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Der Möbelwart
Unternehmer, Fußballprofi und jetzt Buchautor: Bobby Dekeyser war Torwart beim FC Bayern, dem 1. FC Nürnberg und 1860 München. Die von ihm gegründete Firma Dedon aus Lüneburg sorgte auch schon im WM-Quartier für eine Atmosphäre, in der sich die Nationalspieler wohlfühlten. Von Christian Litz.

Bobby Dekeyser
Die Kundenliste von Ex-Profi Bobby Dekeyser: Brad Pitt,
Julia Roberts, die deutsche Nationalelf und der Vatikan Foto Benne Ochs



Bobby Dekeyser läuft durch die großen Hallen seiner Firma in Lüneburg, erklärt dies und das ganz freundlich, wirkt aber irgendwie abwesend dabei. Plötzlich, vor langen Metallkästen stehend, sagt er: „Hier stellen wir Hularo, den Grundstoff für die Dedon-Möbel, her. Am besten kann er das erklären.“ Lächelt, deutet auf einen jungen Mitarbeiter hinter einer Glaswand und geht. Wohin? „Na, in die Sporthalle“, sagt der Mitarbeiter. 500.000 Euro hat der Chef in die neue Halle, das Fitness-Studio für die Mitarbeiter, die Sauna und die Yogaräume investiert. Einfach so. Er mag Sport.

Bobby Dekeyser kickt ein wenig. Er ist erfolgreicher Unternehmer im heutigen Deutschland, hat Dedon, eine Firma mit Weltruf, aus dem Nichts nach oben gebracht, und das in Rekordzeit. Dedon produziert mit einem Polyethylen-Grundstoff, auf den Dekeyser das Patent hat, wasserfeste Luxusmöbel, die aussehen als seien sie aus Rattan. Brad Pitt kauft sie, Julia Roberts, halb Hollywood, sagt Dekeyser. Aber auch der Vatikan, die Spieler des FC Barcelona und Bayern München. In Barcelona lebt seine Schwester, die von dort aus mit ihrem Mann den Weltvertrieb für Dedon leitet. Sie wollte in den Süden, Barcelona habe ihr am besten gefallen, also sei da jetzt der Weltvertrieb, ganz einfach.

Als Bobby Dekeyser in seinem Büro von seinem Leben erzählt, ruft Uli Honeß an. Die beiden unerhalten sich einige Zeit über das letzte Spiel der Bayern, bevor Honeß es rauslässt und fragt, ob Michael Ballack mal vorbeikommen könne, um sich Dedon-Sessel anzuschauen. Er kann, denn Hoeneß und Dekeyser kennen sich, seit der bei Bayern München Jean-Marie Pfaffs Ersatzmann war. Der Unternehmer Dekeyser sagt, er habe als Fußballer viel gelernt, was ihm heute hilft.

Er stammt aus einer Chaosfamilie, österreichische Mutter, belgischer Vater, immer unterwegs, getrennt, zusammen, getrennt. Er wächst in Österreich, Belgien, in der Pfalz auf und stellt als Teenager früh fest, dass Mädchen auf Kicker stehen. Er habe kein Talent gehabt, sagt er lächelnd, und das mit Training kompensiert, mit viel Training. Weil er schlecht ist, wird er ins Tor gestellt. So läuft das bei Jungs. Er landet in der Jugend von Wormatia Worms. Mit 14 Jahren nimmt er an einem Talentwettbewerb teil, elf Spieler dürfen nach Amerika, Pelé und Beckenbauer bei Cosmos New York besuchen. 50.000 bewerben sich, Bobby Dekeyser schafft es. Zwei Jahre später bekommt er einen Vertrag als Jungprofi beim 1. FC Kaiserlautern. Ab da finanziert er seinen Lebensunterhalt selbst und geht aufs Internat. An einem Dienstag, in der zweiten Stunde, Englisch, steht er auf und sagt, er höre mit der Schule auf. Ein spontaner Entschluss. Seine Eltern müssen etwas unterschreiben. Sie tun es, ohne genau zu wissen, worum es geht.

