch der smarte Vereinsboss Klaus Ulonska sein Büro hat. Und das knapp 15.000 Zuschauer fassende Südstadion, das etwas aus der Zeit gefallen wirkt.
Es wird bei der Fortuna gewerkelt, auf und außerhalb des Spielfeldes, damit es nicht bei einem einjährigem Drittliga-Dasein bleibt. Präsident Ulonska begrüßt den Besucher der Anlage persönlich, um etwas Wissenswertes über diesen speziellen Verein mitzuteilen. Er schildert seinen Weg, den er nach der Ära des 2005 verstorbenen Jean Löring beschritten hat: „Ich habe dann versucht die Fortuna in den ersten fünf Jahren aus der Insolvenz herauszuholen. Wir sind ja nie insolvent geworden. Das muss man noch einmal betonen. Wir heißen weiterhin SC Fortuna Köln. Wir haben uns für diesen Weg dann entschieden. Mir blieb jedoch auch überhaupt nichts anderes übrig. Solche Leute wie Löring liefen ja nicht auf der Straße herum, die man nur einfangen muss. Ich habe schlicht und einfach angefangen, auch mit etwas kleineren Beiträgen. Wenn mir heute ein altes Mütterchen 100 Euro in die Hand drückt, danke ich ihr genauso, wie einem reichen Geschäftsmann, der das Vielfache davon investiert. Für ein alte Mütterchen sind diese 100 Euro vielleicht mehr als für einen anderen eine große Summe.“
 
Ulonska als Unternehmer, Jungfrau und Politiker aktiv
 
Der 71-jährige gebürtige Kölner ist ein Unikum. In vielen unterschiedlichen Bereichen hat er sich versucht und dort meist auch Erfolg gehabt. Als ehemaliger Leichtathlet, der bei den Europameisterschaften 1962 in Belgrad die Goldmedaille für Deutschland holen konnte, kennt er sich im Leistungssport bestens aus. Zudem versteht er auch die wirtschaftlichen Faktoren, da er Geschäftsführer der Dinckels-Ulonska Bedachungsartikel GmbH in Köln ist. In einem Alter, wo andere Zeitgenossen längst ihrem Rentnerleben frönen können, zeigt sich der aktive Ulonska als Workaholic, der das „kölsche Lebensgefühl“ auch durch sein ehemaliges Dasein als Jungfrau des Kölner-Dreigestirns beim Karneval 1973 verkörpern kann. Auch politisch war er  aktiv: als Mitglied des Stadtrates für die CDU aktiv.
Selbst die Präsentation der Sponsoren beim Fototermin für das Mannschaftsfoto moderiert der rhetorisch begabte Ulonska souverän und mit einer gehörigen Portion Charme. Viele Kölner unterstützen den kleinen Verein aus der Südstadt, der stets im Schatten des omnipräsenten 1. FC Köln gestanden hat. Am 1. Juni hatten die Fans der Fortuna Grund zur Freuede: Als in der vierten Minute der Nachspielzeit durch einen Treffer von Thomas Kraus zum 1:2 bei Bayern München II der Aufstieg in die Dritte Liga gelang. Mehr als 1.000 mitgereiste Fortunen-Fans gerieten nach diesem historischen Treffer im Grünwalder-Stadion zu München in Ekstase.
Dramatischer hätte die Rückkehr nicht zelebriert werden können. Auch der sonst so sachliche Trainer Uwe Koschinat sagt: „Ich habe mich schon dabei häufiger ertappt, dass man sich die Situation noch einmal anschaut. Nicht, weil es so unwirklich war oder weil man es in der ersten Phase nicht so richtig glauben konnte, was da passiert ist, denn wir haben uns emotional schon sehr stark mit dieser Situation vorbereitet.“ Man möchte es diesem Verein gönnen, der schwere Jahre zuletzt durchmachen und bis in die Niederungen der Mittelrheinliga hinabsteigen musste, um nun wieder eine sportliche Renaissance feiern zu können. Vor allem der Teamgedanke ist nun ein entscheidender Faktor, der in der Vergangenheit sich nur schwer bei diesem Verein hat durchsetzen lassen. Ulonska ist ein optimistischer Realist, der Respekt vor der Spielklasse hat, wie er deutlich zum Ausdruck bringen kann: „Die Mannschaften sind schon stärker. Man muss sich das auch einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist schon eine andere Hausnummer. Auf der anderen Seite haben wir natürlich einen Trainer wie Uwe Koschinat. Uwe Koschinat hatte ein starkes Team. Wir haben auch starke Spiele geliefert.Gegen Bayern München II in der Relegation, gegen Mainz 05 im DFB-Pokal, wir haben tolle Spiele gegen Viktoria Köln absolviert.“
Es hing einiges dran an Kraus' Tor zum Aufstieg: Wenn der Aufstieg in die Drittklassigkeit verpasst worden wäre, hätte sich Grundlegendes bei der Fortuna geändert. Neben einem völligen Kaderumbruch wäre auch Koschinat nach drei Jahren gegangen. Dazu wäre Investor Michael W. Schwetje, der zugleich als Geschäftsführer arbeitet, zurückgetreten. Der SC Fortuna wäre möglicherweise vorerst im Mittelmaß der Regionalliga West verschwunden, weil erhebliche Einsparungen notwendig gewesen sind.
 
