SCHWEIZ
Aufstieg und Niedergang von Profoot
Andy Egli war ein kantiger Verteidiger bei den Grasshoppers Zürich und beim BVB. 1991 wollte der Nationalspieler mehr Solidarität unter den Profis erreichen. Zur kurzen Geschichte einer schweizerischen Fußballgewerkschaft. Von Fabian Brändle

 

Andy Egli, Günter Kutowski und Bernd StorckTorjubel im Westfalenstadion am 30. März 1985: Andy Egli (Mitte), Günter Kutowski (li.) und Bernd Storck (alle BVB). Foto Imago/Kicker/Liedel

 

Profisportler stehen nicht im Gerücht, besonders solidarisch mit ihren Mitsportlern zu sein. Sie seien Egoisten, heisst es allenthalben, geldgeil, materialistisch, Millionäre, nur auf Porsche und Villa mit Pool und Supermodel bedacht. Dann und wann kommen sogar Forderungen nach einer Lohnobergrenze auf, nach einem „Maximum“, wie es die Französische Revolution in den frühen 1790er-Jahren gekannt hat. Und manchmal singen die Ultras auf den Stehrampen: „Scheiss Millionäre“.

Der großgewachsene, athletische, kantige schweizerische Verteidiger Andy Egli, Sohn eines sozialdemokratischen Arbeiters aus dem Kanton Thurgau (Amriswil) und Profi bei den Grasshoppers Zürich und beim BVB, 77 Länderspiele, widersetzte sich diesem negativen Image vehement und versuchte, zunächst durchaus erfolgreich, im Jahre 1991 eine schweizerische Fussballerprofigewerkschaft aufzubauen. Er nannte seine Gewerkschaft auf gut Neudeutsch „Profoot“.

Andy Egli konnte auf einer älteren, losen Interessensgemeinschaft um den ehemaligen Servettien und „secondo“ Lucio Bizzini aufbauen und band bald viele Mitglieder an die neue, moderne Gewerkschaft. Bald waren immerhin über 300 Fussballer Mitglieder der Gewerkschaft. „Profoot“ versprach Rechtsschutz bei Gerichtsverhandungen, ordentliche Verträge, wollte auch einen fairen Lohn für weniger bekannte Fussballer in der damaligen Nationalliga B (heute „Challenge League“( durchsetzen. Die allmächtigen Klubbosse schalteten und walteten nämlich damals beinahe nach Belieben. Manche wirtschafteten schlecht, so dass gewisse Clubs wie der eigentlich ziemlich erfolgreiche FC Wettingen (Europapokalabenteuer gegen Maradonas Napoli mit denkbar knappem Ausscheiden) sogar Konkurs gingen. Leidtragende waren dann natürlich die Aktiven sowie die bedaernswerten  Klubangestellten, die Lohn und Brot verloren, arbeislos wurden. „Profoot“ engagierte sich, indem ein benefizspiel mit promonenten Kickern zugunsten es FC Wettingen durchgeführt wurde.

Das Jahr 1994 brachte dann eine Sternstunde für denlange Jahrzehnte darbenden Schweizer Fussball: Erstmals seit 24 Jahren, seit England 1966, war nämlich eine Qualifikation zu einer Fussballweltmeisterschaft geschafft worden, und dies erst noch in einer ässerst starken Gruppe mit Italien, Portugal und dem damals och kompetitiven Schottland. Andy Egli und seine „Profoot“ nutzten die im Land exponentiell anwachsende Popularität des Fussballs resolut aus und starteten weitere erfolgreiche Imagekampagnen, organisierten auch eine „Gala des Schweizer Fussballs“ live auf fernsehen SF DRS, lockten noch mehr Mitglieder (beinahe 500) an, radikalisierten die Forderungen, lancierten ein attraktives Pressemagazin, wollten ein Netz an versierten Anwälten und spezialisierten Physiotherapeuten aufbauen. Dies alles hattte indessen seinen gehörigen Preis. Sponsoren konnten trotz des erheblichen finanziellen Aufwandes keine namhaften geworben werden, so dass bereits der Pleitegeier über „Profoot“ kreiste. Zudem verweigerten die damalige Nationalliga und der schweizerische Fussballverband (SFV) „Profoot“ hartnäckig die Anerkennung als Sozialpartner. Die Clubpräsidenten witterten nun Lunte und agitierten gemeinsam mit dem rechtspopulistischen Boulevardblatt „Blick“ gegen die in ihren Augen unbotmässige Vertretung der Angestellten von „links“. Warum sollte man mit Millionären solidarisch sein, fragte sich auch mancher gutgläubige Eidgenosse. Die gehässig geführte mediale Kampagne zeitigte bald Früchte. Namentlich der rechtskatholische Präsident des FC Sitten Fernand Luisier, ein Zeitungsmagnat, und sein Captain, Libero und Nationalspieler Alain Geiger, machten sich als Gewerkschaftsschrecks einen Namen. Die Nationalspieler, in einer eigenen, eher elitären Organisation namens „Swissfoot“ zusammengefasst, kochten zudem ihr eigenes Süppchen, zeigten sich wenig solidarisch mit ihren weit ärmeren und unbekannteren Kollegen in der mittleren und unteren Nationalliga B, die sehr schlecht verdienten und der Allgewalt der Clubbosse  mehr oder weniger chancenlos ausgeliefert waren.

Andy Egli und seine Mitstreiter planten als Reaktion auf diese Rückschläge nichts weniger als einen Streik, der mehr oder weniger sang- und klanglos scheiterte, auch am entschlossenen Widerstand Luisiers und Geigers. Daraufhin trat „Profoot“ dem „Schweizerischen Gewerkschaftsbund“ bei, teilweise gegen den Widerstand traditionell denkender Gewerkschafter, die in den neureichen Profis ebenfalls pauschal Millionäre und nicht hart arbeitende, seriöse und klassenbewusste „Malocher“ erblickten.

Nun ging „Profoot“ das Geld trotz aller verzweifelten Rettungsversuche schnell aus. Die bescheidenen Mitgliederbeiträge von einigen hundert Franken und die schwache Mitgliederbasis (neben Fussballern hätten auch Eishockeyspieler oder Wintersportler und Handballer rekrutiert werden können) reichten bei Weitem nicht mehr aus, um das Budget zu decken. Nun ging alles sehr schnell.

 

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