INTERVIEW
Kopfball als Netzroller
Fußball an der Tischtennisplatte: Seit 2006 gibt es Headis. Der 26-jährige Jan Fischer über die Faszination dieses seltsamen Spiels. Interview René Gralla.

 

Headis
Headis. Foto: pr
 
Den Spieltisch fest umklammert, den Gegner mit Hypnoseblick fixiert, gleich kann das Match im Tischtennis beginnen ... aber wo sind die Schläger? Doch diese Teile brauchen Jan Fischer und seine Freunde gar nicht, um Spaß an der Platte zu haben - weil sie mit dem Kopf die Bälle übers Netz befördern. Headis heißt der verrückte Sport, den der 26-jährige Medienstudent hier am Turmweg in einer Halle, die zur Universität Hamburg gehört, regelmäßig trainiert. Und warum der angehende Eventmanager besagtes Spiel, das für Außenstehende reichlich gewöhnungsbedürftig aussieht, absolut ernst nimmt, hat Autor René Gralla in der Pause zwischen zwei Sets erfahren.
 
Jan Fischer Spaß an der Platte: Jan Fischer. Foto: privat

 


Eine echte Schnapsidee, beim Tischtennis die Schläger wegzulassen und als Ersatz dafür den Kopf einzusetzen!

Jan Fischer: Okay, ein bisschen Quatsch ist schon dabei, wie sollte man sonst auch auf die Idee kommen, mit dem Kopf die Bälle über das Netz zu schlagen?! Aber erstens ist das ein Quatsch, der Spaß macht, und zweitens hat die Entstehung von Headis einen praktischen Hintergrund. Denn Headis wurde vom damaligen Sportstudenten René Wegner 2006 deswegen erfunden, weil er damals im Freibad Wesch in Kaiserslautern mit seinen Freunden eigentlich eine Runde bolzen wollte und dann aber feststellen musste, dass der Fußballplatz permanent belegt war. Die Tischtennisplatten waren jedoch frei, und so schlug Wegner spontan vor, "hey, spielen wir Fußball eben an der Tischtennisplatte, aber bloß mit dem Kopf, mit den Händen kann das doch jeder". Der Rest ist Geschichte, und mittlerweile ist Headis dermaßen bekannt, dass es unser Sport bereits mehrfach ins Fernsehen geschafft hat, unter anderem war Headis ein Highlight bei "Schlag den Raab". 


Demnach war eigentlich die grenzenlose Liebe zum Fußball der Grund, dass wir heute Headis haben, darauf wären wir nie gekommen ...

Fischer: ... wobei sich der Part des Fußballs darauf beschränkt, dass - obwohl das wie ein Widerspruch in sich klingt - die Ballarbeit mit dem Kopf geleistet wird. Ansonsten weist Headis viele Züge vom Tischtennis auf, schauen Sie sich an, wie Aufschläge ausgeführt und Bälle retourniert werden.


Immerhin nehmen Sie für Headis offenbar nicht einfach nur die handelsüblichen Tischtennisbälle.

Fischer: Das würde auch kaum funktionieren, die sind natürlich zu klein! Unsere Bälle sind größer, in etwa vergleichbar mit den Arbeitsgeräten im Damenhandball.
 


Die Regeln zwingen zu permanentem Kopfballspiel im Headis. Riskieren Sie damit nicht Ihre Gesundheit? US-Forscher haben die Befürchtung geäußert, dass Fußballer, die - wie es zum Kicken bekanntlich gehört - jahrelang immer wieder auch Kopfbälle ausführen, vielleicht ihr Gehirn schädigen könnten.

Fischer: Im Headis ist das ausgeschlossen. Unsere Bälle sind aus Schaumstoff, wiegen nicht einmal 100 Gramm. Beim Match spürst du entsprechend jeweils nur einen minimalen Kontakt. Das ist nicht einmal im Ansatz das, was in die Nähe einer Schmerzempfindung kommen könnte.
 


Klingt beruhigend. Freilich müssen die Spieler, wenn sie die Bälle mit dem Kopf erwischen wollen, ihren Schädel notwendigerweise recht schnell Richtung Tischtennisplatte bewegen - wo schließlich die Bälle herumhüpfen. Knallen die Beteiligten dann nicht öfter aus Versehen mit der Omme auf die Platte?!

Fischer: Bisher habe ich das nur einmal erlebt. Schließlich ist ein derartiger Aufprall äußerst unwahrscheinlich. Denn du darfst mit den Händen die Platte berühren, und als Folge kriegst du in Kombination mit deinen Augen, die den Flug des Balls verfolgen, ein ziemlich sicheres Gefühl dafür, wie groß die Abstände zwischen Ball, Kopf und Platte tatsächlich sind.  