Halbzeitentlassung von Trainer Schumacher
 
Zwischen 1973 und 2000 erlebte Fortuna die beste sportliche Zeit der Vereinsgeschichte, als man nach dem Bundesliga-Abstieg in der Spielzeit 1973/74 für stattliche 26 Jahre ununterbrochen in der 2. Fußball-Bundesliga spielen und lange Zeit den ersten Platz in der ewigen Tabelle dieser Spielklasse belegen konnte.Mittlerweile ist man von Alemannia Aachen überholt worden.
1983 gelang der Einzug ins DFB-Pokalfinale, das gegen den Stadtrivalen 1. FC Köln unglücklich mit 0:1 verloren worden ist. Der sportliche Erfolg war vor allem Jean Löring zu verdanken, der den Verein im Stile eines Monarchen führte, viel Eigenkapital hineinsteckte, was ihm auch die ganze Macht sicherte. Unvergessen: die peinliche Entlassung des damaligen Trainers Toni Schumacher in der Halbzeitpause des Spiels gegen den Chemnitzer FC in der Saison 1999/2000.
 
Die Abhängigkeit zum „Schäng“ war wahrlich enorm und so war sein Rückzug auch gleichzeitig mit dem langsamen Niedergang der Fortuna verbunden, die im Jahre 2000 aus der Zweiten Liga abstieg. Die Finanzprobleme wurden immer größer, da sich Löring immer stärker zurückgezogen hatte. Daraus hat der clevere Ulonska nun aber gelernt: „Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn man noch ein paar Schultern gehabt hätte. Ich habe vom ersten Tag an auf Schultern gesetzt.“
 
Nach dm fünften Platz in der ersten Regionalliga Nord-Spielzeit musste man in der Saison 2002 als Tabellenachtzehnter absteigen. Nach zwei Spielzeiten in der Oberliga Nordrhein, wo Mittelfeldplätze belegt werden konnten, musste man nach der Hinrunde 2004/05 die Mannschaft zurückziehen und in der Verbandsliga Mittelrhein einen Neuanfang starten. 2008 erfolgte der Wiederaufstieg in die fünftklassige NRW-Liga. Dabei profitierte man beim ersten Aufstieg seit 35 Jahren auch von der fehlenden Lizenz des Meisters VfL Leverkusen. Drei Jahre später konnte man sich für die Regionalliga West qualifizieren. Trainer Uwe Koschinat erwies sich als Glücksgriff. Fachlich und menschlich repräsentiert der 43-Jährige den Traditionsverein perfekt nach außen. Er gilt als ähnlich akribisch und umgänglich wie Dortmunds-Trainer Klopp. – ein „Menschenfänger“ heißt es über den Blondschopf. 
 
