INTERVIEW
„Elefanten merken sich alles“
Fedor Radmann war der Strippenzieher der nun im Fokus der Ermittler stehenden deutschen WM-Bewerbung. Im Herbst 2005 hat RUND den damals 61-Jährigen zum Gespräch getroffen. Interview Matthias Greulich und Markus Völker, Fotos Özgür Albayrak

 

Fedor Radmann
Fedor Radmann. Foto Özgür Albayrak. 

 

RUND: Herr Radmann, worum geht es bei Ihrer zweiten Welttournee mit Franz Beckenbauer?
Fedor Radmann: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, alle 31 qualifizierten WM-Nationen zu besuchen. Wir beglückwünschen sie vor Ort, übergeben die FIFA-Einladung, informieren sie, beantworten Fragen.

RUND: Sie sind schon einmal um die Welt gereist, um die WM nach Deutschland zu holen. Dieses Mal müssen Sie nicht mehr der Elefant sein, der Schneisen durch das Dickicht schlägt, wie Ihre Lobbyarbeit einmal bezeichnet worden ist.
Fedor Radmann: Die Reise hat einen anderen Charakter. Deswegen ist sie nicht vergleichbar mit der ersten. Bei der standen wir unter großem Druck, unter Erfolgszwang. Wir wollten was. In diesen zwei harten Jahren haben wir auch persönlich sehr viel gelernt, lernen dürfen, und vieles erfahren, was wir sonst vielleicht nie erfahren hätten. Hätte uns der Staatschef in Mali sonst empfangen? Wann haben Franz Beckenbauer und ich Gelegenheit, mit solch einem beeindruckenden Menschen zu sprechen?

RUND: Wie sieht die Arbeitsteilung des Duos Franz Beckenbauer und Fedor Radmann aus?
Fedor Radmann: Ich muss die politische Situation der Länder sehr gut kennen. Wir sind in einem konstruktiven Austausch mit dem Auswärtigen Amt, das uns über die Botschaften zuarbeitet, sonst könnten wir das alleine gar nicht so schnell stemmen. Auch das Wirtschaftliche ist mehr mein Part. Dass wir ordentlich vorbereitet sind, versteht sich von selbst. Auch das ist meine Aufgabe.

RUND: Wie ist Ihr Verhältnis zu Franz Beckenbauer?
Fedor Radmann: Extrem angenehm. Ich hatte noch nie einen solchen Reisepartner. Wir haben im Flugzeug immer nebeneinander geschlafen und gegessen – er hat meist mehr geschlafen als ich, während ich etwas für den nächsten Tag vorbereitet habe. In so einer Situation muss es Zeiten geben, wo man den anderen in Ruhe lässt. Das muss man merken. Da hatten wir nicht ein einziges Mal eine kritische Situation. Das ist schon außergewöhnlich.

RUND: Haben Sie je daran gezweifelt, die WM holen zu können?
Fedor Radmann: Wir waren die Außenminister, die Fußball-Außenminister. Und wir haben fest daran geglaubt, dass wir es packen, auch wenn es am Anfang nicht danach aussah. Wir waren ein kleines Team, aber verdammt effektiv.

Ihre Rolle wurde als die des Schattenmanns bezeichnet.
Fedor Radmann: Ich war im Adidas-Konzern für die internationalen Beziehungen und Promotion zuständig. Da habe ich mitgekriegt, was weltweit läuft. So hat sich das alles eingeschlichen mit dem Schattenmann, Strippenzieher, dem Strategen und Taktiker. Das ist ja alles nicht ganz falsch. Nur frage ich Sie: Wie wollen Sie eine Weltmeisterschaft in dieses Land holen, wenn Sie diese Möglichkeiten nicht haben? Ohne Kontakte brauchen Sie gar nicht anzutreten. So schaut die Wahrheit aus.

RUND: Von Ihnen sagte Gerhard Mayer-Vorfelder, Sie seien ein begnadeter Netzwerker.
Fedor Radmann: Das ist übertrieben. Ich bewege mich in diesem Feld seit über 30 Jahren. Ich habe begonnen unter Willi Daume. Das war ein wirklicher Lehrer für mich. Und ich habe nirgends verbrannte Erde hinterlassen, habe alle Verträge eingehalten, auch Absprachen per Handschlag. So ist rund um den Erdball ein Netz entstanden, mit vielen guten Bekannten, gar Freunden, auf die man sich verlassen kann.

