INTERVIEW
Hansi Flick: "So einfach ist das eben nicht!"
Nach der 0:1-Niederlage der U19-Auswahl des DFB gegen Italien analysiert Sportdirektor Hansi Flick. Interview Giovanni Deriu, Stuttgart. Außerdem: Frankreich verliert 1:2 gegen England in Heidenheim.

 

Hansi Flick Hansi Flick, DFB-Sportdirektor. Foto Pixathlon

 

RUND: Herr Flick, wie haben Sie das Spiel gesehen?
Hansi Flick: Nun, beide Teams sind ans Limit gegangen. Unsere Mannschaft hat sehr viel für das Spiel getan, nur die Chancenauswertung war der Makel im Spiel. Da muss im nächsten Spiel der Knoten platzen.

RUND: Etwa vergleichbar mit unserer Nationalmannschaft in Frankreich?
Hansi Flick (lächelt): Man gewinnt nur mit Toren, und das muss eben besser werden. Die Italiener haben uns das Leben auch schwer gemacht. Wenn eine Mannschaft wie wir, das Spiel macht und bestimmend ist, dann sollte natürlich mehr herausspringen. Aber vom Willen und Einsatz hat alles gepasst …

RUND: Aber es ist doch schon wie bei den Profis, fast augenscheinlich, die deutsche U19 spielt wie die A-Mannschaft, und genauso die Italiener, die dicht gestaffelt mit zwei Viererketten aufrückten. Muss man nicht da hinkommen, so zu trainieren, dass solche Abwehrbollwerke ausgespielt werden können?
Hansi Flick: Ja, das diskutieren und analysieren wir auch immer, wie schafft man es am besten, solche Abwehrblöcke auseinander zu reißen, sie spielerisch zu umgehen. Da muss das Hauptaugenmerk auch hin. Nur, die Italiener machen das ja auch hervorragend, so einfach ist das eben nicht, das weiß jeder, der auf diesem Level gespielt hat.

Klicken Sie hier, um ein Interview mit Hansi Flick aus dem Jahr 2006 zu lesen.

 

U19-Europameisterschaft in Deutschland, Spitzenspiel der Gruppe B:

Frankreich gegen England 1:2 (1:2)  im Albstadion Heidenheim

Weit und breit kein Griezmann bei Frankreich

Von Giovanni Deriu, Heidenheim. Welch ein Kontrast zum Vortag. Eine ausverkaufte Stuttgarter Arena zur Eröffnung der U19-Europameisterschaft, knapp 55.000 Zuschauer feuerten Deutschland gegen Italien an. Und heuer abends um halbacht gerade einmal 2.500 Zuschauer im Heidenheimer Albstadion, der Arena des FC Heidenheims in der 2. Bundesliga. In Stuttgart zig Schulklassen aus dem „Ländle“, in Heidenheim beinahe mehr Scouts, Spielerberater und Trainer denn Fans.

Das hatten beide Juniorenteams eigentlich nicht verdient. Zählt doch Frankreich gegen England stets zum Klassiker in der Fußballhistorie. Vielleicht lag es aber auch am Wetter, das von den Engländern bestellt zu sein schien, nasskalt und windig. Immerhin wurden vor dem Match zahlreiche Papierflaggen beider Nationen verteilt, so kam zumindest ein wenig Farbe und Wettbewerbscharakter ins Spiel.

Jedenfalls wurde es den Franzosen gleich ganz heiß, so setzte das Team der Three-Lions, England, die Junioren des Vize-Europameisters unter Druck. Die standen noch nicht ganz sortiert auf dem Platz, da zappelte der Ball bereits nach 3 Minuten im Tor von Paul Bernardoni. Wir hatten nach der scharfen flachen Hereingabe von Oluwaseyi Ojo(FC Liverpool) Joshua Onomah als Schützen notiert, die Uefa aber gab ein Eigentor zum 0:1 aus Sicht der Franzosen bekannt: Clément Michelin soll den Ball ins Tor bugsiert haben.

