ITALIEN
Ewig grüßt das argentinische Murmeltier
Inter Mailand: Das schwierige "Kind" Mauro Icardi. Von Giovanni Deriu.

Mauro IcardiJubel nach einem Tor für Inter: Mauro Icardi. Foto Pixathlon

 

Mailand, eigentlich die Stadt der Alta Moda und der Fußball-Erfolge, mit dem AC Milan und INTER sind gleich zwei Traditionsclubs in der lombardischen Metropole, beschäftigt sich momentan eher mit einem Fußball-Pärchen. Das liegt wohl auch daran, weil weder der AC noch Inter Mailand, Juventus den Titel streitig machen können. Die Erfolge der beiden Mailänder Clubs, ganz weit weg - tempi passati.

Immerhin, das Team von Trainer Luciano Spalletti, den nerazzurri, hätte vielleicht besser und erfolgreicher sein können. Lang genug galt Internazionale als Juventus-Jäger neben Napoli, doch just um die kältere Jahreszeit und zum Jahreswechsel, stellte der argentinische Topstürmer, Mauro Icardi (25), das Toreschießen ein. Andere Flausen hat er im Kopf, weil Berater und Agenten mal wieder Offerten machten und einholten. Das Wintertransferfenster stand weit offen, und Icardis Agent und Berater(in) selbst, nämlich seine charmante wie gutaussehende Ehefrau, Wanda Nara (31), das ehemalige Model, kokettierte am offenen Fenster mit Angeboten internationaler Clubs. Da reagierten die Inter-Funktionäre sowie die chinesische Führung leicht verschnupft. Inter, so heißt es immer, halte familiäre Werte ganz hoch. Treue zu zeigen, sei wichtig, auch für die Fans.

Trainer Luciano Spalletti brachte Icardis Formschwankungen auf den Punkt: "Er beschäftigt sich mit zu vielen anderen Dingen. Mauro ist für uns wichtig", jedoch nur, wenn er den Kopf ganz frei habe, fügte Spalletti, ein Verfechter des Offensivfußballs, hinzu.

Ja, der Kopf des Mauro Icardi, ist so eine Sache. Fast alljährlich, nimmt sich Mauro Icardi diese "Auszeit", seine Tage, wie Spötter meinen, bei denen der Star mit seinen Allüren dem Club wohl mehrere wichtige Punkte kostete. So langsam aber sicher, reißt auch der Geduldsfaden bei den Fans von Inter, wo die "tifoseria", sowieso absolut gespalten ist. Ein Teil hält noch zum bekanntesten Argentinier hinter Messi, doch die heißblütigen Ultras, würden Icardi mit seiner Gossip-Frau, am liebsten zum Mond schießen.

Stand derzeit: Spalletti nahm ihm konsequenterweise die Kapitänsbinde weg, Keeper Handanovic führt das Team nun an, Icardi wiederum zog sich schmollend zurück. War nicht im Uefa-Euro-League-Match bei Rapid Wien dabei, und daheim gegen Sampdoria auch nur auf der Tribüne (2:1, Tor durch Nainggolan).

Tratsch und Gossip dann live im italienischen Fernsehen, als die blondierte Ehefrau Wanda, vor dem Publikum Tränchen verdrückte. Das machte wohl Eindruck, Sport-Direktor Marotta (ehemals Juventus), in der Sendung anrief, zugeschaltet wurde, und versuchte, die Frau, Fans und Dinge, zu beruhigen: "Wir zählen selbstverständlich auf Mauro, nur manchmal müsse man ein schwieriges Kind und Verhältnis eben mit harten Maßnahmen korrigieren...". Auch das fast unter Inters Würde. Klar, Icardis Tore fehlen. Und, interessierte Clubs nehmen bei so vielen Querelen auch Abstand. Mit Icardi kauft man sich Tore, holt sich aber auch Unruhen ins Haus.

Wir blicken zurück, vor gerade einmal zwei Jahren, Frank de Boer wurde Coach bei Inter, und scheiterte schnell am Verein, und am lustlosen Stürmer.
Schon damals zog er den Hass des harten Fankerns auf sich.

Zu allem Überfluss, und gerade mal 23 Jahre alt, erschien eine Autobiographie von bzw. über Mauro Icardi. Spötter fragten sich, was hat Icardi eigentlich bisher schon erreicht?

