INTERVIEW
„Ich war es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen“
Mit WM-Auslosungen kennt er sich aus: 1974 sorgte der damals elfjährige Detlef Lange dafür, dass die Bundesrepublik auf die DDR traf und anschließend Weltmeister wurde. Interview Matthias Greulich


Detlef Lange und RUND-Executive

Nichts verlernt: Detlef Lange mit dem RUND-Executive bei der Auslosung zu den Gruppen für die WM in Deutschland 2006 Foto Matthias Koslik



RUND: Herr Lange, werden Sie heute Abend vor dem Fernseher sitzen und beobachten, wie die Kugeln gezogen werden?
Detlef Lange: Da muss ich Sie enttäuschen. Ich arbeite die ganze Woche in einem Baumarkt. Das Wochenende gehört der Familie.

RUND: Sie sind gar nicht sentimental: Immerhin haben 1974 Millionen zugesehen, als Sie die Gruppen in Frankfurt auslosten?
Detlef Lange: Wissen Sie, ich war es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Von 1969 bis 1978 war ich bei den Schöneberger Sängerknaben, die häufig öffentlich aufgetreten sind. Wir hatten Konzerte in der ganzen Welt, waren zur Steuben-Parade 1976 in Amerika, als die USA ihr 200-jähriges Jubiläum feierten. Und ich stand als Erster Sopran häufig im Blickpunkt, wenn ich ein Solo hatte.

RUND: Was sangen Sie am liebsten?
Detlef Lange:„Cielito Lindo“, da musste ich beim Solo nach vorne treten und kriegte von hinten einen Sombrero aufgesetzt. Das war aufregend, kann ich Ihnen sagen.

RUND: Die Sängerknaben haben doch ein Fußballlied veröffentlicht.
Detlef Lange:Das Lied heißt „Mit etwas Taktik, mit etwas Glück, hol’n wir den Weltmeister zurück“. Dem damaligen Bundestrainer Helmut Schön haben wir ein Exemplar eschickt. Herr Schön hat sich bei uns mit einem netten Brief bedankt, den habe ich heute noch. Weniger angenehm war das Foto für das Cover der Single: Wir standen in kurzen Hosen bei null Grad im Olympiastadion mit einer Deutschlandfahne auf dem Rasen.

RUND: Haben Sie das Lied jemals wieder gesungen?
Detlef Lange: Damit bin ich vor einigen Jahren in einer 70er-Show bei Hape Kerkeling aufgetreten. Ansonsten war bei mir mit dem Stimmbruch Schluss. Genauso wie leider mit den Schöneberger Sängerknaben, die sich inzwischen aufgelöst haben. Es waren nur noch sechs Jungs – das ist dann kein Chor mehr. Wahrscheinlich spielen die Jugendlichen heute lieber Fußball.

RUND:
Auch Sie musten sich zwischen der Karriere als Sänger und Fußballer entscheiden.
Detlef Lange:Naja, ich wollte zwar wie jeder Junge gern Fußball spielen, hatte aber keine Zeit wegen der vielen Proben und Auftritte mit dem Chor. Ich spielte deshalb nur kurz vor der Weltmeisterschaft ein halbes Jahr bei Preußen Wilmersdorf. Nach meiner Sängerknaben-Zeit war ich dann sieben, acht Jahre beim FC Alt-Steglitz und Wilmersdorfer SC. Ich war recht schnell und habe im Mittelfeld oder Sturm gespielt. Heute schaue ich mir die Spiele im Pay-TV daheim an.

RUND: Welche Stars haben Sie damals persönlich kennen gelernt?
Detlef Lange:Ich war bei den Chilenen und der DDR im Trainingslager, beide Mannschaften waren unheimlich nett zu mir. Die Chilenen haben mich hochgeworfen und mit mir Fußball gespielt. Mit Max Morlock wurde ich im Café Kranzler fotografiert. Es gab Erdbeertorte mit Schlagsahne. Ich mochte aber damals überhaupt keine Schlagsahne – und musste trotzdem für die Kamera lächeln.

RUND:Was war nach der Auslosung los, die von Frankfurt aus in die ganze Welt übertragen wurde?
Detlef Lange: Das war an einem Sonntag. Als ich am Montag wieder in meine Klasse kam, haben die Mitschüler Beifall geklatscht. Die waren alle stolz auf mich.


Fahnen der WM-Teilnehmer

32 Teams können Weltmeister werden: Die Fahnen der teilnehmenden Ländere
Foto Matthias Koslik


Sängerkollege Martin Weiner saß für den Notfall als Reserve bereit, doch Detlef Lange zeigte keine Spur von Lampenfieber. Am 5. Januar 1974 zog der Elfjährige aus Berlin die Finalgruppen für die Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Als Lange der BRD die erstmals qualifizierte DDR zuloste, gab es im Sitzungssaal des Hessischen Rundfunks ein Raunen und spontanen Applaus. Die Offiziellen des DFB hatten einen Jungen mit Bühnenerfahrung gesucht und dabei ein Foto der Schöneberger Sängerknaben in einer Illustrierten entdeckt. Chorleiter Gerhard Hellwig schickte dem DFB ein Bild der über 100 Sängerknaben – Detlef Lange wurde als Kleinster ausgesucht.

Detlef Lange und RUND-Executive

Foto Matthias Koslik

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