FUSSBALL IM KZ
„Sieger im Fußball, Dachau 1944“
In den Konzentrationslagern des Dritten Reiches gab es alles, was wir kennen, und alles, was wir uns nicht vorstellen können. Im KZ Dachau entstanden die Fotos, die Häftlinge beim Fußball zeigen.

KZ Dachau
Foto Gedenkstätte Dachau


Für RUND-Bildredakteur Henning Angerer war es eine der schwersten Aufgaben: Fotos für die Geschichte über Fußball im KZ zu suchen. Würden die Spiele der Häftlinge, die es in nahezu allen Konzentrationslagern gegeben hatte, überhaupt dokumentiert sein? Dass im Vorzeige-Ghetto Theresienstadt zahlreiche idealisierende Fußball-Zeichnungen angefertigt wurden, war bekannt. Aber gab es aus den Konzentrationslagern auch Fotografien?

Angerer erkundigte sich bei Bildagenturen, die auf historisches Material spezialisiert sind. Er bekam Ansprechpartner von einer Bekannten, die eine Doktorarbeit über Fotografie im KZ geschrieben hatte – doch alle Versuche schlugen fehl. Schließlich fragte er bei den Gedenkstätten zahlreicher Konzentrationslager direkt an. In Dachau wurde er fündig.

Im ersten deutschen KZ überhaupt gab es sechs Fotos eines Fußballspiels, das aller Wahrscheinlichkeit im Jahr 1933 stattfand. Die Bilder stammen von einem NS-Fotografen, der nach der Errichtung des Lagers mehrfach die diversen sportlichen Aktivitäten der Häftlinge dokumentierte. Manche seiner Fotos wurden in Münchener Magazinen veröffentlicht, um die angebliche Harmlosigkeit des Lagers zu demonstrieren.

In diesem Sinne sind die Dachauer Fußballbilder Propaganda-Fotos – auch wenn am Ende nur die Bilder anderer Sportarten veröffentlicht wurden. Der Fußball blieb, aus welchen Gründen auch immer, außen vor. Gleichzeitig zeigen die Bilder die karge Realität des KZs Dachau in seiner Frühzeit: der unebene, teils matschige Boden, im Hintergrund Zaun und Mauer. Ein wenig spiegeln die Bilder so die Doppelfunktion des Fußballs im Lager: Für die Häftlinge war er ein wichtiges Stück Normalität, zugleich setzte ihn die Lagerleitung gezielt ein, um die Arbeitsmoral hoch zu halten und nach außen Propaganda zu machen.

Neben den Fußballfotos fand sich in der Gedenkstätte Dachau ein Holzpokal, den sich die Häftlinge in der Schreinerei des Lagers vermutlich selber gedrechselt haben. „Sieger im Fußball, Dachau 1944“, steht auf dem Fuß des Pokals. Um diese Zeit hatten sich die Lebensbedingungen dramatisch verschlechtert, weil Tausende Häftlinge aus den Lagern der besetzten Gebiete im Osten nach Dachau getrieben wurden. Der Ball rollte weiter. „Wir haben dieses Jahr einen ehemaligen polnischen Häftling interviewt, der bestätigt hat, dass in Dachau bis kurz vor der Befreiung 1945 Fußball gespielt wurde“, berichtet Albert Knoll vom Archiv der Gedenkstätte. Offenbar hatten die nach Arbeitskommandos, Blocks oder Stuben organisierten Mannschaften bis zuletzt regelmäßig ein Turnier ausgespielt.

„Ich habe viel telefoniert“, erzählt Henning Angerer von der langen Suche nach den Fotos. „Man muss einfach Glück haben, dass man an jemanden gerät, der solche Bilder schon einmal gesehen hat und sich daran erinnert.“ Vielen Dank also an die Mitarbeiter im Archiv der Gedenkstätte Dachau.

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