TOP 11
HSV gegen Bayern: Platz eins bis vier
Mehrere Male wurde in Spielen zwischen Bayern und dem HSV die Meisterschaft entschieden. RUND stellt die vier denkwürdigsten Partien in der Bundesliga zwischen den beiden Klubs vor. Von Broder-Jürgen Trede


Franz Beckenbauer
Ein Müchner in Hamburg: Die signierte Autgrammkarte von Franz Beckenbauer beim HSV



4. FC Bayern – HSV 2:2 (0:2)
9. Oktober 1982, (9. Spieltag 1982/83)
Olympiastadion München, 72.000 Zuschauer

Ein absolutes Top-Spiel im seit Wochen ausverkauften Olympiastadion. Für damalige Verhältnisse unvorstellbare 1,9 Millionen Mark Einnahme für die Bayern. Es ist eine Begegnung der Wendepunkte: Der HSV führt zur Pause durch einen Doppelschlag von Jürgen Milewski (27.) und Horst Hrubesch (29.) bereits mit 2:0. Doch die Bayern-Torfabrik „Breitnigge“ kann per Elfer (50.) und Gewaltschuss (64.) ausgleichen. Nun sind plötzlich die Platzherren am Drücker, haben vor allem im Mittelfeld ein klares Übergewicht.

Wenige Monate zuvor bei der WM in Spanien hatte sich HSV-Regisseur Felix Magath schon relativ widerstandlos von Paul Breitner aus der Mannschaft boxen lassen. Ähnliches passiert jetzt auf dem Rasen in München. Als alles mit einer Punkteteilung rechnet, gibt es noch einmal einen Freistoß für den HSV. Klaus Augenthaler hat Horst Hrubesch gefoult. Die letzte Spielminute läuft. Magath legt sich den Ball zurecht und flankt von halblinks in den Bayern-Strafraum. Dort löst sich Udo Horsmann aus dem Getümmel, hechtet nach dem Ball und berührt ihn mit den Fingerspitzen. Haltungsnote 6,0. Eine perfekte Robinsonade! Das Problem ist nur: Horsmann ist Verteidiger und nicht Torwart.

Schiedsrichter Walter Eschweiler pfeift folgerichtig Elfmeter. Klarer geht es nicht. Dennoch gibt es Tumulte. Bayern-Fans wollen über die Zäune klettern und das Spielfeld entern. Auf der Tribüne macht das Wort „Betrug“ die Runde. Die „Rudelbildung“ ist zwar damals noch nicht in den Fußball-Sprachschatz aufgenommen, ihre Umsetzung dafür aber an diesem Nachmittag schon in Reinform zu beobachten. Alle Bayern-Spieler protestieren. Wolfgang Kraus etwa schreit den Unparteiischen an. Seine bizarre Logik: „In der letzten Minute pfeift man keinen Elfmeter mehr!“ Doch Eschweiler bleibt cool und entgegnet: „Wo steht denn das geschrieben?“ Doch für Ruhe kann der Schiri so nicht mehr sorgen. Es dauert mehr als sechs Minuten bis HSV-Schütze Manfred Kaltz endlich den Handelfmeter ausführen kann. Es ist der längste Elfer der Liga-Geschichte. Sechs Minuten – zu viel Zeit zum Nachdenken? Kaltz, mit 53 verwandelten Strafstößen immer noch der sicherste Mann vom Punkt aller Bundesliga-Zeiten, schiebt die Kugel unten rechts ins Eck. Doch Bayern-Torwart Jean-Marie Pfaff ist da, kann den Ball sogar festhalten.

Das Spiel wird nicht wieder angepfiffen. Kaltz schleicht in die Kabine, Pfaff wird auf Schultern vom Platz getragen. Am Saisonende aber triumphiert doch wieder der HSV, wird dank des besseren Torverhältnisses Meister vor Werder Bremen. Bayern erreicht mit acht Zählern Rückstand nur einen enttäuschenden vierten Rang.

3.
HSV – FC Bayern 2:2 (2:0)
21. März 1980, (25. Spieltag 1979/80)
Volksparkstadion Hamburg, 61.648 Zuschauer

Es ist das erste und einzige Mal, das Franz Beckenbauer in der Bundesliga gegen den FC Bayern spielt. Doch der 103-fache Nationalspieler, kurz zuvor von Cosmos New York nach Deutschland zurückgekehrt, macht nicht sein bestes Spiel. Der HSV führt scheinbar komfortabel mit 2:0, als der heutige Bayern-Präsident seinem heutigen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge durch einen schlimmen Stellungsfehler den Anschluss-Treffer ermöglicht. Der überragende Paul Breitner schafft kurz vor Ende noch den Ausgleich und löst damit in Hamburg heftige Diskussionen aus. Tribünengast Berti Vogts, der in Vertretung von Bundestrainer Jupp Derwall das Spiel beobachtet, redet Tacheles: „Beckenbauer war schwach!“ Und auch mannschaftsintern fallen deutliche Worte. Keeper Jupp Koitka ätzt: „Unser Trainer muss doch Konsequenzen ziehen. Auf jeden Fall sollte über Beckenbauer gesprochen werden - und zwar schnell.“ Ein klarer und gleichsam ungeheuerlicher Fall von „Kaiserlästerung“.

