LÜGENDETEKTOR
„Bob Marley hat mich geprägt“
Per Mertesacker ist die fleischgewordene Gelassenheit. Aber hinterm Steuer kann es passieren, dass er die Fassung verliert und auch mal rumschreit. Der 1,98 Meter große Abwehrhüne musste das sagen, was er sonst lieber verschweigt. Interview Oliver Lück und Rainer Schäfer.


Per Mertesacker

Am Gerät der Wahrheit: Per Mertesacker lässt sich nur selten beirren
Fotos Stefan Schmid


Haben Sie früher unter Ihrer Größe gelitten?
Per Mertesacker: Ja.

War es schlimm?
Per Mertesacker: Ja.

In einem bestimmten Alter?
Per Mertesacker: Genau.

Geht das genauer?
Per Mertesacker: Mit 13, 14.

Wie groß waren Sie da?
Per Mertesacker: Weiß ich nicht mehr, jedenfalls hatte ich so starke Schübe, dass ich mit meinen Knien Probleme bekam. Da gibt es die so genannte Wachstumsfuge, wo ich extreme Schmerzen hatte. Heute bin ich zum Glück schmerzfrei. Damals musste ich aber ein Jahr mit Fußball aussetzen.

Würden Sie sich bei einem Banküberfall freiwillig als Geisel nehmen lassen?
Per Mertesacker: Ich glaube nicht, da wäre ich eher zurückhaltend. Zum Helden würde ich da nicht taugen.

Sind Sie zu gutmütig?
Per Mertesacker: Nö, glaub ich nicht. (++++) Wenn man so ein bisschen im Fußballgeschäft drin ist, wie ich jetzt seit zwei Jahren, ist man nicht mehr so gutmütig wie am Anfang. Da ist man zu nett zu Mitspielern, will den Konkurrenzkampf vermeiden. Da möchte man so wenig Angriffspunkte wie möglich bieten. Das versuche ich auch ein Stück weit beizubehalten. Vielleicht bin ich schon ein wenig zu gutmütig, aber ich merke, dass ich mich auch verändere.

Werden Sie härter?
Per Mertesacker: Vielleicht, man lernt den Fußball kennen und was dahintersteckt, der Konkurrenzkampf mit den Kollegen, die Presse, die Schlagzeilen raushaut. Man wird angreifbarer, wenn man zu gutmütig ist. Vielleicht muss man da ein bisschen abgehärteter sein. (++++)

Sind Sie eitel?
Per Mertesacker: Nö. (++++) Ich brauche sehr lange in der Kabine, aber nicht aus dem Grund.

Weil Sie langsam sind?
Per Mertesacker: Schnell machen kann ich nicht. Passt nicht zu mir. Damals in der Jugend war ich immer Letzter, weil ich immer mit dem Trainer mitfahren musste, da habe ich mir das so angewöhnt, nach dem Training und dem Spiel in den Sachen sitzen zu bleiben, alles ruhig angehen zu lassen – so total gelassen, das hat mich gestärkt.

Was macht Menschen verachtenswert?

Per Mertesacker: Rauchen. Ich mag das überhaupt nicht, besonders bei Jugendlichen, die schon sehr früh anfangen. In der Schule, wo sie in Gruppen stehen, dagegen bin ich total allergisch. Ich kann es nicht riechen, die Augen tränen, besonders in der Disco. Das ist echt schlimm. Wenn im Restaurant am Nachbartisch jemand qualmt, lass ich das aber eher über mich ergehen, als dass ich da hingehe und was sage. (++++)

Selbst schon mal geraucht?
Per Mertesacker: Eigentlich nicht. (++++) Jeder probiert das ja mal in der Jugend. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, ich dachte, ich tu mir was Schlechtes an.

Wie reagieren Sie auf Gruppenzwang?
Per Mertesacker: Das fing ja früh in der Schule los, rauchen, Alkohol trinken – ich bin da aber immer an der Gruppe vorbeigegangen, die da stand. In der Pause bin ich lieber mit zwei Kumpels im Klassenraum geblieben. Wir haben Skat gespielt und Bob Marley gehört. Seine Musik hat mich damals sehr geprägt. Wir waren völlig für uns.

