INTERVIEW
„Viel geiler als ein Tor im Fußball“
Menschen am Strand von Rio de Janeiro, sie schlagen Bälle über Netze - aber nicht mit den Händen, wie im Beachvolleyball üblich, sondern unter akrobatischem Einsatz von Kopf oder Füßen. Das ist Footvolley, das auch in Deutschland populär wird. Armin Stronczek vom Deutschen Footvolley-Verband über Hai-Attacken am Netz. Interview René Gralla

 Armin Stronczek
Am Netz: Armin Stronczek. Foto: privat

 

Sind Sie die Brasilianer von Berlin?
Armin Stronczek: Wir arbeiten dran (lacht).
 
Ein Footvolleyspieler drischt die Bälle mit Füßen oder Kopf über das Netz. Ist das - gerade was den Einsatz der Füße angeht - aber nicht höchst unpraktisch? Das Feld ist im Vergleich zum Fußballplatz doch sehr klein, so dass die Bälle in realtiv hohen Winkeln fliegen müssen.
Das kann ich nicht bestätigen. Sie können mit dem Fuß sogar am Netz schmettern, das ist die so genannte "Shark Attack". Bei diesem "Hai-Angriff" geht der Spieler aus dem Sprung kurzfristig quasi in eine Querlage, in der Luft mit dem Rücken zum Boden, und knallt den Ball rüber auf die andere Seite. Allerdings beherrschen das allein die absoluten Topleute. Die anderen benutzen Kopf und Schulter, der Einsatz aller Körperteile oberhalb der Brust ist erlaubt.
 
Haben Sie früher mal den üblichen Rasenfußball gespielt?
Ja klar, bis rauf zur höchsten Klasse in Berlin. Irgendwann aber bin ich zum Beachsoccer gewechselt, und auch in dieser Fußballvariante ist es wichtig, dass man den Ball in der Luft halten und entsprechend jonglieren kann. Entsprechend war der Weg nicht mehr weit zum Footvolley, weil ich die Grundtechniken bereits drauf hatte.
 
Warum heute Footvolley anstelle der klassischen Disziplin?
Auf dem Rasen stehen elf Mann, folglich kommst du nicht so häufig an den Ball. Beim Footvolley habe ich regelmäßig Ballberührung, weil das nur in Zweierteams ausgetragen wird. Außerdem ist Footvolley spektakulär, wegen Tricks wie der erwähnten "Shark Attack", und das Spiel ist ziemlich schnell, Langeweile kommt niemals auf.
 
Fällt im Stadion ein Tor, ist das stets ein besonderer Moment, der grenzenlose Jubel und die Verzweiflung der Gegner. Footvolley kennt aber keine Tore: Fehlt Ihnen das nicht als ehemaliger Aktiver auf dem echten Platz?!
Überhaupt nicht! Denn der Unterschied zwischen einem Tor im Fußball und dem Punkten im Footvolley ist nicht dermaßen groß. Greift man im Footvolley an, soll das andere Team wie im Fußball idealerweise den Ball nicht mehr unter Kontrolle kriegen, so dass der Ball auf dem Boden landet und einen Punkt macht. Und eigentlich ist die Freude über einen Score viel nachhaltiger als im Fußball, gerade weil beim Footvolley häufiger gepunktet wird, während man im Fußball pro Spiel vielleicht ein Tor schießt. Und nur wenn es hoch kommt, womöglich zwei oder drei.
 

Armin StronczekAls Besucher im Camp Nou: Armin Stronczek im Stadion des FC Basrcelona. Foto: privat

 

Aber führt nicht genau dieses häufige Punkten im Footvolley zu einer gewissen Banalisierung? Ganz anders als die gloriosen Momente auf dem Rasen? Und erst recht um ein Vielfaches gesteigert, wenn der Treffer ein Match dreht? Wir denken zum Beispiel an André Schürrles erlösenden Haken-Hammer vor wenigen Tagen in der 92. Minute der Verlängerung des WM-Achtelfinales zwischen Deutschland und Algerien in Porto Alegre.
Wahrscheinlich stellen Sie sich Footvolley ein bisschen wie Beachvolleyball vor: Aufschlag, der Gegner nimmt an, hin und her, und Punkt. Aber Footvolley läuft ganz anders: Keineswegs ist es damit getan, dass du den gegnerischen Ball annimmst und einfach rüberschlägst und die Sache ist erledigt. Vielmehr gibt es meist längere Ballwechsel, und dieses Feeling, du schlägst den Ball sechs- oder siebenmal hin und her und holst erst dann den Punkt, das ist wesentlich geiler als ein Tor im Rasenfußball.
 
