BUNDESLIGA
Demontage, Pfiffe und Liebeskenntnisse
Trainer Dieter Hecking lässt Kapitän Diego Benaglio ohne Angabe von Gründen draußen. Nach sieben Spielen siegt Wolfsburg beim HSV, der trotz der Niederlage vorzeitig den Klassenerhalt schafft und Fanliebling Ivica Olic würdig verabschiedet. Von Matthias Greulich, Hamburg.

 

Ivica Olic gegen Koen CasteelsSein letztes Bundesligaspiel im Volkspark: Ivica Olic (HSV) gegen Koen Casteels (Wolfsburg). Foto Pixathlon

 

Der Kapitän ohne Kapitänsbinde umkurvte die Journalisten, denen sein Konkurrent Koen Casteels gerade Interviews gab. Obwohl der VfL Wolfsburg durch das 1:0 beim Hamburger SV nach seit sieben sieglosen Spielen wieder gewonnen hatte, blickte Diego Benaglio auf dem Weg mit leerem Gesicht in Richtung Kabinentür. Erstmals seit achteinhalb Jahren musste sich Diego Benaglio ein Bundesligaspiel des VfL auf der Ersatzbank ansehen. „War eben so!“, sagte Dieter Hecking norddeutsch einsilbig, als er auf der Pressekonferenz nach dem unangekündigten Wechsel im Tor gefragt wurde.

Nicht nur das Schweizer Boulevardblatt „Blick“ deutete die Demontage des Nationalkeepers als Zeichen für den bevorstehenden Abschied Benaglios aus Niedersachsen. Der 32-Jährige könnte angeblich in die Premier League wechseln, oder wie vom Boulevard favorisiert („Komm heim, Diego!“) zu seinem Stammverein Grashoppers Zürich.

Einen ganz anderen Abschied bereitete der HSV seinem Publikumsliebling Ivica Olic, 36. Nach etwas einer Stunde sprintete der Einwechselspieler auf das Signal von Co-Trainer, Eddy Sözer vom Aufwärmprogramm an der Torauslinie zur Bank. Sözer umarmte Olic, als er auf der Taktiktafel die Laufwege zeigte. Als der Angreifer, 51 Tore in 143 Bundesligaspielen für die Hamburger, schließlich für Pierre-Michel Lasogga den Rasen betrat, wurde es erstmals laut an diesem frühlingshaft warmen Nachmittag im Volkspark. Olic sprintete ins Sturmzentrum, während das Stadion „Ivi“,  „Ivi“, rief und sich man sich auf den teueren Plätzen vom Sitzkissen erhob.

Ein Schuss des Kroaten zog von links an Casteels vorbei, verfehlte das Tor deutlich (71. Minute). Es wäre zu schön gewesen, denn auch in Wolfsburg hatte Olic Erfolge gefeiert.

Stattdessen traf Luiz Gustavo aus kurzer Distanz für die Gäste zwei Minuten später. „Mit der zweiten Hälfte war ich absolut einverstanden“, so Hecking, dessen Mannschaft mit einigen Angriffen über den zur Pause eingewechselten Daniel Caligiuri gefährlich vor das erneut von Jaroslav Drobny gehütete HSV-Tor (René Adler fehlte mit Beckenprellung) gekommen waren.

Die HSV-Fans pfiffen ihr Team nach dem Schlusspfiff des guten Schiedsrichters Benjamin Brand kräftig aus. „Wir hätten uns gerne mit einem Heimsieg verabschiedet, aber uns hat über 90 Minuten der Punch gefehlt“, so Trainer Bruno Labbadia.

Die HSV-Fans hörten erst auf zu pfeifen, als Vorstandschef Dietmar Beierrsdorfer das Mikrophon in die Hand nahm und Olic verabschiedete: „Wir danken dir von ganzem Herzen. Der HSV und die Fans werden dich für immer lieben!“ Blumen und Lobeshymnen gab es auch noch für den nicht minder beliebten Letten Artjoms Rudnevs, 28, der den Rautenklub ebenfalls verlassen muss.

Dass es zur Verabschiedung der HSV-Helden nach dem Schlusspfiffkam, hatten die Profis dem Spielplangestalter zu verdanken: da Werder Bremen (16.) und Eintracht Frankfurt (15.) am Sonnabend gegeneinander spielen, können beide nicht mehr gleichzeitig zu den auf Rang 14 stehenden Hamburgern aufschließen. Der Dinosaurier bleibt demnach trotz Pfiffen weiter erstklasssig, nachdem er sich bekanntermaßen in den vergangenen beiden Spielzeiten als 16. durch die Relegation gegen den Dritten der Zweiten Liga gezittert hatte. Wäre der HSV nicht gerettet gewesen, hätte es zu diesem Zeitpunkt keinen Abschied gegeben, hatte Bruno Labbadia zuvor bekanntgegeben.

 

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