BUCH
„Jürgen Klopp lebt das Spiel“
Von RUND-Autoren: Die von Elmar Neveling herausgegebene Jürgen-Klopp-Biographie wurde in sechs Sprachen übersetzt. Der Dortmunder Autor über die aktualisierte Neuauflage „Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen.“

 Jürgen KloppWeltweites Interesse: Jürgen Klopps Biographie interessiert Fans in vielen Ländern. Foto Pixathlon

 

Ein Buchgeschäft in der Liverpooler Innenstadt im vergangenen Jahr. Der Buchhändler hat im Erdgeschoss einen Tisch mit Fußballliteratur aufgestellt und mit den Vereinswappen von Everton und den Reds beklebt. Dort liegen hüfthoch gestapelte Werke von Steven Gerrard, Didi Hamann und ganz rechts noch zwei Exemplare von „Jurgen Klopp. The Biographie“ einträchtig nebeneinander. Der deutsche Trainer ist in der Arbeiterstadt an der Mersey weiter populär. Aber auch in Japan, Polen und den Niederlanden wurde die von Elmar Neveling herausgegebene Klopp Biographie in die jeweilige Landessprache übersetzt.

 

RUND: Herr Neveling, Ihr Buch wurde in sechs Sprachen übersetzt. Zwei weitere sind in Vorbereitung. Wodurch erklärt sich dieses globale Interesse an Jürgen Klopp?
Elmar Neveling: Viele hat es begeistert, wie Klopp aus dem Durchschnittsteam, das Borussia Dortmund 2008 noch besaß, binnen fünf Jahren einen Deutschen Meister, Pokalsieger und Champions-League-Finalisten formte – und das auf eine menschlich wie sportlich sehr unterhaltsame Art und Weise. Klopps Teams, und zuweilen auch er selbst, bieten dem Zuschauer Spektakel. Das will er sehen, deshalb kommt er ins Stadion. Durch seinen Wechsel nach Liverpool im Herbst 2015 ist das Interesse dann nochmal sprunghaft angestiegen. Die Premier League ist die meistgesehene Fußball-Liga der Welt, ihre globale Vermarktung den europäischen Konkurrenzligen weit voraus.

Den FC Liverpool umgibt nach den sportlich glorreichen 1970er- und 1980er-Jahren mit sechs Europacup-Siegen immer noch ein besonderer Mythos. Obwohl längst auch in Investorenbesitz, gilt er noch immer als Arbeiterklub, bei dem ehrlicher, leidenschaftlicher Fußball gespielt wird. Wie schon zum BVB, passt Jürgen Klopp auch zu den „Reds“ wunderbar. Hier kann er sein, wie er ist. Diese ideale Kombination fasziniert, dazu Klopps vor Charme, Leidenschaft und Eloquenz überbordende Persönlichkeit. Ein Menschenfänger, der fast jeden für sich einzunehmen versteht, gepaart mit einem hohen Unterhaltungswert. Über diesen Typen möchte man einfach mehr wissen.

Sie haben für die Neuauflage unter anderem mit Neven Subotic über das Verhältnis zu seinem ehemaligen Trainer in Dortmund gesprochen. Was sagt Subotic über Klopp?
Subotic ist seinem Förderer bis heute ausgesprochen dankbar. Klopp nahm ihn 2008 mit aus Mainz zum BVB und bewies einen ungeheuren Mut, indem er nach den Routiniers Robert Kovac und Christian Wörns mit den beiden erst 19-jährigen Mats Hummels und Neven Subotic auf die damals jüngste Innenverteidigung der Liga setzte – in der Öffentlichkeit teils als „Kinderriegel“ verspottet. Doch der Erfolg gab ihm Recht. Auch ein Jahrzehnt später schwärmt Subotic noch immer von seinem ehemaligen Trainer und lobt insbesondere dessen menschliche Qualitäten, wenn er sagt: „Jürgen Klopp kann einfach sehr gut mit Menschen umgehen und holt das Beste aus ihrem Potenzial heraus. Er bringt jedem eine hohe Wertschätzung entgegen, ganz egal, ob Fan, Zeugwart oder Starspieler. Der Respekt ist immer da.“

Für Subotic erfüllt Klopp die Kernaufgabe eines Trainers, nämlich jeden Spieler besser zu machen, par excellence. Er schließt mit seinen Spielern einen unausgesprochenen Vertrag, indem er erwartet, dass sie ihm dieses Vertrauen zurückgeben. Und das funktioniert, wie Subotic betont: „In der Tat rennt jeder für Klopp und gibt sein Bestes auf dem Platz, um ihn nicht zu enttäuschen.“ In besonderer Erinnerung geblieben ist Subotic die emotionale Verabschiedung aus Mainz im Mai 2008: „Nicht nur er selbst, sondern auch die Menschen auf dem Gutenbergplatz haben bei seiner Abschiedsrede geweint – so sehr war er ihnen ans Herz gewachsen.“

 

Elmar NevelingElmar Neveling, Jahrgang 1976, ist freier Fußball- und Wirtschaftsautor. Der Diplom-Kaufmann schreibt unter anderem für das offizielle Bundesliga Magazin, die Ruhr Nachrichten und RUND

 