Als er volljährig wird, muss er nach Belgien zum Militär. Als Soldat spielt er in der zweiten belgischen Liga, und nach seinem letzten Tag als Soldat steigt er ins Auto und fährt in ein Rehazentrum bei Frankfurt, um einen Freund aus Kaiserslautern, Dieter Kitzmann, zu besuchen. Ebenfalls dort: Jean-Marie Pfaff, Torwart des FC Bayern München. Die beiden Belgier unterhalten sich, trinken was und gehen schließlich in die Tiefgarage. Dekeyser malt ein Kreidetor an die Wand. Pfaff schießt, Dekeyser hält, stundenlang. „Ich war danach blutig.“ Aber es habe Spaß gemacht. Sei ohne Hintergedanken passiert. Ein halbes Jahr später ruft Uli Hoeneß spät abends an, Raimund Aumann, die Nummer zwei der Bayern, falle lange aus. Ein Torwart müsse her. Schnell. Pfaff habe gesagt, er sei gut. Dekeyser steigt ins Auto, fährt über Nacht von Brüssel nach München. Auf der Autobahn murmelt er: „Das muss klappen.“ Die ganze Fahrt über. „Das muss klappen.“ Am Morgen Probetraining. Es klappt, am zweiten Tag unterschreibt er den Vertrag.

Zwei Jahre Bayern München, dann 1. FC Nürnberg. Er soll mit Andi Köpke konkurrieren. „Der war aber einfach besser.“ Dass er es ohne Probleme sagt, zeigt den heute 41-jährigen Unternehmer als Realisten. Er geht zu 1860 München, Zweite Liga. Stammkeeper. Hält gut. Doch im letzten Spiel vor der Winterpause, in der Nachspielzeit, bei einer Faustabwehr, bekommt den Ellenbogen des Stürmers ins Gesicht. Alles bricht. Ohnmacht. Notaufnahme. Wochen im Krankenhaus. Er liest in der Abendzeitung, dass die Löwen einen neuen Torwart verpflichten. Ihm sagt keiner was.

Bobby Dekeyser
Erfolgreicher Geschäftsmann: Bobby Dekeyser hat
nach dem Profifußball den Absprung geschafft. Foto Benne Ochs



Er ist 26 Jahre alt. Es sieht so aus, als bleibe das linke Auge blind. Sein Nachfolger im Löwen-Tor, Rainer Berg, ist heute übrigens Versicherungsmakler und regelt diesen Bereich für Dedon weltweit. Ein halbes Jahr später ist Bobby Dekeyser, ein Invalide mit narbigem Gesicht, aber zwei guten Augen, abends im Keller, um Skier mit Airbrush-Motiven aufmotzen. Das ist sein neuer Beruf. Tausend Paar Ski hat er gekauft von seinem letzten 1860er Geld. Ist im Keller, hört das Telefon. Die Löwen brauchen ihn, sein Nachfolger sei verletzt. Er erinnert sich, wie sie ihn behandelt haben. Verlangt soviel, dass sie sicher Nein sagen. Sie sagen Ja. „Aber eigentlich wollte ich aus dem Fußball raus.“ Drei Spiele, drei Klasseleistungen. Danach kommen gute Angebote aus der Bundesliga und aus der Zweiten. Wirklich gute Angebote. Er lehnt alle ab. Er hat ja schon im Krankenhaus Dedon gegründet. Dekeysers ziehen nach Lüneburg, weil der Bauernhof da so billig ist.

14 Jahre später: Dekeyser ist reich, besitzt eine Insel im Pazifik, ein Privatflugzeug samt Pilot, einen Masarati, arbeitet nur noch drei Tage die Woche, den Rest der Zeit treibt er Sport. Aber er trägt die Verantwortung. „Ich bin unter Druck. Das ist spannend. Ist wie Torwart sein, nicht zu wissen, wie es ausgehen wird.“ Er trägt die Verantwortung in der Firma wie ein Torwart und hat bisher noch keine großen Fehler gemacht. Nur ab und zu, da vermisse er es, in eine volles Stadion zu laufen. Die Geräuschkulisse der Masse fehlt ihm.

Der Text ist in RUND #6_01_2006 erschienen.

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