RUND: Warum ist man im Fußball auf Netzwerke angewiesen?
Fedor Radmann: Das ist überall so. Das ist in der olympischen Bewegung nicht anders, in der Wirtschaft und in der Kultur auch; im Prinzip ist das in allen Bereichen so.

RUND: Beim Kulturprogramm werden Sie nicht als Schattenmann wahrgenommen. Ist das ein Widerspruch?
Fedor Radmann: Nein, ich bin ja - jetzt muss ich schauen, was ich bin - Berater des Präsidiums und Beauftragter für Kunst, Kultur und Tourismus. Das heißt, hier wirke ich auch operativ.

RUND: Als Vizepräsident des Organisationskomitees sind Sie nach öffentlicher Kritik zurückgetreten.
Fedor Radmann: Als wir damals das OK so konstruiert haben und Franz Beckenbauer Präsident werden sollte, da habe ich vielleicht den Fehler gemacht, dass ich mich überreden ließ, einen Vizepräsidenten zu machen. Ich bin kein Verbandsmensch. Ich komme aus der freien Wirtschaft, da geht es nach anderen Kriterien zu als in Verbänden. Im Prinzip müsste ich einigen Herren bei der „Süddeutschen Zeitung“ und woanders dankbar sein, dass sie mich - nach meiner Auffassung nach wie vor völlig unberechtigt - kritisiert haben.

RUND: Warum halten Sie die Kritik für ungerechtfertigt?
Fedor Radmann: Kritisiert wurden zwei Beraterverträge, einer mit Adidas und einer mit der Kirch-Gruppe. Mit Adidas bin ich seit über 20 Jahren verbunden. Es gab auch keinen Widerspruch, weil der DFB und die Fifa ebenfalls mit Adidas verbunden sind. Der Beratervertrag mit der Kirch-Gruppe existierte schon gar nicht mehr. Es war eine lockere Zusammenarbeit, vielleicht auch ein bisschen Dank für meine Leistungen bei der Bewerbung. Das Einzige, was man mir vorwarf, war, dass ich als Vizepräsident des OK der Öffentlichkeit diese Beraterverträge hätte kenntlich machen müssen.

RUND: Wie wurde Ihre Idee des WM-Kulturprogramms auf den Weg gebracht?
Fedor Radmann: Nach dem Zuschlag für Deutschland habe ich mit meinen Freunden vom OK-Präsidium gesprochen, dann wurde über Otto Schily der Bundeskanzler eingebunden. FIFA-Präsident Sepp Blatter wurde eingeladen. Im Haus von  André Heller in Gardone am Gardasee waren der Bundeskanzler, Otto Schily,  Sepp Blatter, André Heller, Franz Beckenbauer und meine Wenigkeit. In diesem Haus wurde die Saat gesetzt, wenn Sie so wollen.

 

Fedor RadmannFedor Radmann. Foto Özgür Albayrak

 

RUND: Was muss ein WM-Kunst- und Kulturprogramm leisten?
Fedor Radmann: Es sind 48 Projekte ausgewählt worden, darüber bin ich extrem glücklich. Ich sage heute voraus, dass wir großartige Erfolge haben werden, dass wir mittlere Ergebnisse haben werden und vielleicht die eine oder andere Pleite. Das ist aber ganz normal in so einem Bereich. Aber wenn Sie sich das Programm anschauen, sehen Sie, dass alle Felder sauber berücksichtigt wurden, ob es Tanz, Theater, Film, Darstellende Kunst oder Musik ist.

RUND: Ursprünglich sollten es nur 30 Projekte werden. Ist das Programm ausgeufert?
Fedor Radmann: Bei fast 400 Vorschlägen war die Auswahl schon schwierig. Aber ich bekenne mich gerne zu dem Ergebnis.

RUND: Kann der Etat überhaupt eingehalten werden?
Fedor Radmann: Wir sind voll im Budget. Darauf wird auch streng geachtet.