Er gilt als Schönling und sehr berechnend. Aus Barcelonas Jugendakademie kommend, weil er dort nicht zur Spielweise Barcas passte, verbrachte er seine Zeit bei Sampdoria Genua, wechselte dann aber zu Inter, wo er unbedingt Champions League spielen wollte. Zu Saisonbeginn meinte er ganz ernst, er könne sich auch einen weiteren Wechsel vorstellen, wenn die Champions League nicht erreicht würde.

So macht man sich Freunde! Und das bei einem Salär von 100 Millionen Euro für fünf Jahre. Die Tifosi der Curva Nord haben ihn so richtig im Visier, „Streife Deine Kapitänsbinde ab, Du bist nicht unser Kapitän“, war noch das Freundlichste aus der Kurve. Damals. Die Binde nahm ihm nun Spalletti ab.

In einem Match, gegen Caglari, verschoss Icardi auch noch sinnbildlich für die Inter-Krise einen Elfer.

Was aber gar nicht geht, ist, wenn sich ein 23-jähriger Profispieler in einer Autobiografie über die eigenen Fans auslässt, und diese gar zu einem Duell, Mann gegen Mann auffordert.

Das Buch, das viele schlichtweg lächerlich und nichtssagen finden, weil Icardi einfach zu jung sei, ließ damals bis heute alles eskalieren. Es beruhigte sich stets die Lage, wenn Icardi traf. Auch gegen Juve, doch die Fans trauen ihm kaum noch. Und in Argentiniens Elf schafft es Icardi auch nur sporadisch. In Russland 2018 zur WM durfte (wollte?) er nicht mit.

Mauro Icardi wollte wohl mit seiner Biografie, "Sempre Avanti", immer vorwärts, und seiner Herkunft aus Argentiniens Slums, Eindruck schinden, welch harter Bursche er doch sei. Pöbele man gegen ihn, wie in der Vorsaison gegen Sassuolo, müsse er nur seine Freunde und Verwandte aus Argentinien rufen, so steht es im Buch, er freue sich auf einen Kampf Mann-gegen-Mann.

Der harte Kern der tifoseria versammelte sich mit Spruchbändern vor Icardis Villa und sang Sprechchöre, „Wir sind hier und warten auf Deine Freunde“, es blieb aber alles friedlich, wie Icardis Frau den Medien mitteilte.

Inzwischen rudert der argentinische Stürmer gehörig zurück, und ist um schnellen Frieden bemüht. Gegen die Inter-Fans kommt man auf Dauer nie an. Er solle sich aufs Toreschießen konzentrieren, so ein Fansprecher. Ein paar erzielte Icardi ja auch, nur reichten diese in letzter Zeit nie. Der Achtungserfolg gegen Juventus? Schon verpufft.

Viele tifosi flüchten in Ironie. Nachdem sich Icardi auch noch etwas despektierlich über die Legende Diego Maradona äußerte, der vor zwei Jahren in Italien für ein Benefizspiel weilte (gerufen von Papst Franziskus!), spotteten die Fans nur noch über Icardi. Ausgerechnet Maradona, noch heute zählt Diego als Legende zu den Besten, und ist in Italien Club übergreifend ein Mythos! Keine Ehre, keinen Respekt, sangen die Tifosi in der Kurve. Gegen Icardi.

Man nimmt Icardi und dessen Ehefrau einfach so lange nimmer ernst, so lange sich die Lage bei Inter nicht wieder bessert, und der Argentinier einfach wieder besser spielt und sich mit den Fans aufrichtig aussöhnt.

Kein leichtes Unterfangen für Coach Luciano Spalletti, der fast ausschließlich als Psychologe gefragt ist.
Die Saison wäre gegebenenfalls noch mit einem Titel in der Europa-League zu retten. Für Spalletti steht nämlich schon Antonio Conte bereit.

Für Icardi heißt das in Zukunft, wie kurz diese auch sein mag bei Inter, „Ab sofort bitte schweigen, oder das Gehirn vor Betätigung des Mundwerks“ einschalten.
Das Fanlager ist gespalten, in Pro und Contra Icardi. Nur Tore und ein einwandfreies Verhalten retten ihn auf Dauer. Sein Verhalten scheint fast noch wichtiger zu sein...


RUND-Autor Giovanni Deriu, Kenner der Serie A, beschreibt und analysiert Biografien.

 

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