TOP 11
HSV gegen Bayern
RUND hat die 11 denkwürdigsten Spiele beider Teams gewählt. Lesen Sie in Teil 2, warum Gerd Müller ins Tor musste und der HSV mit einer „Torwartpraline" 0:6 verlor. Von Broder-Jürgen Trede

Gerd Müller und Sepp Maier
Ohne Gegentor: Gerd Müller hält für den Kollegen Maier den Kasten sauber. Foto Sportfoto Kaiser




8.
HSV – FC Bayern 0:4 (0:2)

20. Oktober 1965, (9. Spieltag 1965/66)

Volksparkstadion Hamburg, 71.000 Zuschauer

16 Monate zuvor hatten die Bayern im Hamburger Volkspark bereits beeindruckt: Bei ihrem ersten Pflichtspiel in Hamburg überhaupt hatte die Truppe von Trainer Zlatko „Tschik“ Cajkovski in der Bundesliga-Aufstiegsrunde den FC St. Pauli mit 4:0 besiegt. Beim Kiez-Klub empfand man die Schlappe „schlimmer als einmal neun Tore gegen den HSV“. Im Stadion setzten enttäuschte jugendliche Anhänger die St.-Pauli-Fahne auf Halbmast und sorgten so für einen Eklat.

Nun der erste Bundesliga-Auftritt der Münchner in der Hansestadt. Dem HSV ergeht es dabei nicht viel besser als dem Lokalrivalen. Auch HSV-Torwart Horst Schnoor muss viermal hinter sich greifen. Das „Hamburger Abendblatt“ notiert in seinem Spielbericht: „Ausgespielt“, „Deklassiert“, „Geschlagen mit Mann und Roß und Wagen“. Die blutjunge Bayern-Mannschaft präsentiert unter Flutlicht fast eine Stunde lang „Fußball in Vollendung“ . Kaum zu glauben: die 71.000 Zuschauer feiern die Münchner mit stehenden Ovationen.

Bayern-Rechtsaußen Rudi Nafziger (19) lässt seinen Gegenspieler, den mehrfachen Nationalverteidiger Jürgen Kurbjuhn, wie einen Anfänger aussehen und erzielt zwei Treffer. Bestnoten gibt es auch für den jungen Franz Beckenbauer (20), den Halblinken Gerd Müller (18) oder Torsteher Sepp Maier (21). Kurios: Als dieser sich nach einer halben Stunde am Knie verletzt und zur Behandlung ausscheidet, glänzt Stürmer Müller kurzfristig als Vertreter zwischen den Pfosten. Insgesamt ein höchst bemerkenswerter Auftritt einer Mannschaft, deren Leistungsträger später berühmt werden sollten.



7.
FC Bayern – HSV 5:3 (2:1)
20. September 1998, (5. Spieltag 1998/99)
Olympiastadion München, 50.000 Zuschauer

Ein unterhaltsamer Sonntag-Abend im Olympiastadion: 1:0 Daei (9. Minute), Ausgleich Yeboah (23.), erneute Führung Daei (39.), 3:1 Effenberg (58.). Dann drei Tore binnen fünf Minuten: erst Butts Anschlusstreffer (69., Elfmeter), dann die erneute Zwei-Tore-Führung durch Effenberg (71., Elfmeter), schließlich wieder der Anschluss durch Groths Freistoß (74.). Der HSV versucht alles, drängt auf den Ausgleich, doch die Bayern kontern clever: Elber trifft kurz vor Schluss zum 5:3-Endstand (89.). Mehr Treffer fielen zwischen beiden Teams in der Bundesliga bislang nie. Zwar schepperte es auch 1971 und 1976, als die Bayern den HSV in München jeweils mit 6:2 abstrafen, insgesamt acht Mal. Doch dieses unterhaltsame Hin-und-Her vom 20. September 1998 brennt sich noch tiefer ins Langzeitgedächtnis ein – zu Recht!



6.
HSV – FC Bayern 3:1 (1:0)
28. März 1993, (23. Spieltag 1992/93)
Volksparkstadion Hamburg, 60.500 Zuschauer

Zum ersten Mal nach über sechs Jahren ist der Volkspark wieder ausverkauft. Und noch lange nach dem Abpfiff intonieren glückselige Fans unermüdlich Song-Klassiker der Marke „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Beeindruckend ist vor allem die Art und Weise, wie der zuvor eher bieder auftretende Tabellenzehnte HSV den Tabellenführer aus München düpiert. Jan Furtok überwindet FCB-Torwart Raimond Aumann mit einer sehenswerten Bogenlampe, Armin Eck trifft gegen seine Ex-Kollegen volley aus 22 Metern. Die Liga atmet nach dem 3:1 hörbar auf, freut sich über das wieder spannende Titelrennen und schickt Glückwunsch-Telegramme an die Mannschaft von Benno Möhlmann. Vor allem Bayern-Verfolger Bremen lässt sich nicht lumpen. Werder-Manager Willi Lemke ruft den HSV-Profis eine spektakuläre (und heute wohl kaum mehr denkbare) Einladung die A 1 hinauf: „Freunde das L’orchidee in Bremen wartet auf Euch!“

