TIPPEN
Wetten auf Fußballspiele – Es kommt oft anders, als man denkt
Italien verliert gegen Irland 0:1, Island gewinnt gegen Österreich und England 2:1, das waren Ergebnisse bei der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich, mit denen kaum jemand gerechnet hat. Solche Spielausgänge machen den Tippern regelmäßig das Leben schwer und lassen die Kassen der Sportwettenanbieter klingeln. Welche Informationen den Spielausgang beeinflussen, wird aktuell in einer Studie von Wissenschaftlern der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität erforscht. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Aber die Vermutung liegt nahe, dass dem Thema auch wissenschaftlich nicht beizukommen ist.

1, X und 2 sind die Abkürzungen für Heimsieg, Unentschieden und AuswärtssiegWetten auf Fußballspiele ist ein großes Hobby nicht nur der Deutschen. Experten schätzen, dass die Wetteinsätze auf dem deutschen Sportwettenmarkt 2016 mehr als fünf Milliarden Euro betragen werden. Foto: Sever Oprisan – 164764148 / Shutterstock.com

 

Sachverstand kontra Bauchgefühl - Wer ist der bessere Tipper?

Auf fast jede Sportart lassen sich heute einfach, bequem und von Zuhause aus Wetten platzieren. Die beliebteste Sportart ist natürlich König Fußball. Fußball-Wetten sind mit großem Abstand die Bestseller der Sportwettenanbieter. Ob die Entscheidung über Sieg, Unentschieden oder Niederlage mit Sachverstand oder einfach nur aus dem Bauch heraus getroffen mehr Erfolg verspricht, das herauszufinden, hatte sich vor der Fußball-Europameisterschaft eine Gruppe von Wissenschaftlern der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz vorgenommen. Das Institut für Publizistik unter Führung von Dr. Jörg Haßler wollte den Fragen auf den Grund gehen, welche Tipp-Strategien am erfolgversprechendsten sind und warum eine Mannschaft gewonnen hat. Dafür initiierten die Wissenschaftler ein Tippspiel zur EURO 2016, bei dem mehr als 300 Tipperinnen und Tipper teilgenommen haben. Begleitet wurde das Projekt von Befragungen vor, während und nach der Europameisterschaft. Derzeit sind die Wissenschaftler noch mit der Auswertung beschäftigt. Erste Ergebnisse sollen bereits Ende August bekannt gegeben werden. Mit der Veröffentlichung der gesamten Studienergebnisse wird im Herbst 2016 gerechnet.

Der Laie hat dem Fachmann das Nichtwissen voraus

Eine Tatsache ist aber schon bekannt: Bisherige Studien zu diesem Thema haben gezeigt, dass die Experten in der Regel nicht besser tippen als die Laien. Laien verlassen sich bei ihrem Tipp auf ganz andere Informationen als die akribischen Analysten. Da kann die Größe des Landes ebenso eine Rolle spielen wie die Frisuren der Spieler. Dass die höhere Spielstärke auf dem Papier kein Garant für einen Sieg ist, hat vor allem das isländische Team in Frankreich gezeigt. Auf Portugal als Europameister hätten sicher auch die wenigsten getippt. Nützt wirklich aller Sachverstand nichts und ist das Tippen ausschließlich eine Sache des Zufalls und Glücks? Die Vermutung liegt nahe, wenn Dr. Jörg Haßler sagt: „Man kann quasi sagen, die Laien entscheiden aus dem Bauch heraus. Das kann beim Tippen von Siegern oder Verlierern schon genügen."

