Fussball-Theater
Mario Baslers "One-Man-Show"
Der einzige Champions-League-Sieger der Bayern 1999 und seine Ansage an Oliver Kahn. Von Giovanni Deriu.

Mario Basler und Jogi Löw"Bin vor der WM in Russland selber zurückgetreten": Mario Basler und Jogi Löw. Foto Pixathlon

 

Waren es nun 300 oder gar 500 Zuschauer? Sei's drum, es ist auch überhaupt nicht die Frage für einen (Fußball-)Künstler, der einst vor 80.000 Zuschauern spielte. Jedenfalls war das Stuttgarter Theaterhaus am Pragsattel restlos ausverkauft. Von beiden Tribünen blickte man hinunter auf das Spielfeld des Mario Basler, das jetzt nicht mehr aus Gras besteht.

Was für ein Theater! Dafür war Mario Basler ja schon als Kicker und Nationalspieler bekannt. Das waren vielleicht noch Zeiten, die 1980er- und 1990er-Jahre.

Damals, ja damals, zu Zeiten von Oli Kahn und Reck, beide Keeper waren auch ehemalige Mannschaftskameraden bei Werder Bremen und den Bayern, genauso wie Lothar Matthäus (der "Beste", eine Maschine, mit dem Basler je spielte), oder Uli Borowka ("der Dicke"), Thorsten Legat ("der rechts von links" schwer unterscheiden konnte), sowie Jürgen Klinsmann ("der Flipper", der den Ball am weitesten stoppen konnte, fast schon ein Pass), und, wer kennt ihn schon, den Namen, Martin Meichelbeck? Nach Erzählung Baslers, der in Jeans und T-Shirt die Bühne unterhält, der seinerzeit schlechteste Gegenspieler (damals beim VfL Bochum). 

Man muß hinzufügen, die Theaterbesucher durften zur Bühnen-Halbzeitpause, via WhatsApp Fragen einreichen, die "Super-Mario" danach mit Anekdoten beantwortete und - ausschmückte. Der VfL Bochum also bei den Bayern in den Katakomben.

Besagter Martin Meichelbeck, "ein Zweimeter-Hüne", zeigte Basler vor einem Spiel seine Stollen und sagte: "Die habe ich für dich angezogen." Huch, so Basler gekonnt theatralisch erschrocken mit seiner Reibeisenstimme, "Den haben sie nach 27 Minuten mit Schwindelanfällen ausgewechselt!" Und das, obwohl jeder weiß, dass er, Basler, nie wirklich viel "gerannt" sei. 

"Fußballstar a. D." Mario Basler, kokettiert mit seiner Lauffaulheit und der damaligen Disziplinlosigkeit von früher. Das kommt gut an, ein Schenkelklopfer nach dem anderen folgt, so glaubhaft von Basler erzählt, Applaus und Zustimmung ohne Ende, als sehne sich das Publikum wieder nach solchen "echten Typen". Mario Basler war und ist einer. Heutzutage seien doch alle Aussagen "weichgespült", wer traue sich denn schon, Tacheles und Klartext zu reden?

Basler nahm schon damals kein Blatt vor den Mund, aber, er lieferte sportlich auch ordentlich ab. Torschützenkönig wurde der ehemalige Nationalspieler und Europameister (1996), über 60 mal traf er in 262 Bundesligaspielen. Freistöße und Fernschüsse, ohne großen Anlauf, waren meist unhaltbar gezirkelt. So auch 1999, in Barcelona. Mario Basler brachte die Bayern unter Ottmar Hitzfeld gegen Manchester United in Führung. Ein unhaltbarer Freistoß für Peter Schmeichel. Hitzfeld nahm Basler in der 89. Minute vom Platz, das Unfassbare geschah: binnen 120 Sekunden in der Nachspielzeit drehten Sheringham und Solskjær das Finale. Der Henkelpott ging an Manchester United.

"Was für ein Fehler von Hitzfeld, mich runter zu nehmen", schmunzelt Basler. Er selbst fühle sich daher als "alleiniger" Champions-League-Gewinner. Die Bayern hatten ja noch geführt, als er runter musste.

Dabei war er selbst gar nicht sicher, vor dem Finale, ob ihn Hitzfeld überhaupt aufstellen würde. Warum? Trainer Hitzfeld nahm Basler übel, dass er trotz mehrerer Ansagen an der Hotelbar mehrere "Gute-Nacht-Bierchen" zu sich nahm, und um 23 Uhr noch nicht im Bett war - einen Abend vor dem Finale!

Das Bier, hören wir heraus, gehörte bei Mario Basler als Grundnahrungsmittel nach getaner Arbeit, dazu - die eine oder andere Zigarette bis heute ("Ist denn schon Halbzeit? Ich muss eine rauchen, der linke Flügel brennt", und klopft sich auf die Brust). 

