Top 11
Wer braucht da einen Flachmann?
HSV gegen denm FC Bayern, die Spiele elf bis neun: Als Timothee Atouba im Schnee tanzte und in Hamburg Winterspiele ausgerufen wurden. Von Broder Jürgen Trede


Timothee Atouba
Thimothee Atouba im Schnee: Der HSV hat im März 2006 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder bei den Bayern gewonnen Foto Hoch Zwei



11. HSV – FC Bayern 3:1 (0:0)
2. Februar 1980, (20. Spieltag 1979/80)

Volksparkstadion Hamburg, 61.000 Zuschauer


Spitzenreiter HSV und Verfolger Bayern München sind punktgleich, die Norddeutschen weisen die um eine Bude bessere Tordifferenz auf. Die ganze Liga blickt gespannt in den Volkspark, wo die Bedingungen für das Top-Spiel alles andere als top sind: Schnee, Eisglätte, Gefrierschranktemperaturen. Die Beobachter vom „Hamburger Abendblatt“ proklamieren zehn Tage vor der Eröffnung der XIII. Winterspiele im US-amerikanischen Lake Placid den inoffiziellen Olympia-Start in Hamburg-Bahrenfeld: „Ein olympisches Preisgericht hätte es mit der Beurteilung der wider Willen produzierten Figuren – vom ,einfachen Nogly‚Äò über den ,doppelten Jakobs‚Äò, den ,dreifachen Wehmeyer‚Äò, und die ,Kevin-Pirouette‚Äò bis zur gemeinsam von Bayern-Torwart Junghans und HSV-Bomber Hrubesch kreierten ,Todesspirale‚Äò – jedenfalls nicht leicht gehabt.“

Am Ende überwiegt der sportliche Wert des Spiels klar den künstlerischen Eindruck. Den Meisten der 61.000 im ausverkauften Stadion ist nach dem 3:1-Triumph der Gastgeber ganz warm ums Herz. Das
,Abendblatt fragte seine Leser später entsprechend begeistert: „Wer brauchte schon einen Flachmann in der Manteltasche, als Hrubesch in letzter Minute der umjubelte Schlusspunkt gelang?“ Am 34. Spieltag muss im Norden dann doch der Schnaps hervorgeholt werden. Frustsaufen ist angesagt, denn Gold in der Saison 1979/80 geht doch wieder an die Isar. Der HSV büßt seinen Vorteil ein und muss sich eine Stufe tiefer auf dem Treppchen mit Silber begnügen.



10. HSV – FC Bayern 2:1 (0:1)
11. Februar 1996, (18. Spieltag 1995/96)

Volksparkstadion Hamburg, 59.067 Zuschauer

Die Konstellation ist ähnlich wie dieser Tage: 18. Spieltag. Rückrundenauftakt in Hamburg. Hohe Erwartungen. Direktübertragung im Free-TV. Knapp zehn Millionen sind via Sat.1 live dabei, fast 60.000 haben den Weg ins Volksparkstadion gefunden und muckeln sich auf den Rängen der zugigen Betonschüssel aneinander. Regen setzt ein, die vereisten Stufen werden zur Rutschbahn. Auf dem Platz kommt der HSV ins Schlittern. Bayern agiert eiskalt, geht durch Scholl nach einer halben Stunde in Führung und schaukelt – so scheint es – das Ergebnis in typischer Manier ganz souverän über die Zeit.

Doch die Rothosen kämpfen unermüdlich weiter und zelebrieren ein furioses Finale: Jeweils auf Zuspiel des starken Karsten Bäron besorgt erst André Breitenreiter in der 85. Minute den Ausgleich, ehe in der 89. Minute ein gewisser „Uwe“ die HSV-Anhänger endgültig in Ekstase versetzt. Nicht Seeler, sondern Jähnig. Der eingewechselte Ex-Dresdner überwindet Oliver Kahn per Flachschuss. Der Bayern Torwart zeigt sich anschließend als schlechter Verlierer und wettert übers Wetter und Schiris: „Ja, also, unverantwortlich so ein Spiel anzupfeifen. Bei Eisregen! Unglaublich!“ Für den HSV ist es bis heute der letzte Bundesliga-Sieg zum Rückrundenauftakt.




9. FC Bayern – HSV 1:2 (0:1)
4. März 2006, (24. Spieltag 2005/06)

Allianz-Arena München, 69.000 Zuschauer

Der HSV findet sich im dichten Schneegestöber in der neuen Münchner WM-Arena deutlich besser zurecht und spielt beim Tabellenführer frech auf. Die Gäste-Führung nach einer Viertelstunde ist verdient: Guy Demels Zwitter aus Flanke und Torschuss rauscht aus spitzem Winkel am langen Pfosten hoch in die Maschen. Für den Ivorer ist es der erste und in über 100 Spielen bis heute auch einzige Bundesliga-Treffer. Nationalkeeper Olli Kahn dagegen sieht dabei alles andere als gut aus (der Gegentreffer wird ihm später in der Diskussion um die deutsche Nummer 1 bei der WM im eigenen Land – neben anderen vermeintlichen „Fehlgriffen“ – immer wieder aufs Brot geschmiert). Joker Mehmet Scholl sticht und gleicht sieben Minuten vor Ende aus, das Spiel droht auf den Kopf gestellt zu werden und einen typischen Bayern-Verlauf zu nehmen. Die Münchner drängen auf den Sieg, nageln den HSV mit unglaublichem Powerplay am eigenen Strafraum fest und nehmen plötzlich das HSV-Tor aus allen Lagen unter Beschuss.

Eine Minute vor Abpfiff findet bei einem der wenigen Entlastungsangriffe ein Freistoß von Mehdi Madvavikia den aufgerückten Abräumer Nigel de Jong, der aus sechs Metern einköpft. Vortänzer Thimothee Atouba und seine Kollegen eilen zu den knapp 7.000 HSV-Anhängern, die so feiern, als wären sie gerade Meister geworden. Ein historischer Sieg, nämlich der erste bei den Bayern seit fast einem Vierteljahrhundert. Er bildet den Auftakt für eine bis heute gültige Erfolgsserie: In der Liga ist der HSV in der neuen Bayern-Heimstatt in Fröttmaning ein ungern gesehener, weil bislang nicht zu bezwingender Gast. In vier Spielen holte der sonst so heimstarke FC Bayern gerade einmal zwei Remis.

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