RUND: Wozu braucht die Öffentlichkeit so ein üppiges Kulturprogramm?
Fedor Radmann: Der Fußball hat neue Gesellschaftsschichten erreicht. Wie sehr sich die Klientel verändert hat, sehen wir ja schon. Wir wollen der Welt zeigen, welche kulturelle Vielfalt Deutschland hat. Dass wir ein modernes, aufgeschlossenes Land sind. Dass wir uns auch an Dinge trauen, die man uns gar nicht zugetraut hätte. Schauen Sie sich zum Beispiel die Schlusspräsentation der Bewerbung an: Wir haben da einen Film von André Heller gezeigt: ,Die Alpträume des Franz B.‘ Darüber haben 2000 Journalisten im Pressezentrum aufrichtig gelacht. Alle haben gesagt: Die Deutschen veräppeln sich ja selbst, die haben Humor und Selbstironie. Das hat uns gut getan. Denn bis dato waren wir ja nicht unbedingt als die größten Humoristen bekannt. Diesem Image haben wir entgegengewirkt, und wir werden dem auch weiter entgegenwirken.

RUND: Unter anderem mit den Smileys, die das WM-Logo zieren.
Fedor Radmann: Erst einmal hat sich niemand wirklich damit befasst, was wir wollten, bevor die Kritiklawine über die armen Kerle hereinbrach. Als Reaktion haben sich elf Professoren und Agenturinhaber zusammengetan und ihre Entwürfe in Berlin präsentiert. Dagegen ist unser Logo der lachenden Gesichter ein Traum. Wenn ich bei den elf Vorschlägen etwas gesehen hätte, das um Längen besser als unseres gewesen wäre, dann hätte ich den Kopf eingezogen. Aber was da präsentiert wurde, war an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten.

RUND: Sie arbeiten offenbar gerne mit der Agentur Abold zusammen, die mit der Entwicklung des WM-Logos beauftragt wurde. Zuletzt saßen Sie in der Jury, als Abold gemeinsam mit der Agentur C+C durch die Deutsche Zentrale für Tourismus den Zuschlag für die Freundlichkeits- und Servicekampagne der WM bekam.
Fedor Radmann: Richtig ist, dass ich mit der Agentur Abold schon einige Male sehr erfolgreich zusammengearbeitet habe. Wir haben aber wirtschaftlich nie etwas miteinander zu tun gehabt. Abold hat sich immer ordentlich bewerben müssen. Mal kam er dran, mal kam er nicht dran, wenn andere billiger oder besser waren. Das ist völlig normal.

Ist die in den Medien als „Zuschlag unter Freunden“ kritisierte Vergabe dieses Drei-Millionen-Etats Ihrer Meinung nach korrekt gelaufen?
Fedor Radmann: Wir waren 13 Leute in der Jury. Zehnmal waren Abold und sein Partner auf Platz eins, dreimal auf Platz zwei. In der Jury waren Vertreter von ADAC, der Bahn, Vertreter der Städte, der Länder. Das waren Profis. Wahrscheinlich hatte jeder mit einer der beteiligten Agenturen schon einmal zu tun gehabt. Wenn man das kritisiert, hätten alle heimgehen müssen.

RUND: Sie haben die Selbstironie der Bewerbung erwähnt. Sind Sie persönlich selbstironisch?
Fedor Radmann: Ich nehme mich nicht so ernst. Und vielleicht liegt mir auch so ein wenig die Antreiberei, wie man bei uns in Berchtesgaden sagt: Den Leuten irgendwas zu erzählen und dann sagen, jetzt bist schön reingefallen. Das ist bei uns immer ein großer Spaß.

Ihr heimliches Wappentier, der Elefant, den Sie auf Krawatten tragen und silbern in ihren Manschettenknöpfen, ist aber nicht als schelmisches Wesen bekannt.
Fedor Radmann: Das sind meine Lieblingstiere. Meine Beschützer und Glücksbringer. Ich mag sie furchtbar gern. Ich durfte sogar mal beim thailändischen König zwei weiße Tiere anschauen. Und Elefanten merken sich viel. Es kann passieren, dass sie nach 30 Jahren ein Dorf niedertrampeln, wo sie schlecht behandelt wurden.

 

Der Text ist in RUND – #5_12_ 2005 erschienen.

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