Sie leben in Dortmund. Wie ist es um das Verhältnis des BVB mit seinem ehemaligen Erfolgstrainer bestellt: Nach dem Aufeinandertreffen im Halbfinale der Europa League, bei dem Liverpool ins Finale einzog, wurden atmosphärische Störungen des einst harmonischen Verhältnisses gemeldet.
Unmittelbar nach dem Rückspiel-Drama in Anfield reagierten einige BVB-Anhänger wenig begeistert, als Klopp, nachdem er ausgiebig mit den Liverpool-Fans gefeiert hatte, sich in Richtung Gästefanblock begab, um auch den Dortmundern zuzuwinken. Es war aber auch eine besondere Situation: Unmittelbar zuvor hatte Liverpool ein 1:3 im Schlussakt noch in ein 4:3 verwandelt und Dortmund in letzter Minute aus der Europa League geworfen. Klopp hatte diesen Erfolg, der für seine Akzeptanz in Liverpool enorm wichtig war, ähnlich wie in Dortmund das legendäre 3:3 nach 0:3-Rückstand im ersten Derby 2008 gegen Schalke 04, in seiner euphorischen Art gefeiert. Für die BVB-Fans war es natürlich ein Stich in ihr ohnehin schon blutendes Herz, dass ihnen ausgerechnet ihr früherer Liebling diese Pein bereitet hatte. Wie im echten Leben können eben auch im Fußball nach inniger Liebe die Gefühle bei einer Trennung komplett umschlagen. Nach inzwischen fast zwei Jahren hat sich die Gefühlslage aber wieder beruhigt. Sollte Klopp eines Tages allerdings beim FC Bayern landen, dann könnten beim Wiedersehen durchaus wieder atmosphärische Störungen entstehen …

Wie bewerten Sie den Beitrag des ehemaligen Mainzers an der Modernisierung des deutschen Fußballs?
Sehr hoch, da er die visionären Ideen seines Mentors und Trainer-Vorbilds Wolfgang Frank aufgenommen und fortgeführt hat. Ein Vordenker, der gerade aus seiner Mainz Zeit als Pionier der Viererkette im deutschen Profifußball in Erinnerung bleibt. Klopp nahm die Ideen Franks von Raumdeckung und Tempofußball auf und entwickelte aus ihnen mit der Zeit seine eigene Spielphilosophie. Neven Subotic hat es in unserem Gespräch gut beschrieben: „Klopp hat den Fußball in Deutschland geprägt. Das konsequente Gegenpressing, die hohe Laufleistung, die er verlangte, das war in dieser Form neu. In Dortmund legte er großen Wert auf ein junges Team, das seine laufintensive Vorstellung vom Fußball ein ganzes Spiel über durchziehen konnte.“ So wurde zu seiner BVB-Zeit der Begriff „Vollgas-Veranstaltung“ prägend – passend zu seinem emotional-aufschäumenden Charakter und stilbildend auch für andere Teams.

Sie beschreiben, wie Klopp die Mannschaft taktisch zur überraschenden deutschen Meisterschaft 2011 geführt hat. Glauben Sie, dass ihm in Liverpool ähnliches gelingen kann?
In Dortmund gelang ihm dieser Erfolg in seiner dritten Saison. Mit Liverpool spielt er gerade ebenfalls seine dritte Saison, auch keine schlechte, doch Manchester City ist derzeit das Maß aller Dinge in der Premier League. Zur kommenden Saison wird Klopp den Abstand zur Spitze zumindest verkürzen müssen, denn sein bisheriger Punkteschnitt über knapp zweieinhalb Jahre ist vergleichbar mit dem seines geschassten Vorgängers Brendan Rodgers. Wenn „Pool“ im Sommer endlich seine Schwachstellen im Kader löst, dürfen die Fans von der ersten Meisterschaft seit 1990 zumindest träumen: Ein Torwart von internationalem Niveau, ein Ersatz für den nach Barcelona gewechselten Coutinho, bisher das Herzstück der Liverpooler Offensive, dazu noch weitere echte Verstärkung für die anfällige Defensive. Zusammen mit dem gerade verpflichteten Innenverteidiger Virgil van Dijk und ab Sommer Leipzigs Mittelfeldspieler Naby Keita wäre das eine schlagkräftige Truppe. Da Klopp prinzipiell lieber Spieler entwickelt statt „fertige“ zu kaufen, wird er bei den Transfers weniger nach Namen sondern mehr nach Potenzial entscheiden. Was dann noch fehlt, ist ein durchschlagendes Konzept gegen defensiv eingestellte Teams, gegen die sich Liverpool oft deutlich schwerer tut als gegen mitspielende Spitzenmannschaften.

In Liverpool scheint Jürgen Klopp mit seiner Persönlichkeit die Fans immer noch mitzureißen, wie Elvis Costello im RUND-Interview berichtete. Was fasziniert die Anhänger an der Persönlichkeit des Trainers?
Kaum jemand lebt den Fußball an der Seitenlinie so, wie Jürgen Klopp es tut. Er scheint das Spiel wie ein Fan zu verfolgen, und nicht wie ein Offizieller. Es schert ihn nicht, was andere über ihn denken. Klopp ist Teil des Spiels, er lebt es. Das ist keine Show, sondern ehrliche Begeisterung und Liebe zum Spiel. Diesen unverstellten Blick lieben die Fans an ihm. Sie erkennen sich in ihm wieder und fühlen, „das ist einer von uns“. „Authentisch“ ist ein arg strapaziertes Wort, aber bei Jürgen Klopp passt es.

 

Buchcover: Elmar Neveling: Jürgen Klopp »Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen. «

Elmar Neveling (Herausgeber): Jürgen Klopp. »Wenn wir schon mal hier sind, können wir doch eigentlich auch ein bisschen Fußball spielen.« mit Beiträgen von Matthias Greulich, Roger Repplinger und Saban Uzun

5. aktualisierte und erweiterte Neuauflage, 328 Seiten 19,90 Euro
ISBN: 978-3-7679-1223-6

 

 

 

 

 

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