INTERVIEW TEIL 2
„Hecking konnte die Schraube am besten drehen“
Nach seiner Karriere will Willi Landgraf Trainer werden. Lesen Sie in Teil 2 des Interviews, was für den 40-Jährigen das Wichtigste im Profigeschäft ist. Interview Matthias Greulich.

Landgraf und Meijer
Zwei Kumpels feiern nach dem Bundesligaaufstieg: Willi Landgraf (links)und Erik Meijer im Sommer 2006, als beide ihre Karriere bei Alemannia Aachen beendeten. Foto Stefan Schmid



RUND: Herr Landgraf, niemand hat mehr Zweitligaspiele gemacht als Sie. Was sagen Sie zur Entwicklung der Zweiten Liga?

Willi Landgraf: Ich habe sehr viele Zweitligaspiele gesehen. Die Liga ist sehr interessant geworden. Im letzten Jahr hatten wir eine richtig gute Zweite Liga mit Köln und Gladbach, Mainz und St. Pauli dazu. Man könnte so viele aufzählen. Man sieht es auch an den Einschaltquoten und an der Zuschauerresonanz wie die Zweite Liga gewachsen ist. Früher hat das kaum jemanden interessiert, aber das hat sich wirklich geändert. Ich habe immer gesagt: Früher war der Unterschied zwischen Erster und Zweiter Liga 100 Meter. Heute gerade einmal fünf oder zehn Meter. Beim Geld ist die Distanz zwar noch größer, aber auch hier haben sich beide Ligen angenähert. Und für schwächere Vereine ist es gut, wenn sie auch viel Fernsehgelder kriegen. Dann kann man sich auch mal einen Star leisten. Das sieht man ja auch, dass sich das verbessert hat.

RUND: Es wird nicht mehr soviel Foul gespielt.
Willi Landgraf: Man spricht ja immer von früher. Früher war alles eine „Klopperliga“. Man hat Hoffenheim gesehen, wie stark die spielerisch geworden sind. Da hat sich sehr viel geändert.

RUND: Wie sehen Sie die Perspektive für Aachen?
Willi Landgraf: Die Alemannia hat jetzt einen sehr radikalen Schnitt gemacht. Es gibt viele Veränderungen, viele neue Spieler. Man kann nie sagen, wo man steht. Wenn man eine gute Vorbereitung gespielt hat, dann sagt man: „Hey super, alles ist prima.“ Aber wenn man anfängt, kommen die Nerven dazu. Dann hat man das erste Heimspiel. Der Druck wird größer. Und man weiß nie, wo der Weg hingeht. Ich bin einer, der eine erste Bilanz erst nach sechs, sieben Spielen zieht. Dann weiß man immer: Hey, der Weg führ vielleicht unter die ersten Fünf.

RUND: Aber den Tivoli wird es bald nicht mehr geben. Was halten Sie vom neuen Stadion?
Willi Landgraf: 2009 soll es stehen. Die sind voll im Soll. Es wird ein tolles Stadion. Tivoli ist Kult bei den Leuten. Den Tivoli kennt jeder. Aber: Von der Haupttribüne braucht man jetzt zum VIP-Zelt 15 Minuten. Da fängt das Spiel schon wieder an und man hat noch nicht ein Bier getrunken. Heutzutage ist das beinahe Pflicht, das man so was hat. Die Sponsoren bringen das Geld. Die wollen einen Business-Bereich. Ihre Firmen mit reinbringen. Etwas präsentieren. Da muss man heutzutage ein neues Stadion haben. Auch wenn’s traurig ist, weil der Tivoli Tradition ist.

RUND: Welche Erwartungshaltung hat das Publikum in Aachen?
Willi Landgraf: Die sind verwöhnt. Es ist klar: Aus wenig hast du viel gemacht, damals. Und dann haben sie viele Leute gekauft, und das passte nicht richtig. Als Fan wird man verwöhnt und denkt: Das geht alles so weiter. Wir haben Uefa-Cup gespielt, sind bis in die Gruppenphase gekommen. Dann verzeiht man weniger, das habe ich gemerkt. Und du hattest noch solche Figuren wie Erik Meijer und mich. Wenn ein Spiel dann mal nicht so läuft, dann vermissen die auch etwas. Dann sagen die: Bei uns fehlt einer, der mal so richtig hingehauen hätte. Aber das ist Vergangenheit.

RUND: Was sagen Sie dazu, dass dort jetzt eine Faninitiative gegründet wird?
Willi Landgraf: Ja, natürlich. Es ist Pflicht, dass da etwas gemacht wird. Bei Schalke sind wir da sehr weit. Ausländerhass und Rassismus – das muss alles nicht sein. Jetzt hat man wieder Probleme mit Ausländerfeindlichkeit. Ich hoffe, dass sich das dieses Jahr alles ändern wird.

RUND: Wollen Sie nach Ihrem Karriereende im nächsten Jahr im Fußball bleiben?
Willi Landgraf: Auf jeden Fall im Trainerbereich. Das ist mein Ziel. Ich glaube, da bin ich auch für geeignet. Man muss immer von Jahr zu Jahr denken. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mal hier auf Schalke lande. Ich kenne alle hier. Wir arbeiten alle gut zusammen. Das passt alles.

RUND: Zurück zu den Trainern: Haben Sie noch Kontakt zu Dieter Hecking?
Willi Landgraf: Ich telefoniere oft mit Dieter Hecking. Ich bin ja jetzt mit ihm per Du. Wir sind auch in Aachen gut miteinander ausgekommen. Nach der Vorbereitung telefonieren wir. Er hat immer ein offenes Ohr. Von ihm habe ich eine Menge mitgenommen. Jeder hat ja seine eigene Philosophie, mit seiner konnte ich mich wirklich identifizieren. Er war für mich einer der besten Trainer, die ich hatte.

RUND: Was kann man sich von jedem mitnehmen?
Willi Landgraf: Besonders Menschlichkeit. Man darf nicht vergessen, dass die Spieler keine Maschinen, sondern Menschen sind. In vielen Situationen musst du anders sein: ein Sauhund. Du musst Trainer sein. Disziplin ist das A und O im Fußball, gerade im Profibereich. Fußballprofis nutzen viele Sachen aus. Wenn du denen den kleinen Finger reichst, nehmen sie fast den ganzen Arm. Du musst aufpassen, dass du Disziplin in den Vordergrund stellst. Du musst eine gute Mischung finden. Dieter Hecking konnte diese Schraube am besten drehen. Er konnte mal so oder so sein. Die anderen Trainer, ob das jetzt Jörg Berger oder Frank Engel war, die waren auch super. Muss ich sagen, da nehme ich viele Sachen mit. Man nimmt immer etwas mit von einem Trainer.

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