LOKALDERBY
Hamburger Stadtmeisterschaft entschieden
Sensation im Volkspark: Der FC St. Pauli gewinnt auch das Rückspiel mit 2:0 gegen den HSV, der das Lokalderby nur in der Anfangsphase dominierte.

 

Fahne des FC St. PauliAn einem Haus in Hamburg-Altona: Fahne des FC St. Pauli. Foto: mg

 

Als Gideon Jung in der 93. Minute ausrutschte, flog der Ball ins Aus und im Hintergrund waren viele blaue Schalensitze leer. Da war das 103. Hamburger Lokalderby zwischen dem HSV und FC St. Pauli bereits gelaufen. Der Stadtrivale vom Millerntor führte 2:0 im Volkspark, so blieb es auch als Schiedsrichter Manuel Gräfe zwei Minuten später im strömenden Regen den Schlusspfiff setzte. St. Paulis Trainer Jos Luhukay, der im Abstiegskampf zueletzt kritisiert worden war, hüpte mit seinem Trainerteam neben der Reservebank um die Wette. Dieter Hecking stand wie versteinert an der Seitenlinie.
 
Wer auf den Sieg des FC St. Pauli in dieser Zweitligapartie gesetzt hatte, durfte sich über eine gute Quoten freuen. Wer zusätzlich noch einen Sportwetten Bonus genutzt hatte, gewann doppelt. Zu deutlich war die Favoritenstellung des Aufstiegsaspirant HSV gewesen. Wie kam es zur großen Überraschung? Die Braun-Weißen waren in der Anfangsphase nervöser als die gastgebenden Rothosen. Sonny Kittel traf mit seinem Schuss die Latte, Joel Pohjanpale den Außenpfosten. Der HSV hätte in der ersten Viertelstunde im ausverkauften Volksparkstadion in Führung gehen müssen.
 
Anschließend erlebte Spiel eine komplett andere Phase, in der St. Paulis Henk Veerman die Wende einleitete. Der 2,01 Meter lange Niederländer war von seinem Landsmann Rick van Drongelen nicht aufzuhalten und traf zum 0:1. Da waren 20 Minuten gespielt und es waren im Volkspark nur noch die Gesänge der St. Pauli-Fans zu hören. Neun Minuten später kam es noch dicker für den HSV: Matthew Penney erzielte mit einem gut platzierten Linksschuss den Halbzeitstand zum 0:2.
 
Zur Pause gab es statt Pfiffen laute "HSV"-Rufe von den eigenen Fans für die rotbehosten Profis, die es aber nach dem Seitenwechsel nicht schafften, das Spiel zu drehen. Das mögliche 0:3 durch Rico Benatelli hatte Gräfe nach Rücksprache mit dem Videoschiedsrichter zurückgenommen (67. Spielminute). Ryo Miyaichi stand im Abseits und hatte Daniel Heuer-Fernandes die Sicht genommen. Gleiches passierte dem möglichen Anschlusstreffer durch Lukas Hinterseer. Pohjanpalo hatte den Ball unmittelbar zuvor mit der Hand berührt, der Treffer galt nicht.
 
Auf der LED-Bande war anschließend die Botschaft "Love Hamburg. Hate Racism" zu lesen. Das ganze Stadion hatte vor dem Anpfiff der Opfer von Hanau mit einer Schweigeminute gedacht. In Hamburg, wo morgen die einzige reguläre Landtagswahl des Jahres stattfindet, wurde der Wahlkampf am Donnerstag ausgesetzt. Der zweite Derbysieg des FC St. Pauli in einer Saison – das Hinspiel war im September ein 2:0-Heimsieg am Millerntor gewesen – geriet in den Hintergrund. Statistiker hatten zwar heraus gefunden, dass zwei Saisonderbysiege den Braun-Weißen zuletzt in der Oberligaspielzeit 1953/54 gelungen waren, doch in der Stadt gab es viele, die denken, dass es momentan Wichtigeres als solche Zahlenspiele gibt.
 
 

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