INTERVIEW
„Den Bezug zur Realität verloren“
Alexander Rosen hat 20 Länderspiele in der U20- und U21-Nationalmannschaft absolviert. Als Kapitän der Studentennationalmannschaft äußerte sich der damals 26-Jährige kritisch über die lieben Kollegen. Interview Oliver Fritsch

 

Alexander Rosen
„Viele staunen, dass ich Fußballer bin: Alexander Rosen
Foto Gerald von Foris



Das Interview ist in RUND #2_09_2005 erschienen.

RUND: Wie oft mussten Sie einem fremden Gesprächspartner klarmachen mussten, dass Sie „typischer Fußballer“ sind?
Alexander Rosen: Tausendmal. Da muss man gegen so einige Vorbehalte und Klischees kämpfen. Viele, die es erst nicht wissen, staunen, wenn sie hören, dass ich Fußballer bin – und dass ich es sehr gerne bin.

RUND: Unterscheiden sich Studentenfußballer von „normalen“ Profis?
Alexander Rosen: Zunächst möchte ich betonen, dass ich Mitspieler nicht nach Bildungsgrad und Schulabschluss beurteile.

RUND: Also gibt es keinen Unterschied?
Alexander Rosen: Na ja, doch: etwa Gesprächsthemen und Tonfall. Wenn wir mit der Studenten-Nationalmannschaft unterwegs sind, fallen auch viele lockere Sprüche, aber es wird nicht so aufgeschnitten, wie das bei manchen Profis üblich ist: Wer hat das tollste Auto? Wer ist der Größte?

RUND: Moralkritik?
Alexander Rosen: Ja, viele haben den Bezug zur Realität verloren und betrachten sich als Mittel-punkt des Universums. In manchen Mannschaften, in denen ich gespielt habe, würden einige, wenn sie nicht Fußball spielen könnten, am Kiosk landen. Wenn jemand ungebildet ist, macht das nichts. Bei vielen Fußballern paart sich jedoch Dummheit mit Arroganz und Überheblichkeit – eine fatale Kombination.

RUND: Eine alte Hypothese: Intelligenz und Reflexionsvermögen behindern die Karriere des Fußballers. Kickt dumm gut?
Alexander Rosen: Mag sein, aber ich würde niemals tauschen wollen. Die „Dummen“, um Ihre Wortwahl zu übernehmen, wissen natürlich nicht, dass es überhaupt etwas zu tauschen gibt.

RUND: Und wie ist das Miteinander unter kickenden Studenten?
Alexander Rosen: Das sind Jungs, die wissen, was auf der Welt passiert, mit denen kann man über viele Sachen reden. Manchem Profi hingegen wünscht man, dass er mal 14 Tage auf diesem Planeten verbringt. Wenn man sich in der Kabine mal über Politik unterhält, kuckt einen so einer schon mal an wie ein Ufo. Was anderes als die „Bild“ hat er noch nicht in der Hand gehabt.

RUND: Müssen wir uns die Spielvorbereitung der Studentenelf wie ein Kant-Seminar vorstellen?
Alexander Rosen: Nein, aber wir hängen nicht mehr an der Play-Station, das wichtigste Medium vieler Kollegen, auch der Mittzwanziger. Und auf die Handysucht der „Generation Klingelton“ bin ich vorbereitet.

RUND: Sind die neuen Medien mitschuldig an der Misere?
Alexander Rosen: Nein, Sie wissen doch, wie das ist mit den Medien: Kluge werden durch sie klüger, Dumme dümmer. Kluge suchen im Internet Informationen, die anderen bevorzugen das Genre, das man in Videotheken verschämt „Heimatfilm“ nennt.

RUND: Anderes Thema: Hat der Fußball-Student einen anderen Anspruch an seinen Trainer?
Alexander Rosen: Offenbar. Es gibt Profis, denen kannst Du irgendjemanden hinstellen. Ein e-hemaliger Trainer von mir konnte keinen deutschen Satz unfallfrei sprechen, bediente sich vor-nehmlich der Fäkalsprache und hat – das war der Gipfel – mir mal wohlwollend-väterlich emp-fohlen, „irgendein Buch“ zu lesen. Daraufhin habe ich meinen Vertrag gelöst; sonst würde ich, das nebenbei, noch heute in der Zweiten Liga spielen. So weit konnte ich mich nicht verbiegen, unter einem solchen Vorgesetzten zu arbeiten. Doch Scheißhausparolen sind heute immer weni-ger gefragt.

RUND: Vielleicht sind Sie zu wählerisch, auch in Bezug auf Ihre Mitspieler?
Alexander Rosen: Nochmals: Man muss nicht Student sein, man muss noch nicht mal einen Schulabschluss haben, um Sinn für Werte zu haben und mit offenen Augen durch die Welt und über den Sportplatz zu laufen. Allen Kollegen sage ich: Wir sind nur Fußballer und sollten dank-bar dafür sein, dass wir unser Hobby zu etwas gemacht haben, was manche einen Beruf nennen. Doch meine Erfahrung bestätigt leider Hans Meyer, der einmal gesagt hat: „In jedem Profikader hast du fünf dumme Spieler.“ Ich füge ein „mindestens“ hinzu.



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