Es kam aber noch dicker: die Engländer um Dominic Solanke, ein athletischer Stürmer von Chelsea London, immerhin schon mit Champions-League-Einsatz, machten so viel Druck, dass die Franzosen kaum hinterher kamen. Isaiah Brown und Joshua Onomah (Tottenham, auch mit Einsatz in der Europa-League) setzten immer wieder Solanke ein, die Engländer hatten von Coach Aidy Boothroyd ein 4-3-3-System als Vorgabe mitbekommen. Das fruchtete: 9. Minute, das 2:0 für England. Solanke wurde über rechts freigespielt, lief auf den Torwart zu, und tunnelte diesen eiskalt. Staunen bei den Fachleuten auf der Tribüne.

DFB-Sportdirektor Hansi Flick war ebenso vor Ort, wie der ehemalige HSV und 1860 München-Sportdirektor Oliver Kreuzer und Peter Knäbel – letzterer wirkte gelöst, den Rucksack endlich abgestreift. Der Juniorenfußball interessierte Knäbel schon immer, und ein paar Trainer wie Frank Leicht, zuletzt bei der U19 von RB Leipzig an der Linie, sowie die Heidenheimer Juniorentrainer waren auch dabei, um das Spiel zu analysieren. Das war der Auftrag von NLZ-Leiter und U19-Coach Bernhard Raab, im Rahmen der internen Trainerfortbildung beim FC Heidenheim.

Der freiberufliche DFB-Scout und ehemalige FCH-Trainer, Mario Brandl, brachte es später auf den Punkt: „Die Franzosen waren in der Anfangsphase vogelwild in der Defensive, ohne Ordnung, die kam erst später rein. Die Engländer spielten sehr diszipliniert und körperbetont aber fair.“

Interessant auch, dass nebst dem englischen Cheftrainer ein Assistent als Außenläufer hinter der Werbebande immer wieder Anweisungen aufs Spielfeld rief, und die Spieler aufs „Offside“ aufmerksam machte.

Erst nach etwa 25 Minuten bekamen die Franzosen Ruhe in ihr Spiel, und der viel gepriesene Jean-Kévin Augustin von PSG, wo er feste Einsätze im Profiteam hat, erhielt mehr Aktionsradius, weil Trainer Ludovic Batelli, ein ehemaliger Torwart, das Mittelfeld stärkte (von einem 4-4-2 auf ein 3-5-2-System). Außerdem, es fehlt den jungen Franzosen zwar ein Spieler wie Griezmann bei den Profis, aber sehr gut spielte zudem Amine Harit (FC Nantes), sehr filigran, technisch auf hohem Niveau und immer mit dem Auge für Mitspieler. Amin Harit setzte Augustin oft gekonnt in Szene, versteckte Passgassen öffnete Harit (Nummer 14 im Match). Die Belohnung folgte: Harit mit einem gefühlvoll geschlenzten Freistoß in den Strafraum, und Augustin verlängerte artistisch über den Keeper hinweg.
1:2 nur noch nach einer halben Stunde.

Nach der Pause versuchten die Engländer abermals ein aggressives Pressing, und die Franzosen suchten Wege sich zu befreien. Irgendwann ließen die Kräfte bei beiden Juniorenteams nach, eingewechselt wurde Tammy Abraham, der für die Engländer alles klar machen hätte können, doch er scheiterte am Keeper der Franzosen, und Amin Harit ließ gleich drei Engländer mit eleganten Körpertäuschungen im Lauf stehen, zielte aber haarscharf am langen Pfosten vorbei. Juniorentrainer Frank Leicht meinte: „Beide Teams agieren mit unglaublicher Physis und individueller Qualität“, taktisch jedoch nicht immer auf dem höchsten Niveau.

Marcus Thuram, dessen Vater Lilian selbst bekannter Profi und Welt- wie Europameister war, kam auch ins Spiel, konnte aber keine Akzente mehr setzen. So verloren die Franzosen letztendlich verdient gegen mutig aufspielende Engländer, die den Sieg unbedingt nach Hause fahren wollten, und das merkte man auch in den vier Minuten der Nachspielzeit, denn es verteidigten dann alle gemeinsam, bereits im Mittelfeld wurde um jeden Ball gekämpft.

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