KONTROLLE
„Dieses Bier wird beschlagnahmt!“
Einzigartig in Deutschland: Wie Kontrolleure gegen illegale Alkoholverkäufer und Schwarzhändler rund um das Hamburger Volksparkstadion vorgehen. Von Folke Havekost

 HSV, Fußball und kein Dosenbier: Diese neun Paletten werden nicht an durstige Fans verkauft.HSV, Fußball und kein Dosenbier: Diese neun Paletten werden nicht an durstige Fans verkauft. Das Bier wird streng genommen nicht beschlagnahmt, sondern nur sicher gestellt. Foto: fh/Stahlpress

 

Bei HSV-Heimspielen sind Melanie, Nils* und Ninja polizeibekannt. „Ihr schon wieder!“, begrüßt ein Polizist das Trio, als es am Montagabend vor dem Spiel gegen Fürth die Behelfswache am Volksparkstadion betritt. Die Polizei schreitet bei Randalen und Straftaten ein, doch die Drei sind die eigentlichen Ordnungshüter. Sie gehen im Auftrag des Bezirksamts Altona Ordnungswidrigkeiten nach, dem unlizensierten Getränkeverkauf und dem Handel mit Eintrittskarten.

Um 18.25 Uhr kommt HSV-Ordner Maik zum Treffpunkt an der Wache und berichtet von einem jungen Mann mit abgedecktem Einkaufswagen: „Da ist definitiv Bier drunter.“ Die Gruppe nimmt die Fährte auf, an der Bierhalle „Picknick“ entdeckt Maik den Wagenschieber wieder. Der hält aber noch still – keine Chance zum Eingriff. „Wir müssen einen konkreten Verkauf beobachten“, erklärt Nils. Denn Bier in großen Mengen durch den Volkspark spazieren zu fahren, ist zwar absurd, aber nicht verboten.

An der Bushaltestelle Luftbadweg ist es soweit: Gegen 18.50 Uhr schwemmt der Shuttle-Bus Dutzende durstige Kehlen heran. Aus dem Einkaufswagen bietet der Verdächtige die Halbliterdose Holsten für 2,50 Euro feil. Bei einem Einkaufspreis von rund 65 Cent verspricht das – auch ohne Pfand – einen guten Gewinn.

Not today, my friend: Melanie zückt ihren Dienstausweis und stellt den Verkäufer zur Rede. „Kann ich nicht einfach gehen?“, versucht er sich am Rückzug: „Sie sehen mich hier nie wieder!“ Doch bei 162 Dosen in neun Paletten gibt es keine Kulanz – die Personalien werden festgestellt. „Das Bier bleibt ihr Eigentum“, beruhigt Ordner Maik den Verkäufer, den nun ein Bußgeld erwartet – für Ersttäter liegt es bei 100 Euro.

Der Einkaufswagen mit den Paletten wandert in die Asservatenkammer des Bezirksamts Altona. Binnen zehn Tagen kann der verhinderte Verkäufer sie dort abholen, ansonsten wird die Ware vernichtet. Selten landen Fälle sogar vor Gericht: Ein handgreiflicher Getränkeverkäufer wurde jüngst zu 150 Euro Schmerzensgeld verdonnert. Beliebtheitspunkte sammeln die Ordnungshüter nur selten.

„Man wartet nicht unbedingt auf uns“, berichtet Nils: „Ein Fan hat mal gesagt: Alles, was Spaß macht, verderbt ihr uns.“ Die deutschlandweit einzigartige Bezirksamts-Patrouille geht auf eine Initiative der lizensierten Getränkeverkäufer hinter dem S-Bahn-Tunnel Stellingen zurück. „Es gibt genug Leute, die Getränke verkaufen dürfen und dafür Sondernutzungsgebühren bezahlen“, sagt Ninja an einem der Stände an der Grenze zwischen den Bezirken Altona und Eimsbüttel. Hier muss das Trio Halt machen, denn auf der Eimsbütteler Seite hat es keine Eingriffsbefugnis. „Von dort winken uns die Verkäufer fröhlich zu, das ist manchmal schon frustrierend“, sagt Melanie.

Je näher der Anpfiff rückt, desto mehr rückt der Fokus von Melanie, Nils und Ninja auf den illegalen Kartenverkauf. Im Heimspiel gegen Dresden beschlagnahmten sie von einem Anbieter gleich 29 Karten, die allesamt gesperrt waren. Eine Sperre erfolgt etwa, wenn Karten als verloren gemeldet werden. Wer diese Tickets dann in letzter Minute vor dem Stadion kauft, wird am Drehkreuz abgewiesen.
Ein älterer Herr, der seinen Hut mit einer HSV-Krempe verziert hat, bietet vor dem Stadion ein Ticket an. Sein Sohn habe mit Grippe abgesagt, erklärt er und zeigt eine Textnachricht auf seinem Handy. Melanie spricht eine mündliche Verwarnung aus und begleitet ihn zum Stadioneingang. „Der Herr war absolut glaubwürdig“, sagt Melanie später: „Da ziehen wir natürlich keine Karte ein.“

Um 20.05 Uhr gelingt Ninja und Nils ein größerer Fang. An den Nordost-Kassen will ein junger Mann gleich drei Karten loswerden. Nach Aufklärung, Personenfeststellung und Beschlagnahmung darf der Mann mit seiner eigenen Karte ins Stadion. Ihn erwartet ein Bußgeld von 300 Euro, weil er nicht zum ersten Mal erwischt worden ist.

Das Trio zieht derweil weiter zum HSV-Ticketservice, um dem Verein den Missbrauch zu melden. Noch vor dem Anpfiff bestätigt sich der Verdacht: Alle drei Karten sind gesperrt – wer sie gekauft hätte, wäre nicht ins Stadion gekommen. Der HSV entscheidet nun über eine Anzeige wegen Betrugs. „Es ist ein schönes Gefühl, Bürger vor dem Kauf dieser Karten bewahrt zu haben“, sagt Ninja.

* Name von der Redaktion geändert

Zurück  |