Am 33. Spieltag leiste der HSV Werder ein zweites Mal Schützenhilfe und zeigt beim 0:5 im Weserstadion nach Ansicht der Bayern verdächtig wenig Gegenwehr. Manager Uli Hoeneß tobt mit hochrotem Kopf und verbreitet über die Fernsehsender Verschwörungstheorien. Denn Werder, nun mit dem besseren Torverhältnis, überholt die punktgleichen Bayern in der Tabelle und hat vor dem finalen Spiel plötzlich die Pole-Position inne. Die gibt das Team von Otto Rehhagel auch nicht mehr ab und wird Meister.



5.
FC Bayern – HSV 6:0 (2:0)
8. August 1987, (2. Spieltag 1987/88)
Olympiastadion München, 63.000 Zuschauer

Die Saisonvorbereitung auf die Serie 1987/88 verläuft für den Vize-Meister HSV unruhig. Bei der Suche nach einem Nachfolger für Trainer-Denkmal Ernst Happel wird Präsident Wolfgang Klein in Jugoslawien fündig. Mit den Worten „Für den HSV ist das Beste gerade gut genug“ wird der ehemalige Hannover-96-Profi Josip Skoblar präsentiert.

Doch es muss auch ein neuer Keeper her. Im Supercup-Finale gegen den FC Bayern rastet Uli Stein aus und streckt Bayern-Stürmer Jürgen „Wegmann nach dessen Siegtor per Faustschlag nieder. Der verdiente Schlussmann wird daraufhin suspendiert. So steht zum Saisonauftakt Youngster Richard Golz im HSV-Kasten. Nach dem 5:2-Sieg über Schalke kommt es gleich am 2. Spieltag in München zum erneuten Vergleich mit dem Erzrivalen FC Bayern. Ein echtes Topspiel des Tabellenersten gegen den –zweiten, denn die Bayern haben zum Auftakt in Dortmund ebenfalls hoch gewonnen. Und Skoblar zaubert für den Kracher noch schnell einen neuen Torwart aus dem Hut: Landsmann Mladen Pralija, angeblich der „beste Torwart Osteuropas“, ein Mann mit den blitzschnellen Reflexen und vorzüglichem Stellungsspiel. Präsident Klein erinnert sich später nachdenklich an den Blitztransfer: „Ich war ebenso verunsichert wie Manager Felix Magath. Bis Skoblar mir todernst sagte: ,Mit dem werden wir Deutscher Meister. Wenn Prale nicht so hält, wie ich es jetzt sage, könnt ihr mich Anfang Dezember feuern. Dann will ich auch keine Abfindung haben.‚Äò Dazu war Pralija auch unglaublich billig. Ein Wundermann für nur 170.000 Mark.“

Bei den Bayern bleibt er Keeper seine Klasse schuldig. Der niederschmetternde Arbeitsnachweis seiner ersten 90 Bundesliga-Minuten: Ein halbes Dutzend Gegentreffer. Es ist bis heute die deftigste HSV-Schlappe gegen die Bayern in der Bundesliga. Mit beteiligt in der Hamburger Defensive ist neben gestandenen Haudegen wie Ditmar Jakobs und Manni Kaltz auch der heutige Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer. Als Sündenbock wird aber schnell Pralija identifiziert, der mit haarsträubenden Aktionen und zum Teil bizarrer Motorik durch den Strafraum irrt. Der vermeintliche Torwart-Titan schrumpft im wenig schmeichelhaften Jargon der HSV-Fans schnell zur „Torwart-Praline“. Nach dem Bayern-Spiel erklärt er der Presse: „Jeder hat das Recht auf einen schlechten Tag.“ Doch wo bleiben die guten Tage? Ohne Familie und ohne einen Brocken Deutsch nach Hamburg gereist, blieb Pralija isoliert und agiert auch in der Folge zusehends unglücklicher. Die desaströsen Partien gegen den KSC (0:4) und Mönchengladbach (2:8) sind schon nur noch Ausdruck einer zerrütteten Sportlerpsyche. Am 15. Spieltag findet das Martyrium des „Seuchenvogels aus Split“ endlich sein Ende. Skoblar wird entlassen. Die erste Amtshandlung des neuen HSV-Coaches Willi Reimann ist die Degradierung Pralijas, der bald das Weite suchte und – zusammen mit Skoblar – Asyl bei Celik Zenika fand.

 

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