Das Finale von 99? "Klar, schnell verarbeitet...", noch in der selben Nacht, habe man aus Frust bis in den Morgen gefeiert, Oberkörper frei, und auf dem Tisch habe er getanzt. "Selbst die Manchester-Fans kamen zu uns", da sei noch was los gewesen. Die ManU-Spieler lagen ja "kaputt im Bett".

Auch von Werder Bremen gibt es Anekdoten zuhauf. Um den "Dicken", Uli Borowka ist gemeint, kümmerte sich Basler immer. Borowka war kompakt, und konnte viel vertragen. Nicht nur Bier. Borowka selbst thematisierte vor einigen Jahren seine Alkoholkrankheit. 

Damals wurde es übertüncht und der Kamerad von allen gedeckt. Ausgebüchst auf dem Fahrrad aus dem Hotel, waren Borowka, Basler, Torwart Reck und Gundelach, der Reservekeeper ("der machte drei Spiele in 25 Jahren - unglaublich"). Sie becherten im nahegelegenen Biergarten so einiges weg. "Der Dicke" am meisten. Das Ende der Radtour? Borowka landete mit dem Rad im Graben. Zerkratzt im Gesicht, musste er so zum Frühstück, Basler warnte ihn zwar noch, doch letzendlich verplapperte sich Borowka bei Meistertrainer Otto Rehhagel. Klaro, waren sie noch unterwegs im Biergarten. Prost, auch.

Oder als Borowka einen neuen blauen Porsche an den Baum fuhr. Blau war zur Feier des Tages nicht nur der Sportwagen. Man leistet sich ja einen Porsche nicht alle Tage, dachte sich wohl der Uli. Nur, er entfernte sich auch vom Unfallort und schlief, von der Polizei gesucht, seinen Rausch beim "Nachbarn" Mario aus.

Letztendlich bog damals Manager Willi Lemke das Desaster, wie so oft, wieder gerade. Otto Rehhagel, Ottmar Hitzfeld und Giovanni Trapattoni zählt Basler zu den "Besten" Trainern, die "ich hatte". Fachleute und menschlich, seien sie gewesen. Erich Ribbeck dagegen hat Basler "gefressen". Der beendete Marios Nationalmannschaftskarriere. Dabei, so Basler, "bin ich erst vor kurzem, vor der WM in Russland", selbst zurückgetreten, und er habe es Löw mitgeteilt. Großes Auflachen und Applaus.

Ein Theaterbesucher möchte wissen, wer sei eigentlich bei den Bayern "der Chef in der Kabine" gewesen, Kahn oder "Effe" (gemeint ist Stefan Effenberg)? 

Basler räuspert sich, und meint nur "lächerliche Frage". Der Theatersaal tobt. Abermals Szenenapplaus.

Als Basler zu den Bayern kam, hielt er angeblich in der Kabine gleich eine Ansprache in Richtung Olli Kahn, der in der Vorsaison damals, "hier in Stuttgart", den Andreas Herzog wegen eines Fehlers zu hart gestoßen hatte. Basler zu Kahn, vor allen Teamkameraden: "Hör mal, sowas wie mit dem Andi, traust Du dich bei mir aber bloß nicht. Ich würde noch auf dem Platz zurückschlagen..." Das machte wohl Eindruck.

Tore schoss Mario, und ließ die anderen dafür laufen und trainieren.

Wie teuer, er, Mario, denn heutzutage wäre an Ablöse?
Mario Basler trocken: "Damals, bei Werder, bot Juventus für mich circa 14 Millionen. Das wären heute dann wohl 450 Millionen...", alle lachen und klatschen.

Die zweite Halbzeit ist schon fast um im Theaterhaus Stuttgart. Basler vermeldet brühwarm die VfB-Niederlage in Frankfurt, 0:3 - die Zuschauer klatschen. Mario Basler: "Die Schwoba sind schon komisch...", und punktet wieder.

Dass Thorsten Legat, mit dem sich Basler lange Zeit das Hotelzimmer teilte, anfangs das Bidet für eine zweite Toilette hielt, oder Storys von Mario Baslers Amouren mit einer "kleinen Italienerin" im Hotel, nachdem er frisch getrennt war, und wie Otto Rehhagel dahinter kam, sind weitere Anekdoten aus dem Fußballerleben von Mario Basler.
Und das Motto, dieser Live-Show? "Man sollte auch heute den Fußball nie zu ernst nehmen", denn das Bier wird schneller schal als man denkt.

Giovanni Deriu, RUND-Autor, analysiert Biografien und sucht Geschichten hinter den Ergebnissen.

 

Giovanni Deriu und Mario BaslerDer Autor und die Hauptperson des Abends in Stuttgart



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