Die Münchner bleiben fortan unbesiegt (17:1 Zähler), der HSV aber ist völlig aus dem Konzept und lässt überraschend Punkte gegen die späteren Absteiger Schalke (1:2) und 1860 (0:0) sowie in Dortmund (2:6), Karlsruhe (1:1) und zuhause gegen den VfB Stuttgart (1:3). Es bleibt nur Rang zwei, vier Punkte hinter dem FC Bayern.

Oliver Kahn
Jubel in Hamburg: Oliver Kahn wurde mit dem FC Bayern Meister
Foto Hoch Zwei



2.
HSV – FC Bayern 1:1 (0:0)
19. Mai 2001, (34. Spieltag 2000/01)
AOL-Arena Hamburg, 55.280 Zuschauer


Eine der unglaublichsten Episoden des Fußballs, ein emotionales Wechselbad für alle Beteiligten, wie es sich wohl kein Dramaturg spannender hätte ausdenken können. An diesem letzten Spieltag der Saison 2000/01 ist Schalke 04 auf Schützenhilfe angewiesen. Meister kann man nur werden, wenn – bei eigenem Sieg – der HSV gleichzeitig zuhause Tabellenführer Bayern München schlägt. Die Rothosen sind motiviert, wollen nach einer glanzlosen Saison, wenigstens am Ende glänzen und, so Verteidiger Ingo Hertzsch, „den Bayern die Meisterschaft versauen.“ Schalke erledigt seine Pflicht. 5:3 gegen den Abstiegskandidaten Unterhaching. Die Spieler konzentrieren sich fast mehr auf die Zwischenmeldungen aus Hamburg als auf das eigene Spiel. Es ist die Zeit der Konferenz-Schaltung im Rundfunk, viele Fans haben ihr Radio dabei. Im Volkspark tut sich lange nichts, bis in der 90. Minute Stürmer Sergej Barbarez zur HSV-Führung einköpft. Jubel in Hamburg, unfassbare Freude auch in Gelsenkirchen. Auf Nachfrage hat ein Premiere-Reporter bestätigt: „In Hamburg ist Schluss. Ihr seid Meister!“ Nicht nur Schalke-Manager Rudi Assauer hält jetzt nichts mehr. Wildfremde Menschen fallen sich um den Hals, umarmen und herzen sich. Doch plötzlich Unruhe auf den Rängen. Bange Blicke: Auf der Großbildleinwald im Parkstadion flimmern Spielszenen aus Hamburg. Wird dort etwa doch noch gespielt? Warum pfeift der dortige Schiedsrichter Dr. Markus Merk nicht ab? Der Zahnarzt aus Kaiserslautern denkt gar nicht daran. Er lässt vielmehr vier Minuten nachspielen und gibt noch einmal indirekten Freistoß für die Bayern. HSV-Verteidiger Tomas Ujfalusi hatte unter Bedrängnis zu seinem Torwart Mathias Schober zurückgegrätscht, der den Ball aufnahm. Ein Regelverstoß? Dr. Merk bewertet es so. Bayern Torwart Oliver Kahn rennt über den ganzen Platz, peitscht sein Team mit Worten und Körpersprache nach vorne: „Immer weitermachen! Nicht aufgeben!" Nach viel Gedrängel und Diskussionen endlich der Freistoß: Stefan Effenberg tickt den Ball leicht an, Patrik Andersson schießt und findet eine Lücke, wo eigentlich keine Lücke sein kann. Der Ball zappelt im Hamburger Netz. 1:1. Schlusspfiff. Bayern ist doch noch Meister. Es folgen unvergessliche Bilder: Ein mit der Eckfahne jubelnder Kahn, wie Kleinkinder außer Rand und Band umher hüpfende Bayern. Ansonsten herrscht in Hamburg Totenstille. Und auf Schalke? Ganz bittere Tränen und leere Gesichter.



1.
FC Bayern – HSV 3:4 (2:1)
24. April 1982, (29. Spieltag 1981/82)
Olympiastadion München, 77.573 Zuschauer

Sportjournalist Karlheinz Mrazek überschrieb die Partie später in seinen „Sternstunden der Bundesliga“ als „Kampf der Titanen“. Das Aufeinandertreffen der beiden Top-Teams der frühen 80er Jahre war wohl eines der spektakulärsten Spiele in der Historie der Bundesliga überhaupt.

Der Erste ist zu Gast beim Zweiten. Die Bayern brennen auf Revanche für die 1:4-Hinspiel-Klatsche, zudem ist es die letzte Chance, im Titelrennen noch einmal an die Hamburger ranzukommen. Nach etwas mehr als einer Stunde sieht es auch ganz danach aus, als der sonst so sichere HSV-Keeper Uli Stein einen haltbaren Kopfball von Dieter Hoeneß zum 1:3 passieren lässt. Für HSV-Libero Holger Hieronymus die Schlüsselszene: „Da hat keiner geschimpft mit Stein, und da wusste ich plötzlich: Wir haben noch genug Kraft um zu siegen.“

In der 70. Minute schnappt sich der erst 20-jährige Thomas von Heesen den Ball und befördert ihn nach einem Solo über den halben Platz in die Bayern-Maschen. Horst Hrubesch gleicht aus und köpft in der Nachspielzeit die Gäste sogar noch zum Sieg. Die Meisterschaft ist entschieden. Es bleibt der letzte HSV-Sieg in München für 24 Jahre.


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