Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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DFB-TRIKOT
Wortloser Klassenfeind
Lothar Kurbjuweit hat 66 Länderspiele für die DDR gemacht. Darunter war auch das 1:0 gegen die BRD bei der WM 1974. Noch heute hängt das Trikot von Uli Hoeneß in seinem Kleiderschrank. Doch als er es Jahre später vom Bayern-Manager signieren ließ, wunderte er sich. Von Christoph Ruf

Trikot von 1974 DDR - BRD
Stilleben mit Leibchen: das einstige Trikot von Uli
Hoeneß über einer Thüringer Stuhllehne Foto Michael Danner



Im Grunde fing alles mit einem Akt zivilen Ungehorsams an. Ohne den hinge Uli Hoeneß’ Trikot heute jedenfalls nicht in einem Kleiderschrank im Thüringischen. Schließlich war es der DDR-Auswahl streng verboten, nach dem 1:0-Triumph gegen die vermeintlich übermächtige BRD mit den Klassenfeinden aus dem Westen überhaupt die Leibchen zu tauschen. Lothar Kurbjuweit erinnert sich sogar an einen regelrechten „Tumult“ im Kabinentrakt, als der erste Spieler im Überschwang der Emotionen dennoch sein Trikot auszog und es wild entschlossen einem westdeutschen Spieler hinhielt.

Kurz darauf hatten auch die verknöcherten Funktionäre ein Einsehen, bestanden aber darauf, dass der anarchische Textilwechsel in geordneten Bahnen, beziehungsweise Wäschekörben vonstatten zu gehen habe. In die schmissen die DDR-Spieler ihre Hemden, kurz darauf wurden in einem anderen Korb die Trikots der Westdeutschen hereingebracht. Und Abwehrmann Kurbjuweit hielt das Erinnerungsstück an einen Gegenspieler in der Hand, mit dem er während des Spiels kein einziges Wort gewechselt hatte. Von Uli Hoeneß weiß er auch nach dem Wiedersehen im vergangenen Jahr nicht, ob er im Gegenzug ein Trikot eines DDR-Spielers an sich genommen hat: „Ehrlich gesagt glaube ich aber nicht, dass die so großen Wert darauf gelegt haben.“

Das haben sie wahrscheinlich wirklich nicht, schließlich waren auch die westdeutschen Kicker Kinder ihrer Zeit. Und damals, mitten im Kalten Krieg, lernte man im Westen, dass Gott, der Herr, nichts Schlimmeres kenne auf Erden als den Sozialismus und mithin die DDR. Kein Wunder, dass sich Kurbjuweit in jeder Sekunde des Turniers daran erinnern lassen musste, dass er einzig und alleine als Repräsentant eines verhassten Landes angesehen wurde. Auch wenn kaum einer seiner Mitspieler in Ekstase geriet, wenn die alternden DDR-Funktionäre sie mal wieder ermahnten, als „Diplomaten im Trainingsanzug“ müssten sie die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung auch auf dem Platz dokumentieren.

Doch dort wurde allenfalls wechselseitiges Desinteresse dokumentiert. „Das war eine ganz befremdliche Atmosphäre, die konnten mit uns nichts anfangen und wir nichts mit denen. Wir hatten uns weniger zu sagen, als wenn es gegen Rumänien gegangen wäre.“ Als von den Rängen vieltausendfach „Ulbricht-Schweine raus“ geschrieen wurde, obwohl der zu der Zeit schon tot war, traf das den 66-fachen Nationalspieler aber doch: „Ich dachte mir nur, verflucht noch mal, was kann ich denn dafür?“

Irgendwann wurde es dann auch auf dem Platz laut, denn das Spiel verlief ganz anders, als sich die siegessicheren Westdeutschen es erhofft hatten. Kurbjuweit und seine Mitspieler wurden von Minute zu Minute selbstsicherer: „Wir waren so ehrfürchtig, als wir Overath und Netzer neben uns auf dem Platz gesehen haben, aber ...“ Kurbjuweit hält kurz inne. Einen guten Tag scheinen die Stars jedenfalls nicht erwischt zu haben: „Die Westspieler haben sich angeschrieen, da waren Äußerungen dabei, das war für uns undenkbar“, wundert sich Kurbjuweit noch 31 Jahre nach der Partie.

Allerdings sei damals vieles zusammen gekommen, „was uns in die Karten gespielt hat“. Noch im Hotel habe man vom Unentschieden zwischen Chile und Australien erfahren: „Wir waren also bereits in der Zwischenrunde und konnten befreit aufspielen“ So mancher hatte auch eine Rechnung mit der „Bild“-Zeitung offen. Die hatte noch am Morgen des Spiels („Warum wir heute gewinnen“) großmäulig festgestellt, die BRD sei auf zehn von elf Positionen besser besetzt. Kurbjuweit nahm es als zusätzliche Motivation. „Es gab dann eine Busfahrt vom Hotel ins Stadion, während der gesungen und gegrölt wurde.“ Ein paar Stunden später traf Sparwasser. Und Kurbjuweit bekam das Trikot seines Gegenspielers, der an diesem Tag nicht viel hinbekommen hatte.

Letztes Jahr, beim Empfang zum 30-jährigen Jubiläum des geschichtsträchtigen Spiels, hat Kurbjuweit das Textil dann signieren lassen. Nach dem Empfang im Münchner Rathaus und dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Und nach der Begrüßung durch Franz Beckenbauer – „eine Persönlichkeit, auch wenn’s abgedroschen klingt“ –, der jedem DDR-Nationalspieler samt Gattin die Hand gegeben habe. Irgendwann, in einer Pause zwischen den Gängen, ist Kurbjuweit dann „einfach so rübergegangen“, zu dem Mann, den er eher ehrfürchtig denn vertraut „den Uli“ nennt. Und den er sich offenbar nicht getraut hat zu fragen, ob er denn auch sein Trikot genommen habe. Der Bayern-Manager unterschrieb, „dann war die Sache erledigt“. Kein Wort, keine Frage, was man denn so mache. Kurbjuweit, der dem Bayern-Manager offenbar nicht einmal einen Smalltalk wert war, lächelt: „Das war dann meine Begegnung mit Uli Hoeneß.“

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