Hört sich dennoch nicht wirklich simpel an.

Fischer: Selbst für Neueinsteiger ist das aber kein echtes Problem. Jedes Kind, das auf die eine oder andere Art draußen mit Bällen gespielt hat, weiß, wie das Ding springt. Folgerichtig kannst du Headis super schnell lernen. Allerdings brauchst du Nervenstärke, wenn du im Match punkten willst, das ist das Wichtigste, weil das ein Zweierduell ist.


Im Eifer des Gefechts rutschen Sie mit dem Oberkörper auch mal auf die Platte, das konnten wir gerade öfters beobachten. Die Regeln lassen auch das zu?

Fischer: Richtig! Und Sie dürfen außerdem mit den Füßen raufspringen, und wenn man während eines Turniers hoch genug führt nach Punkten, wird das gerne mal gemacht, um den Gegner zu juxen.
 


Derartige Aktionen - gerade wenn Sie sich auf die Platte werfen -  könnten aber Ihr bestes Stück in Gefahr bringen, durch schmerzhafte Kontakte mit den Kanten des Spieltisches! Tragen Sie einen speziellen Schutz für Ihre Kronjuwelen?  

Fischer: Nein. Abgesehen davon werden die Tischkanten bei Turnieren mit Schaumstoff abgepolstert.
 


Trotz Schaumstoff bleibt ein etwas mulmiges Gefühl. Verleidet das nicht die Freude am Spiel?

Fischer: Überhaupt nicht! Headis hat einen hohen Funfaktor. Selbst bei Turnieren läuft Musik während der Matches, da steht immer ein DJ am Pult. Und abends wird Party gemacht, und du lernst ständig nette Menschen kennen, pro Wettkampf wächst mein Freundeskreis um mindestens zehn neue Leute.
 


Neben dem kommunikativen Aspekt scheint Headis inzwischen auch für den Profisport interessant zu werden. Dem Vernehmen nach soll der Fußballbundesligist Hannover 96 auf seinem Trainingsgelände eine Spielmöglichkeit für Headis eingerichtet haben. 

Fischer: Die wissen, was sie tun, für das Training von präzisem Kopfballspiel kann Headis bestimmt nicht schaden. Außerdem beweisen sportwissenschaftliche Untersuchungen, dass der positive Effekt von Headis für die Kondition nachhaltiger ist als beim Tischtennis und an das physisch weit anspruchsvollere Badminton heranreicht.
 


Trotz des englisch klingenden Namens ist Headis ein Produkt made in Germany. Sind Turniere dann rein innerdeutsche Veranstaltungen?

Fischer: Auch jenseits der Landesgrenzen findet Headis immer mehr Anhänger, von Spanien und Frankreich bis nach Belgien, England und Tschechien. Seit Jahren werden auch Weltmeisterschaften ausgetragen, das letzte Mal im August 2014 in Kaiserslautern, und dort symbolträchtig im Fritz-Walter-Stadion. Mich persönlich hat der Headis-Virus vor einem Jahr gepackt, jetzt fahre ich gut einmal im Monat zu einem Turnier. Auf der Weltrangliste rangiere ich momentan auf Platz 70, aber ich hoffe, dass ich 2015 den Sprung in die Top 30 schaffe.

 
Headis in Hamburg
Infos zu Turnieren im Headis
 
 
Bodenkontakt nach jedem Volley
 Der Name ist eine Kombination aus dem englischen "head" (zu deutsch: Kopf) und den beiden Schlussbuchstaben von Tennis. Der Funsport Headis verbindet miteinander das Kopfballspiel des Fußballs, die taktischen Elemente des Tennis sowie die Bein- und Laufarbeit des Tischtennis.
Der Ball wird zum Anschlag mit der Hand geworfen und danach nur noch mit dem Kopf touchiert. Ein direktes Kontern gegnerischer Bälle per Volleykopfball ist erlaubt. Außerdem darf die Platte mit allen Körperteilen berührt werden. Allerdings muss nach jedem Volleykopfball ein Teil des Körpers wieder Bodenkontakt haben, um zu verhindern, dass die betreffenden Spielteilnehmer einfach auf der Platte liegen bleiben und womöglich aus dieser Position weitermachen.
Pro Match werden zwei Gewinnsätze ausgetragen. Um ein Set für sich zu entscheiden, muss ein Teilnehmer als erster 11 Punkte schaffen. Haben beide Spieler 10 Punkte geholt, setzt sich derjenige durch, der mit zwei Punkten Vorsprung in Führung geht.
 

Zurück  |