BUCH
Die feinen Herren vom Postweg
Spannender Fotoband: In „Hamburger Sportstätten“ von Volker Stahl und Uwe Wetzner wird auch der Standort des ersten Endspielortes um die Deutsche Meisterschaft aufgespürt. Von Matthias Greulich

Postweg

Ein Sonntagnachmittag im Kaiserreich: der Platz des FC Borussia Harburg wurde 1910 eingeweiht. Heute steht dort die Friedrich-Ebert-Halle, wo die Beatles 1961 ihre ersten professionellen Plattenaufnahmen machten.
Foto aus dem besprochenen Band



Lange Zeit haben sie darüber diskutiert, ob sie das Foto drin lassen können oder nicht. „Das Bild ist ein Glücksfall, auch wenn es eigentlich keinen Sportplatz zeigt“, sagt Uwe Wetzner
Und zeigt auf drei Symbole der Wirtschaftswunder-Jahre: Borgward, Lloyd Alexander und VW-Käfer. Die Autos parken vor dem alten Clubhaus des Hamburger SV, der längst abgerissenen „Löwenburg“ an der Rothenbaumchaussee. Sie sind Teil des Buchs „Hamburger Sportstätten“, das Wetzner gemeinsam mit Volker Stahl geschrieben hat.

Es ist ein Fotobuch mit sorgfältig getexteten Bildunterschriften geworden, das sehr viel über den Alltag der sportbegeisterten Hamburger von 1850 bis in die Gegenwart aussagt. Die Bildauswahl scheint durchdacht, wobei der Schwerpunkt auf den Fußballplätzen der Stadt liegt. Dem HSV-Platz am Rothenbaum, dem Volksparkstadion und dem Millerntor auf St. Pauli, aber auch dem ETV-Stadion, wo in den 1930-er Jahren bis zu 26.000 Zuschauer das Team aus Eimsbüttel sehen wollten.

Spannend ist es zu sehen, wie sich der Fußball im Kaiserreich entwickelte: Eine Aufnahme aus der Vogelperspektive zeigt den Platz des FC Borussia Harburg (heute Harburger SC), der dort 1910 seinen ersten eigenen Sportplatz baute. Fußball war damals das Spiel der bürgerlichen Mittelschicht, die Herren am Spielfeldrand trugen Hüte zu dunklen Anzügen, die Kinder Matrosenanzüge.

Einige Meter östlich wird heute immer noch gekickt, ein anderer berühmterer Platz war dagegen lange verschollen: die alte Exerzierweide in Altona, wo 1903 das erste Endspiel um die deutsche Fußballmeisterschaft stattfand. Stahl und Wetzner beschreiben, wie zwei fußballbegeisterte Studenten mit moderner Satellitentechnik den historischen Ort mitten in einem Gewerbegebiet aufspürten. Sie legten dazu ein ein aktuelles Luftbild über einen Stadtplan von 1907. Da einige Bauwerke auf einem Friedhof in der Nähe noch erhalten sind, konnten die Koordinaten des Exerzierplatzes exakt errechnet werden.

Warum war die „Exer“, wie sie von den Fußballpionieren genannt wurde, so beliebt? „Sie hatte einen großen Standortvorteil“, so Wetzner, „in der benachbarten Erfrischungshalle konnten sie zum ersten Mal Torstangen und Netze aufbewahren.“ Zuvor hatten die jungen Sportler die schweren Dinger zu jedem Spiel selber zum Stadtrand schleppen müssen.



Volker Stahl und Uwe Wetzner: Hamburger Sportstätten, Sutton Verlag, 128 Seiten, 17,90 Euro

ETV-Platz

Im Jahre 1933 war es rappelvoll auf dem Sportplatz des Eimsbütteler Turnverbandes (ETV): Der HSV war zu Gast
Foto aus dem besprochenen Band

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