INTERVIEW
Hallo, ist da die Fifa?
Niemand würde in einem Dorf in Schleswig-Holstein die Hauptzentrale des Fußball-Weltverbands vermuten. Doch wie es der Zufall will, sind die Nummern einer 78-jährigen Rentnerin und der Fifa bis zur letzten Ziffer identisch. Vergisst man die Schweizer Vorwahl, landet man bei Edith Schölermann in Bordesholm. Interview Stefan Hossenfelder

Frau Schölermann
"Sind Sie hier privat?" Edith Schölermann aus Bordesholm Foto Kai Müllenhoff



RUND: Frau Schölermann, wann sind bei Ihnen die ersten Fifa-Anrufe eingegangen?

Edith Schölermann: Das fing weit vor der WM an. Als die Leute sich die Tickets bestellen wollten.

RUND: Wie haben Sie reagiert?
Edith Schölermann: Ich habe nur gesagt: „Moment mal, Sie sind hier privat und müssen eine andere Vorwahl wählen.“ Angefangen hat es mit Anrufen aus Deutschland. Später kamen auch welche aus England, Frankreich und Ländern, wo ich die Sprache gar nicht kannte.

RUND: Das ständige Telefonklingeln muss Ihnen total auf die Nerven gegangen sein.
Edith Schölermann: Ich war immer freundlich. Die Leute können ja auch nichts dafür, wenn die Nummer im Internet schlecht angegeben ist. Genervt hat es nur, wenn sie nach 23 Uhr oder morgens um sechs angerufen haben.

RUND: Wie haben Sie mit den Anrufern gesprochen?
Edith Schölermann: Erstmal Deutsch. Wenn ich aber merkte, dass sie damit nichts anfangen konnten, habe ich Englisch gesprochen. Der Anrufer meldete sich: „Hallo hier ist Herr Meyer aus Buxtehude. Ich hätte gerne Karten bestellt.“ Dann sagte ich: „Sie wollen wohl zur Fifa.“ Dann der Anrufer: „Ja, natürlich.“ Die Leute wollten gar nicht glauben, wo sie gerade angerufen haben. Ich habe dann immer gesagt: „Wählen sie ganz langsam und mit der Vorwahl.“ Manche haben sich entschuldigt, manche haben sich aufgeregt.

RUND: Sprechen Sie nun besser Englisch als früher?
Edith Schölermann: Ich musste mich durch meine Enkelkinder erst wieder informieren. Meine Schulzeit liegt schon eine Weile zurück. Ich konnte zwar lesen und schreiben, mit dem Sprechen hatte ich aber so meine Probleme. Da bin ich schon ein wenig gehemmt. Aber auflegen kann ich nicht, das wäre unhöflich.

RUND: Haben Sie die Fifa mal angerufen?
Edith Schölermann: Nein.

RUND: Haben Sie nie überlegt, Ihre Nummer ändern zu lassen?
Edith Schölermann: Nein, das habe ich in Kauf genommen. Die Anrufe gehören mittlerweile zum Alltag. Wir haben früher schon Anrufe bekommen, bei denen der Wiener Flughafen verlangt wurde. Das ist häufiger vorgekommen. Da kam dann immer „Wir hätten gerne eine Platzreservierung für Flug so und so...“

RUND: Wie viele Telefonate mussten Sie für die Fifa ungefähr führen?

Edith Schölermann: Insgesamt bestimmt 1000. Am Tag waren es mal fünf, mal zwei. Dann wieder zehn bis 15. Ganz unterschiedlich. Unter der Woche gab es mehr Anrufe als am Wochenende – auch heute noch. Einmal hat mich jemand gefragt, ob ich ihm einen Parkplatz vorm Stadion reservieren kann.

RUND: Haben Sie sich mal den Spaß gemacht und sich als Fifa-Sekretärin ausgegeben?
Edith Schölermann: Nein, meine Enkel haben mal gescherzt und mir vorgeschlagen damit Geld zu verdienen. Nach dem Motto: „Bitte überweisen Sie das Geld, die Karten bekommen sie nachträglich zugeschickt.“ So etwas hätte ich aber nie gemacht und hätte mir wohl auch nie jemand abgekauft.

Das Interview ist in RUND #16_11-06 erschienen.

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