FUNDSTÜCK
Kugeln korrigieren Geschichte
Flipper haben in Zeiten von animierten Computerspielen einen schweren Stand. 1994, im Jahr der WM in den USA, war das anders. Die Fifa lizenzierte damals sogar einen Flipper als offizielles WM-Produkt. Heute ist der World-Cup-Soccer-Pinball ein absolutes Sammlerstück.


„It kicks“: Der World-Cup-Soccer-Pinball von 1994 Foto Kai Müllenhoff



Sie nannten ihn Flipper. Jürgen Klinsmanns Spitzname als Spieler hatte weniger mit Spielautomaten als mit seiner ihm eigenen Spielweise zu tun, damit, dass ihm hin und wieder die Bälle ein wenig weit vom Fuß sprangen. Und doch, es gibt eine Verbindung zwischen großem Fußball und leuchtenden Pinballtischen. Sie beginnt im Weltmeisterschaftsjahr 1994: Deutschland reist als Titelverteidiger mit dem Stürmerduo Völler/Klinsmann ins damalige Fußballentwicklungsland USA. Die Organisatoren machen aus dem Turnier ein Megaevent. Zu den Partien in Boston, Chicago, Dallas, Detroit, Orlando, Washington, San Francisco, New York und Los Angeles kommen mit 68.600 Zuschauern pro Spiel die bisher meisten einer WM-Endrunde. Wenn Maskottchen Striker, ein fußballverrückter Dackel, auftritt, feiern die Amis.

Strikers freundliches Hundelächeln strahlt dazu auf unzähligen offiziellen Merchandising-Artikeln. Doch dieses Mal gibt es etwas Besonderes: Neben den üblichen Taschen, Computerspielen, Stoffpuppen und T-Shirts kann sich der fußballverrückte Fan zum ersten Mal einen von der Fifa lizenzierten Flipperautomaten kaufen. „It Kicks“ lautetet der Marketingslogan für den World-Cup-Soccer-Pinball. 8743 Einzelstücke stellt die Midway Manufacturing Company her. Heute stehen sie überall auf der Welt in Bars, Kellerräumen und Arbeitszimmern. Das Sammlerstück kostet inzwischen mehrere tausend Euro.

Für Fans ist es natürlich die Herausforderung: Mit diesem Flipper lässt sich die Geschichte korrigieren und der aus deutscher Sicht wenig erfolgreiche WM-Verlauf von 1994 verbessern. Wer Extra- und Multibälle, Sonderausspielungen und Boni erflippert und die kleinen Kugeln oft genug ins Tor hämmert, schafft es von der Vorrunde bis ins Finale. Dabei muss man garantiert mehr Treffer erzielen als die fünf, die Flipper Klinsmann in den USA geschossen hat. Und der Torhüter, der am oberen Ende der Bahn lauert, ist kein schlechter: „What a great Goalie“, schreit der Kommentator, wenn der Keeper den Silberball wieder einmal aus der Ecke gefischt hat. Auch am Automaten führt der Weg zum Titel von Chicago über Boston – hier wird die berühmte Tea Party gefeiert – bis ins Endspiel nach Los Angeles. Gegner auf Gegner muss geschlagen werden, bis möglichst viele Ehrenrunden mit dem WM-Pokal unter dem Arm gelaufen werden können.

Leicht ist der WM-Gewinn aber auch beim Pinball nicht, selbst einige offizielle Fifa-Regeln haben die Macher auf den bunten Leuchttisch übertragen. Rüttelt der Spieler zum Beispiel unsportlich am Automaten, tönt es zunächst: „It’s a yellow card“. Bei wiederholtem Foulspiel gibt es Rot – Tilt.

Steffen Dobbert und Eberhard Spohd

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