Experten sind laut Projektmitglied Markus Schäfer eigentlich nur dann im Vorteil, wenn die Regeln der Tipp-Abgabe sehr komplex sind. Wenn das Tippspiel zum Beispiel nur vorsieht, die Tendenz zu tippen (Sieg/Niederlage/Unentschieden) sind die Unterschiede zwischen Experten und Laien deutlich geringer. Wenn das richtige Ergebnis getippt werden muss oder gar noch komplexere Dinge, beispielsweise welcher Spieler schießt das Tor oder welche Mannschaft hat mehr Ballbesitz, sind Experten deutlicher im Vorteil, weil sie auf ihre Informationen zurückgreifen können. So jedenfalls der aktuelle Stand der Forschung. Da bei Sportwettenanbietern lediglich die Tendenz vorausgesagt werden muss, haben also auch Laien keinen Nachteil gegenüber den Experten. Der Grund dafür ist simpel: Experten ziehen oft Informationen zu Rate, die für den Ausgang des Spiels nicht oder nur wenig relevant sind. Insbesondere sind das die Spielergebnisse der Vergangenheit. Da sich aber die Konstellationen vor jedem Spiel ändern kann, sind Ergebnisse der Vergangenheit nicht sehr aussagekräftig. Gerade bei einem Turnier spielen andere Faktoren eine wichtigere Rolle:

– Der Modus: Ist die Mannschaft bei einer Niederlage definitiv ausgeschieden und reicht vielleicht auch ein Unentschieden fürs Weiterkommen?

– Die Motivation: Starke Gegner können schwächere unterschätzen. Auf der anderen Seite können auf dem Papier schwächere Teams über sich hinauswachsen.

Erwartungsdruck von Fans und Medien: Eine Mannschaft kann dem Erwartungsdruck nicht standhalten (Brasilien bei der WM 2014) oder wird von der Aussicht auf einen Sensationssieg beflügelt (Island bei der EM 2016).

 

Die Uni Mainz hat ihren Fokus bei der Studie vor allem auf sozial- und kommunikationswissenschaftliche Aspekte gelegt. Dabei werden quantitative und qualitative empirische Methoden wie Befragung, Beobachtung oder Inhaltsanalyse angewendet, die der Logik des kritischen Rationalismus folgen. Ob ein Fußball-Gott verantwortlich für den Ausgang der Spiele ist, wird also außer Acht gelassen. Man darf gespannt darauf sein, ob die Studie zu Ergebnissen kommt, die Aufschluss darüber geben, welche Arten von Informationen bei der Tipp-Entscheidung wirklich hilfreich sein können. Das wäre dann das Arkanum aller Sportwetter und die Buchmacher müssten sich in Zukunft warm anziehen.

Fakten zum Thema Sportwetten

Im Jahre 2015 ergab eine repräsentative Umfrage von mehr als 7.000 Befragten, dass hochgerechnet 3,06 Millionen Menschen im Internet Sportwetten abgeschlossen haben. Zielgruppe der Befragung war dabei die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahre in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung. Das bedeutete eine Steigerung um 22,4 Prozent zum Vorjahr, als nur etwa 2,5 Millionen die Dienste der Online Buchmacher in Anspruch nahmen.

Unter der ständigen Zunahme der Sportwettenanbieter auf dem deutschen Markt hatte vor allem die staatliche Marke ODDSET des Deutschen Lotto- und Totoblocks zu leiden. Hier gingen die Umsätze von 511 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 158,9 Millionen im Jahr 2014 zurück. Drei wesentliche Gründe waren dafür verantwortlich:

     – Einführung von Wettausweisen

     – Kombinationszwang sorgt für wenige Gewinner

     – angebotene Quoten sind tendenziell niedriger im Vergleich zu Buchmacherquoten

Statista.com schätzt den Umsatz des Spiel-, Wett- und Lotteriewesens (ohne Kasinos) für das Jahr 2020 allein in den USA auf rund 9,56 Milliarden Euro.

 : Die Wetteinsätze auf dem deutschen und globalen Sportwettenmarkt werden von Jahr zu Jahr größer

Infografik zur Entwicklung der Wetteinsätze in Deutschland und weltweit. Quelle: eigene Darstellung

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