Gibt es Situationen, in denen Sie auch mal die Fassung verlieren?
Per Mertesacker: Nein, eigentlich nie. (++++)

Was heißt eigentlich?
Per Mertesacker: Nun ja, beim Autofahren tick ich manchmal aus, weil manche Leute immer links fahren. (++++)

Und Sie links fahren wollen.
Per Mertesacker: Genau, und ich nicht vorbeikomme. Dann schreie ich auch mal – mich hört ja keiner. Meine Freundin wohnt über 100 Kilometer von Hannover entfernt, ich fahre regelmäßig über die Autobahn. Da ich wenig Zeit habe, fahre ich gerne schnell. Wenn freie Fahrt ist, bin ich auch mit 200 dabei.

Haben Sie sonst komische Angewohnheiten?
Per Mertesacker: Nein, überhaupt nicht. (++++) Da fällt mir ein, dass ich immer zur selben Zeit aufstehe: entweder um 8.35 Uhr oder um 8.42 Uhr. Wenn ich um 8.35 Uhr aufstehe, schaffe ich es pünktlich zum Training um zehn, wenn ich um 8.42 Uhr aufstehe, schaffe ich es pünktlich zum Frühstück um neun. Früher hat mich meine Mutter geweckt, inzwischen macht das der Wecker. Und der hat noch nie versagt.

Haben Sie schon mal einem Bekannten die Freundin ausgespannt?
Per Mertesacker: Jemandem, den ich vom Sehen und nicht persönlich kannte schon. Das war vor eineinhalb Jahren und alles sehr kompliziert, da der Freund alles versucht, mich wieder aus dem Rennen zu bringen. Ich musste extrem kämpfen – diese Freundin habe ich heute noch.

Treue ist Ihnen wichtig.
Per Mertesacker: Ja. Ich war nie der Typ, der viele Freundinnen hatte und immer auf der Suche durch die Discos ziehen musste. Gerade jetzt, wo ich in Hannover Erfolg habe, springen plötzlich viele Frauen auf einen an und man hätte sicher ganz schnell mal viele Möglichkeiten. Doch das kann ich gut unterscheiden, und deswegen klappt es auch mit der Beziehung.

Sie wohnen bei Ihren Eltern. Wann gibt es mal Ärger?
Per Mertesacker: Wenn ich nicht genug spreche. Wenn ich mürrisch bin, spreche ich fast gar nicht. Oder wenn ich vor dem Fernseher sitze, dann kriegt mich da keiner weg, dann antworte ich auch nicht, und dann werden meine Eltern sauer. Und wenn ich mal vergessen habe, was zu erledigen, gibt’s auch mal eine Standpauke: Du wohnst noch zu Hause und musst auch deinen Teil dazu beitragen und so. (++++)

Wovor haben Sie große Angst?
Per Mertesacker: Habe ich mir noch nie so bewusst gemacht, ehrlich. (++++)

Herr Mertesacker, bitte!
Per Mertesacker: Na gut, Weißer Hai. Vor dem hatte ich früher schon immer große Angst, wenn ich irgendwo geschwommen bin. Alles, was mit Meer zu tun hatte, war gleichbedeutend mit dem Weißen Hai. Das lag wohl an dem Film. Und Bienen und Wespen natürlich, da habe ich richtig Angst vor. Da nehme ich sofort eine Abwehrhaltung ein.

Wovor ekeln Sie sich?
Per Mertesacker: Früher war es Rosenkohl. (++++) Okay, heute esse ich ihn. Nicht weil ich ihn mag, sondern weil er gesund sein soll.

Und was denken Sie, wenn Sie auf Ihr Bankkonto gucken?
Per Mertesacker: Unglaublich.



Fazit des Tests:
Kein Zweifel: Per Mertesacker wird der neue deutsche Rekordnationalspieler und sicher weit über 200 Länderspiele machen. Denn er ist die ehrliche Ruhe in Person und auch verkabelt am Polygraphen durch fast nichts zu erschüttern. Einzig auf vier Rädern entstehen im Temporausch ungeahnte Aggressionsschübe, die ihn auch so richtig laut werden lassen. Die Angst vor Steven Spielbergs weißem Hai und Wespenstichen wird bald verarbeitet sein – Bob Marley wird helfen!



LÜGENLEGENDE

Pippi Langstrumpf
(++++)
Pinocchio (++++)
Baron Münchhausen (++++)
Robert Hoyzer (++++)


Das Interview ist in RUND #3_10_2005 erschienen.

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