 
Ein großer Vorteil ist, dass die Spieler universell einsetzbar sind, was jedoch auch finanzielle Gründe hat, wie Koschinat zugeben muss: Wir werden das finanziell nicht hinbekommen, auf Drittliganiveau die Positionen doppelt besetzt zu haben mit Spielern, die auch absolutes Drittligapotential haben. Ein elementarer Faktor in der Kaderzusammenstellung, der sich in den letzten Jahren immer bewährt hat, ist der, dass wir auch eine gewisse Zahl an Allroundern im Kader haben, die in der Lage sind auf hohem Niveau mehrere Positionen zu spielen.“
 
Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten wieder ein volles Südstadion
 
Der ehemalige Fußball-Profi des VfL Wolfsburg formte aus talentierten Spielern aus der Region eine schlagkräftige Mannschaft. Nach einem siebten und zweiten Platz, wurde man in der abgelaufenen Spielzeit souverän Meister der starken West-Staffel. Mit dem FC Bayern München II wartete der Meister der Bayern Liga und der stärkste aller möglichen Kontrahenten. Nach einem 1:0-Sieg im heimischen Südstadion, wo zum ersten Mal seit 31 Jahren wieder ein ausverkauftes Stadion gemeldet worden ist, gab es durch das 1:2 im Rückspiel die Rückkehr in den bezahlten Fußball zu bejubeln. Insgesamt setzte sich die bessere Mannschaft in den beiden Duellen durch. Nun also die Rückkehr in die Drittklassigkeit, die Coach Koschinat vor allem als Imagegewinn sieht: „Das ist eine tolle Geschichte für uns. In der öffentlichen Wahrnehmung haben wir einen Riesensprung nach vorne gemacht. Durch das mediale Interesse, vor allem durch das Fernsehen, können wir nun auch überregional in Erscheinung treten. Das wird für den Verein in seiner Außendarstellung und letztlich auch in seiner Stellung innerhalb der Stadt mit Sicherheit noch einmal ein extrem positiver Sprung sein.“
 
Kreatives Projekt von Regisseur Sönke Wortmann
 
Besonders schwierig gestaltete sich die Situation für den Südstadklub ab der Jahrtausendwende, als nur diverse Spendenaktionen die drohende Insolvenz verhindern konnten. So war es der deutsche Star-Regisseur Sönke Wortmann, der ab 2008 das Projekt „Dein Fussballclub“ initiiert hat. Für einen Jahresbeitrag von 39, 95 Euro konnten diese Mitglieder ein Mitspracherecht bei Transfers, Abschlüssen von Freundschaftsspielen, Trikotfarben, dem Merchandising und anderen vereinsinternen Belangen besitzen. Ein sehr demokratischer Ansatz, der rund 180.000 Euro einspielte und im Januar 2012 durch den Einstieg eines Investors abgelöst wurde.
Im Gespräch mit der „Hamburger Morgenpost“ sagte Wortmann: „Damals spielte die Fortuna im Mittelfeld der sechsten Liga und stand kurz vor der Insolvenz. Wir haben dann versucht, ein Mitbestimmungsrecht für die Anhänger einzuführen. Das funktionierte auch lange gut, aber ab einem gewissen Zeitpunkt gab es einfach Wettbewerbsnachteile. Trotzdem hat die Aktion viel Geld eingespielt und war ein Wendepunkt für den Verein, deshalb sehe ich das Experiment auch nicht als gescheitert an.“
 
Persönlichkeiten unterstützen die Fortuna
 
Dazu haben sich diverse Persönlichkeiten an diversen, kreativen Spendenaktionen beteiligt. So etwa der Künstler Cornel Wächter, der Olympiasieger Dieter Baumann, der Schauspieler Ralf Richter oder auch Formel-1-Fahrer Michael Schumacher. Ein klares Indiz, dass der Verein auch in der Gesellschaft tief verankert ist. Immerhin gehörte die Nachwuchsabteilung mit temporär 27 Teams zur größten in ganz Deutschland. Die hoffnungsvollsten Talente wurden jedoch primär an die übermächtige Konkurrenz wie Bayer Leverkusen oder den 1. FC Köln verloren. Spieler wie Schumacher, Hans Krankl oder auch Bernd Schuster haben im Südstadion als Trainer an der Seitenlinie gestanden. Zudem war der SC auch stets ein Sprungbrett für talentierte Fußballer, die später bundesweit Karriere machen konnten wie Dirk Lottner, Hans Sarpei, Tim Wiese oder auch Tony Woodcock.
 
