INTERVIEW
„Es gab keinen Grund, ins Tor zu gehen“
Gianluigi Buffon im RUND-Interview über Anarchie, sein Vorbild Thomas N'Kono und seine Zeit als Ultra. Interview Lucas Duvernet-Coppola und Rico Rizzitelli



Gigi Buffon
Einer der besten Torhüter der Welt: Gianluigi Buffon jubelt nach dem Sieg gegen England
Foto Pixathlon

 


RUND: Signor Buffon, Sie kommen aus Carrare in der Toskana. Einer Stadt mit einer langen Tradition von Anarchie und Chaos. Agieren Sie deshalb auf dem Platz so unorthodox?

Gianluigi Buffon: Es stimmt, Carrare ist eine Stadt, in der das anarchistische Denken sehr wichtig ist. Die Bewohner denken, dass weder aus Ligurien noch aus der Region Emilie-Romagne kommen und sie sind noch weniger Toskaner: Sie sind aus Carrare, Punkt und damit basta! Die Stadt war und ist ein Zufluchtsort vieler Radikaler. Was mich betrifft, kann man das nicht vergleichen. Der Torwart ist immer etwas ungewöhnlich und deshalb gezwungenermaßen unorthodox. Der Keeper hat nichts mit einem Feldspieler zu tun, ist aber immer Teil einer Gruppe. Sie sind weniger frei als es auf den ersten Blick scheint.

RUND: Auf Ihren Torwarthandschuhen steht C.U.I.T., die Abkürzung für Commando Ultra Indian Trips, eine Gruppe Tifosi der Carrarese, der lokalen Mannschaft, die 1979 gegründet wurde und ...
Gianluigi Buffon: (unterbricht) ... das ist nur eine kleine Referenz an meine Heimatstadt. Es ist der Name der Fangruppe, zu der ich als Junge gehörte. Als kleiner Junge hast du Lust, dich mit einer Gruppe zu identifizieren. Ich mehr als andere. Ich wollte ein Mitglied der C.U.I.T. sein, das war meine zweite Familie, eine zweite Haut. Später, als ich mit 19, 20 Jahren nach Parma in die Serie A ging, versuchte ich, so viele Spiele wie möglich zu sehen. Selbst als ich weggezogen war.
RUND: Mamma mia – der beste Torwart der Welt ein Ultra?
Gianluigi Buffon: (lacht) Heute kann man das wirklich nicht mehr sagen. Aber es stimmt, dass ich es war. Deshalb verstehe ich die Erwartungen der Fans an uns, wenn wir auf dem Platz stehen. Weil ich vor einiger Zeit noch selber an ihrer Stelle war.

RUND: Sie kommen aus einer sehr sportlichen Familie. Ihre älteren Schwestern spielten Volleyball in der höchsten italienischen Liga. Ihr Onkel war Torwart von Milan und Genua in den 60-ern. Können Sie sich diese Häufung von Talent erklären?
Gianluigi Buffon: Mein Onkel war ein großer Antrieb für mich, vielleicht ist das auch genetisch von Bedeutung. Gleichzeitig konnte er mir nicht als Vorbild dienen, weil er vor 30 Jahren spielte. In dieser Zeit hat sich unser Sport sehr verändert. Er und ich kennen nicht mehr denselben Fußball. Dass ein Onkel von mir auf höchstem Niveau gespielt hat, war ein Ansporn es wenigstens genauso weit zu bringen. Seinetwegen war ich von Anfang an sehr ehrgeizig.

RUND: Und was war mit Ihren Schwestern?
Gianluigi Buffon: Der Zufall spielt ebenfalls eine Rolle. Von dem Augenblick an, wenn drei von drei Kindern in der höchsten Spielklasse ihrer Sportart spielen und zwei von drei Kindern in der Nationalmannschaft, versteht man, dass die Veranlagung zum Sport etwas Normales ist. Dennoch reicht das nicht immer. Man kommt wieder auf den Einfluss der Familie zurück: Wenn wir nicht eine so sportliche Erziehung genossen hätten, als wir jung waren, hätten wir wahrscheinlich nicht solange auf so hohem Niveau bleiben können.

RUND: Sie haben weniger als fünf Jahre im Tor gestanden, ehe Sie mit 17 Ihr Debüt als Profi gaben. Wie ist das möglich?
Gianluigi Buffon: (breites Lachen) Ja, das ist eine unglaubliche Sache! Ich glaube, es war ein Wink des Schicksals. Es gab objektiv keinen Grund, dass ich meine Position als Feldspieler aufgebe. Denn auf dem Feld spielte ich in der lokalen Auswahl und war einer der besten in der Region. Ich war bereits ein wichtiger Spieler und deshalb ergab es keinen Sinn, ins Tor zu gehen. Als ich in diesem Jahr gemeinsam mit meinem Vater Bilder von der WM 1990, insbesondere von Thomas N’Kono, dem Torwart Kameruns, sah, erinnerte ich mich, dass ich mir damals sagte: „Ich werde die Position wechseln. Einfach so, um Spaß zu haben.“ Dann wurde es noch unfassbarer, denn Parma hat mich fast sofort angesprochen. Da war ich gerade erst sechs oder sieben Monate im Kasten. Und heute ist es bereits seit einiger Zeit mein Leben geworden.

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