Thomas Hitzlsperger

Doku über homosexuelle Fussballer

 „Die Hoffnung ist, dass Fans weiter sind als die Verantwortlichen denken“

Manfred Oldenburg ist Regisseur der sehenswerten Doku „Das letzte Tabu“. Er lässt neben Thomas Hitzlsperger diejenigen Profifußballer ihre ganz persönliche Geschichte erzählen, die sich als homosexuell geoutet haben. Interview Matthias Greulich

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MÜTZE
Heiner mit sechs Gegnern gegen Holland
1924 traf die deutsche Nationalmannschaft in einem legendären Spiel auf die Niederlande. Im Tor war der Mann mit der Mütze: Heiner Stuhlfauth. Die Mannschaft setzte sich ausschließlich aus Nürnbergern und Fürthern zusammen, die den Fußball in Deutschland dominierten – und sich partout nicht ausstehen konnten. Von Christian Dotterweich.

Die Mütze von Heiner Stuhlfauth

Der Mann mit der Mütze: Heiner Stuhlfauth, der legendäre Keeper des 1. FC Nürnberg und der DFB-Auswahl, hatte eine heftige Abneigung gegen den Rivalen aus Fürth
Foto Olaf Tiedje



„Ringkampf, Boxkampf, Schlägerei, ja Rauferei möchte man nennen, was die beiden Mannschaften vorgeführt haben.“ Was der Reporter der „Nürnberger Zeitung“ am Sonntag nach dem Hinspiel um die Süddeutsche Meisterschaft in Nürnberg zwischen dem 1. FCN und der SpVgg Fürth kommentieren muss, erschüttert ihn. Das äußerst rau geführte 0:0 am 13. April 1924 der verfeindeten Nachbarn macht auch dem DFB schwer zu schaffen. In einer Woche ist ein Länderspiel gegen die übermächtigen Holländer angesetzt – eine deutsche Mannschaft ohne die Fußballhochburg Nürnberg – Fürth ist undenkbar.


„Ihr müsst doch Freunde sein. Ihr habt doch morgen ein Spiel gegen Holland!“
Paul "Papa Blaschke, Betreuer der Nationalelf



„Wir trafen uns in Nürnberg und sahen, dass die Fürther in einem der hinteren Waggons des D-Zugs einstiegen“, erinnerte sich Torwartlegende Heiner Stuhlfauth, der Mann mit der Mütze, die inzwischen sogar im Museum der Clubberer gelandet ist. „Als wir das gesehen haben, sind wir in einem der vorderen Waggons eingestiegen.“ Zwischenstopp in Düsseldorf beim DFB. Die Nürnberger steigen aus. Der Betreuer der Nationalmannschaft vom DFB, Paul „Papa“ Blaschke, runzelt die Stirn: „Wo sind denn die Fürther?“ Schulter zuckend erwidern die Club-Spieler, sie wissen es nicht. Blaschkes Sorgenfalten graben sich tiefer. Da steigen die Fürther aus einem der hinteren Waggons aus. „Was ist denn los mit euch“, ruft der entsetzte DFB-Mann, „ihr müsst doch Freunde sein. Ihr habt doch morgen ein Spiel gegen Holland!“ Man geht getrennt ins Hotel und fährt am nächsten Tag wieder in getrennten Waggons gen Holland.

In Amsterdam dasselbe Bild, selbst in der Kabine, kurz vor Spielbeginn: Die fünf Nürnberger Stuhlfauth, Kugler, Kalb, Schmidt und Träg ziehen sich in einer Ecke um. In der gegenüberliegenden die sechs Fürther Müller, Hagen, Auer, Franz, Seiderer und Ascherl. Eisern schweigen sich beide Parteien an. Sichtlich nervös nimmt sich Blaschke Torwart Stuhlfauth kurz vor Spielbeginn zur Brust: „Ihr müsst euch einig werden. Das macht sich im Spiel bemerkbar, wenn ihr streitet!“

Die fränkische Nationalelf läuft vor 26.000 Zuschauern am Ostermontag, den 21. April 1924, ins holländische Stadion ein. Die Antwort auf Blaschkes Sorgen geben Stuhlfauth und die Mannschaft auf dem Platz: Sie spielen, als ob sie eine Mannschaft sind. Die zerstrittenen Franken zeigen zur Überraschung der Holländer und der DFB-Verantwortlichen eine gute Partie. In der 14. Minute bricht Träg auf links durch, flankt über Torwart De Boer, dahinter köpft der allein stehende Auer ins Netz. Die Fürther jubeln mit ihrem Torschützen, die Nürnberger – für die Vorlage verantwortlich – drehen ab und zeigen die kalte Schulter.

Endstand 1:0, der erste Länderspielsieg der Deutschen gegen die Holländer ist errungen. Die Nationalmannschaft pfeift aufs Feiern. Die Spieler ziehen ihre weiß-schwarzen Trikots wieder getrennt in den Kabinenecken aus und fahren in getrennten Waggons zurück. Sie haben nur eines im Kopf: In sechs Tagen, Das Rückspiel um die Süddeutsche Meisterschaft sechs Tage später. Das ruhige Match vor 20.000 Zuschauern und vorsorglich 80 im Stadion verteilten Kriminalbeamten endet 1:1-Unentschieden. Da die Cluberer in der Endrunde nur ein Spiel, die Fürther aber zwei Spiele verloren hatten, ist für den FCN der Weg zur deutschen Meisterschaft frei. Und bis heute ist die Rivalität ungebrochen: „Lieber Fünfter als Fürther“ hallt noch heute ein beliebter Schlachtruf aus der Noris in Richtung Ronhof

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