Präsident hofft auf 4.000 Zuschauer im Durchschnitt
 
Auf großen Zuschauerzuspruch musste die Fortuna stets verzichten. Selbst in Erst- und Zweitligazeiten kamen nur selten mehr als 10.000 Zuschauer in die funktionale Arena. Der Verein verfügt über eine kleine, aber feine Ultraszene, die für mächtig Stimmung bei Heim-und Auswärtsspielen sorgen kann. Auch in der folgenden ersten Drittliga-Spielzeit seit zwölf Jahren rechnet Coach Koschinat nicht mit mehr als 2.000 Zuschauern, während der optimistische Ulonska von mehr als 4000 Fans pro Heimspiel ausgeht: „Unser Geschäftsführer Herr Schwentje erwartet zweieinhalb Tausend Zuschauer. Ich bin ja der berühmte Optimist und erwarte deshalb 4000 Fans pro Spiel.“ Beim Blick auf die interessanten Gegner wie die Absteiger Arminia Bielefeld, Energie Cottbus und vor allem Dynamo Dresden oder die West-Konkurrenten MSV Duisburg, Preußen Münster oder Borussia Dortmund II könnte der Präsident am Ende Recht behalten. 2012 ist das Stadion saniert worden, um es auch für den Profifußball nutzbar machen zu können. Zwei Rasen- und ein Aschenplatz dienen als Trainingsplätze rund um die Vereinsgaststätte. Die Wege sind kurz. Aktuell wird fleißig gewerkelt rund um das Südstadion, um die Trainingsbedingungen noch professioneller gestalten zu können.
 
Neuzugänge erhöhen Qualität und Quantität
 
Schon relativ früh hat die Fortuna acht neue Spieler verpflichten können. Man hat sich zum Credo gesetzt, dass man möglichst früh Planungssicherheit erhalten möchte. Dabei hat man sich primär mit Kickern aus der Regionalliga West verstärken können, die nah an der 3. Liga dran waren und nun ihre Chance erhalten. Hungrige, meist sehr junge Spieler Spieler, die sich nun beweisen können, zeugen von einer cleveren Transferpolitik. Taktische Flexibilität und die Motivation 3. Liga sind ein wesentlicher Faktor dieser Spieler. Fortuna Köln kommt über den Kampf zum Spiel und zeigt sich ausgesprochen körperbetont in den Zweikämpfen. Mit Wucht und Kraft, weniger mit Technik und Kombinationsstärke möchten die Südstädter zum Erfolg kommen. Altstars aus den ersten beiden Ligen zu verpflichten, wie in der Vergangenheit bei der Fortuna geschehen, war keine Option. Wichtig erschien der sportlichen Leitung auch, dass sich die Neuzugänge voll und ganz mit dieser Aufgabe identifizieren können. Folgende Spieler verstärken die Fortuna in der kommenden Spielzeit: Leon Heine (Bayer Leverkusen U19), Dino Bisanovic (FK Sarajevo), Sascha Marquet (Alemannia Aachen), Lars Bender (Eintracht Trier), Johannes Rahn (Arminia Bielefeld), Bone Uaferro (FC Schalke 04 II), Marco Ban (1. FC Köln II), Daniel Isken (Fortuna Köln U19) und Hamdi Dahmani (FC Viktoria Köln). Der am Knie verletzte Routinier Albert Streit und Tobias Steffen sind als wichtige Abgänge zu verzeichnen. Allerdings werden zum Saisonauftakt drei wichtige Spieler ausfallen. Neben Spielführer Daniel Flottmann, der mit einem Kreuzbandriss auf unbestimmte Zeit ausfallen wird, auch Vize-Kapitän Sebastian Zinke (Bandscheibenvorfall) und Techniker Ozan Yilmaz, der einen Beckenbruch auskurieren muss, werden die ersten Spiele verpassen. Für ein Spiel wird der erfahrene Kristoffer Andersen ausfallen, der seine gelb-rot-Sperre noch absitzen muss.
 

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