Können sich Footvolley und Rasenfußball andererseits gegenseitig befruchten? Hätte die deutsche Auswahl, bevor sie zur diesjährigen Fifa-WM nach Brasilien geflogen ist, besser vorher auch Footvolley geübt, um jene südamerikanische Leichtigkeit am Ball zu trainieren, die doch das erklärte Ziel des Bundestrainers Jogi Löw ist? Eine virtuose Lässigkeit, die in den Partien gegen Ghana, die USA und Algerien fehlte?
Da ist was dran! In der vergangenen Saison ist ein neuer Mann zu uns gestoßen, der außerdem noch Rasenfußball in der Berlin-Liga spielt. In seiner gesamten Karriere zuvor sind ihm bloß vier Kopfballtore gelungen, aber seitdem er zusätzlich Footvolley betreibt, hat er in der laufenden Saison das Ding schon achtmal per Kopfball im Kasten platziert! Und warum? Footvolley hat seine Technik extrem verbessert, wegen der häufigen Angriffe, bei denen der Kopf eingesetzt wird. Nebenbei springt ihm ein Ball, den er auf dem Rasen annehmen will, nicht mehr zu weit vom Fuß weg, auch das hat er beim Footvolley eingeübt und gibt ihm Sicherheit und Ruhe.
 
Interessant. Wie schaffen das eigentlich die Aktiven im Footvolley, dass Bälle, falls nötig, gewissermaßen an deren Füßen kleben?
Reines Training. Die einfachste Methode: Zwei Leute stehen sich gegenüber, einer wirft den Ball zu, der andere spielt Volley mit rechts oder links, Innenseite oder Spann, gibt den Ball in hohem Bogen zurück. Eine Übung, die auch im Rasenfußball bekannt ist.
 
Als Sie während der WM die Fernsehbilder aus Brasilien gesehen haben - und zwar nicht nur aus den Stadien, sondern von den Stränden, wo sich die Footvolleyspieler tummeln - , ging Ihnen wahrscheinlich das Herz auf ...
... natürlich! Ich war noch nie Brasilien, da will ich unbedingt mal hin.
 

Footvolley spielen in Berlin: weitere Infos unter www.footvolley.de/clubs/berlin
 

Um Vereine und Polizei auszutricksen
 Entstanden ist der Sport Mitte der 60-er Jahre an der Copacabana von Rio de Janeiro. Der Grund: Die Vereine hatten ihren Aktiven während der Sommerpause das Fußballspiel verboten, um Verletzungen vorzubeugen, mit Blick auf die kommende Saison. Ein Bann, dessen Einhaltung von der Polizei überwacht wurde, die Beamten kontrollierten deswegen auch die Strände der brasilianischen Metropole. Die Kicker, die von ihrer Leidenschaft nicht lassen konnten, fanden einen Ausweg: Sie wichen heimlich auf die Felder für Beachvolleyball aus, passten dessen Regeln ihrem eigenen Sport an - und Footvolley war geboren.
Zwei Teams aus jeweils zwei Spielern treten an auf einem Feld, das 16 Meter lang und acht Meter breit ist, mit einem Netz in der Mitte. Der Untergrund des Platzes soll aus feinem Quarzsand (Körnung 0,1 bis 0,7 Millimeter) bestehen, aufgeschichtete Höhe: mindestens 35 Zentimeter. Ziel des Spiels ist es, den Ball über das Netz auf dem Boden der gegnerischen Spielhälfte zu platzieren. Wie beim Fußball darf der Ball nicht mit den Armen oder Händen berührt werden, allerdings ist der Schultereinsatz erlaubt. Spätestens mit dem dritten Ballkontakt auf einer Seite muss der Ball über das Netz befördert werden, ohne letzteres zu berühren. Gelingt das nicht, erhält der Gegner einen Punkt.
Für einen Satzgewinn sind 18 Punkte mit mindestens zwei Punkten Vorsprung nötig, wobei ein Satz auf den maximalen Score von 21 begrenzt ist. Pro Match werden zwei Gewinnsätze ausgetragen.
 
 

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