Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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FUSSBALLBÜCHER
Tablett mit vier Bieren
Christoph Schröder ist Woche für Woche auf den Amateurplätzen Hessens unterwegs. Sein Buch "Ich pfeife!" ist weit mehr als eine gelungene Beschreibung des weithin unbekannten Paralleluniversums der Amateurschiedsrichter. Von Matthias Greulich.

 

"Ich pfeife!" von Christoph Schröder

 

Über der Kabine war das Raunen und Stampfen der Zuschauer zu hören. Christoph Schröder lief mit der ersten Mannschaft von Darmstadt 98 von dort auf den Rasen des Böllenfalltors – als Schiedsrichter. Viele Jahre zuvor, am 24. März 1979, hatte er dort als Fünfjähriger sein erstes Bundesligaspiel gesehen. Die „Lilien“ verloren gegen den späteren Meister Hamburger SV mit 1:2, es wurde vom inzwischen verstorbenen Wolf-Dieter Ahlenfelder geleitet. Der volksnahe Schiri aus Oberhausen hatte seine Auftritte an der Pfeife genossen, die Geschichte wie er in Bremen ein Spiel 13 Minuten zu früh abgepfiffen hatte, gehört längst zum Legeninventar der Liga.

Schröder hat den Bundesliga-Wiederaufsteiger Darmstadt viele Jahre später gepfiffen, als sie zwischenzeitlich nur noch viertklassig in der Hessenliga spielten. Von den Reisen in die hessische Provinz erzählt Schröders „Ich pfeife! Aus dem Leben eines Amateurschiedsrichters“. Dort, wo die Linien mitunter nicht mehr zu erkennen sind und es vorkommen kann, dass aus den Duschen der abbruchreifen Kabine kein Wasser mehr kommt. Davon, warum sich die Schiedsrichter diese Reisen, bei denen sie regelmäßig ihren ganze Sonntag opfern, antun erzählt dieses Buch.

Fußball ohne Schiedsrichter ist nicht denkbar, dennoch müssen sie kübelweise Kritik ertragen. Was die Trainer in der Bundesliga am Samstag vormachen wiederholt sich am Sonntag auf den Amateurplätzen. Eingeleitet mit dem Songtext „Was hat dich bloß so ruiniert“ der Sterne macht sich der Autor Gedanken über Jürgen Klopp, den er in früheren Frankfurter Jahren persönlich kennengelernt hatte: „Er war ein freundlicher Mensch mit gutem Humor und grundsätzlich vorbildlichem Verhalten auf dem Platz, wenn auch mit einer Tendenz zu cholerischen Ausbrüchen.“ Schröder fragt: „Was ist passiert mit diesem freundlichen, witzigen Jürgen Klopp, dass er 90 Minuten lang mit grimmigen Gesicht an der Seitenlinie an der Seitenlinie herumtobt?“ Schröder glaubt, dass sich Rolle und Berufsbild der Trainer grundsätzlich gewandelt hätten. Sie seien zum großen Teil keine Fußballintellektuellen mehr, sondern  „Anzünder, Brennstoff, Motivatoren“, die ihr Feuer an die Mannschaft, das Umfeld und Publikum weitergeben.

Es ist die Stärke des Buches, dass hier einer, der das Spiel ebenso liebt, wie alle anderen Beteiligten solche und andere Gedanken aufgeschrieben hat. Dadurch ist es wesentlich mehr als die Beschreibung des weitgehend unbekannten Paralleluniversums, in dem sich Schiedsrichter zwischen Ansetzungen, Beobachtungen, Cooper-Test, Diagonalband (die imaginäre Linie zwischen dem rechten Strafraumeck auf der einen und dem linken Strafraumeck auf der anderen Spielfeldseite, auf der sich die Referees im Spiel idealerweise aufhalten) und dem richtigen Umgang mit Fehlentscheidungen bewegen. „Ich pfeife!“ beschreibt anschaulich einige Fehlentwicklungen im Amateurfußball, wo auch Spieler eines Siebtligisten in jeder Saison bei einem anderen Klub anheuern und die Aggressivität untereinander zugenommen hat. Es ist ein Buch, dass auch Nicht-Schiedsrichter gerne lesen werden.

Und was die Motivation betrifft, die Sporttasche mit der Pfeife immer wieder zu packen, schildert Christoph Schröder ein denkwürdiges Spiel in Bad Soden, das er erst anpfeifen konnte, nachdem ein Gewittersturm vorbeigezogen war. Kein bösartiges Spiel, „aber ein Spiel auf Messers Schneide, in dem ungemein viele Entscheidungen getroffen werden müssen“. Als das Schiedsrichtergespann nach einer sehr guten Leistung nach dem Duschen in die Vereinsgaststätte einbog, gab es einen Moment, der auch Wolf-Dieter Ahlenfelder Freude gemacht hätte. „Der Trainer der Heimmannschaft kommt zu uns mit einem Tablett, auf dem vier Biere stehen. Er will nicht über Entscheidungen diskutieren. Er will nur mit uns anstoßen, auf das Spiel auf diesen Tag.“

 

ICH PFEIFE!: Aus dem Leben eines Amateurschiedsrichters
Tropen Verlag, 224 Seiten, 16,95 Euro
ISBN-10: 3608503323

RUND-Wertung vier von vier Bällen

Christoph Schröder ist seit 27 Jahren Fußballschiedsrichter. Wenn er gerade einmal nicht auf dem Fußballplatz steht und ein Spiel pfeift, ist er freier Autor und Literaturkritiker, unter anderem für DIE ZEIT, Frankfurter Rundschau, SZ und den Berliner Tagesspiegel.

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