INTERVIEW
„Fußballer trainieren das Abheben“
Nimmt die Schauspielerei auf den Fußballplätzen zu? Wer könnte diese Frage besser beantworten als die ehemalige Fifa-Schiedstichterin Elke Günthner, die unter der Woche als Personalchefin am Bochumer Schauspielhaus arbeitet. Interview Kathrin Steinbichler.

 

Elke GünthnerAuf der Bühne des Bochumer Schauspielhauses: Schiedsrichterin Elke Günthner. Foto David Klammer

 

 

RUND: Frau Günthner, Sie erleben unter der Woche die Schauspieler auf der Bühne und am Wochenende die Akteure auf dem Rasen. Gibt es heute mehr Schauspieler im Fußball als früher?

Elke Günthner: Ich denke schon. Es geht um sehr viel Geld, da versuchen die Spieler, das Bestmögliche rauszuholen. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, versuchen sie, den Schiedsrichter zu linken. Wenn die Spieler ehrlicher wären, hätten wir es leichter.

 

RUND: Wie entscheiden Sie denn ohne Zeitlupe über Foul oder Schwalbe?

Elke Günthner: Das bringt die Erfahrung. Ich muss mich auf mein Gefühl verlassen, weil alles so schnell geht, aber ich habe auch Anhaltspunkte. Wie der Spieler läuft, wie er fällt, wie der andere Spieler hingeht, diese ganzen kleinen Informationen plus das Gefühl müssen dann in Sekunden eine Entscheidung ergeben.

 

RUND: Haben Sie durch das Theater einen besseren Blick fürs Schauspielen bekommen?

Elke Günthner: Wenn man viele Aufführungen sieht und die Schauspieler auch fern der Bühne kennt, dann bekommt man schon einen guten Blick für Gestik, Mimik und Ausdruck. Man bemerkt kleine Details, die man vorher nicht beachtet hätte. Wie schnell oder spät einer schreit oder wie er Schmerzen spielt.

 

RUND: Was macht einen guten Schauspieler denn aus?

Elke Günthner: Er muss seine Sache möglichst echt rüberbringen, vor allem aber muss er Ausstrahlung haben. Schauspieler müssen ja zum Publikum einen Bezug herstellen, müssen es erreichen. Da kann ich mir auch als Schiedsrichterin etwas abschauen. Ich muss ja auch eine Persönlichkeit darstellen, muss zeigen, dass ich der Chef bin und dass ich diese und jene Spielweise will. Wenn ich die Fußballer mit meiner Art nicht erreiche, machen sie, was sie wollen, und das drückt sich dann in Karten aus.

 

RUND: Dann bedienen Sie sich aber schauspielerischer Mittel, die ein Fußballer nicht benutzen darf.

Elke Günthner: So betrachtet ja. Aber bei mir geht es darum, Persönlichkeit und Auftreten zu unterstreichen, bei den Spielern darum, Fouls vorzuschützen und eigene herunterzuspielen.

 

RUND: Könnten Fußballer im Theater was lernen?

Elke Günthner: Nein, Fußballern bringt es mehr, wenn sie in Bundesligastadien gehen. Da bekommen sie für ihr Metier den besseren Anschauungsunterricht. Wenn ich sehe, wie die auf dem Platz manchmal abheben ... Also, die üben das bestimmt im Training. So, wie ein Schauspieler das Hinfallen übt, trainieren Fußballer das Abheben.

 

RUND: Sie pfeifen Frauenfußball bis hinauf zu Länderspielen und Männerfußball bis zur Oberliga. Gibt es da einen Unterschied?

Elke Günthner: Oh ja, ich muss ganz klar sagen: Im Frauenfußball geht es ehrlicher zu. Da gibt es weniger Schwalben. Bei den Männern kommt es schon mal vor, dass nachgetreten wird, bei Frauen seltener.

 

RUND: Sind Männer auf dem Fußballplatz empfindlicher?

Elke Günthner: Männer sind auf dem Platz linker. Ob versteckte Fouls, Schwalben oder den Ball verdeckt mit der Hand mitnehmen – der Erfolg wird gesucht, egal mit welchen Mitteln.

 

RUND: Männerfußball ist dann wohl schwieriger zu pfeifen?

Elke Günthner: Es ist stressiger. Aber ich pfeife trotzdem lieber Männerspiele, weil die eine größere Herausforderung sind. Wenn ich es dann trotzdem gut hinkriege, macht es auch richtig Spaß.

 

RUND: Haben Sie bei Fußballern schon mal gedacht: Die gehören eher auf die Bühne als auf den Platz?

Elke Günthner: Sicher. Schwalben sind ja das eine. Noch lustiger ist es, wenn man pfeift, und sie stellen sich dann hin und tun gestenreich so, als ob sie nichts getan hätten. Da denkst du manchmal schon: Wo bin ich hier überhaupt?

 

Der Text ist in RUND #14_09_2006 erschienen

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