BUNDESLIGA
Angekommen
Almog Cohen ist der einzige israelische Profi in der Bundesliga. Beim 1. FC Nürnberg ist er Publikumsliebling. Doch das ist nicht der Grund für sein überraschend positives Deutschlandbild. Von Christoph Ruf.

Almog Cohen

Publikumsliebling in Nürnberg: Almog Cohen (Mitte) im Trikot der israelischen Nationalelf beim Länderspiel gegen Kroatien
Foto Pixathlon



Almog Cohen hätte gewarnt sein müssen. „Was du hier machst“, hatte ihm sein Förderer bei Maccabi Netanya gesagt, „ist nicht mal zehn Prozent von dem, was du in Deutschland machen müsstest.“ Lothar Matthäus sollte Recht behalten. Das Training von Dieter Hecking fand er anfangs unheimlich hart. Und er wunderte sich, dass zu ganz normalen Ligaspielen über 40.000 Menschen in die Stadien strömen – in Netanya war man froh, wenn ein Zehntel kam.

Dabei war der 23-Jährige in seiner Heimat ein echter Star. Mit zarten 18 Jahren war Cohen Mannschaftskapitän. Als er im Teenageralter ins Jugendinternat von Maccabi kam, zogen die Eltern und die vier Geschwister mit ihm von Be’er Scheva an die Küste. Und nun war er in Franken gelandet, weil ihm ausgerechnet Matthäus, der bei den Club-Fans so beliebt ist wie eine 0:5-Klatsche gegen die Bayern, den Verein ans Herz gelegt hatte. Dass sein Mentor in Deutschland ein eher zweifelhaftes Image hat, versteht Cohen nicht: „Das ist ungerecht. Ich habe Matthäus als hervorragenden Trainer erlebt.“

Matthäus Empfehlung sollte sich als die richtige erweisen. Nach einer Anlaufphase, die weit kürzer dauerte, als ihm Hecking zugestanden hätte, ist Cohen längst Stammspieler im defensiven Mittelfeld. Cohen ist für seinen Gegenspieler das, was ein Schwarm Wespen für das Pflaumenmus ist. Wer es schafft, den Mann auszuspielen, hat ihn fünf Meter später wieder an der Hacke. „Ich verstehe,“ schmunzelt Manager Bader, „warum man Almog in Israel mit Gattuso vergleicht.“ Cohen fühlt sich geschmeichelt. „Hier muss ich in jedem Training 100 Prozent geben. In Israel haben 20 gereicht. Easy come, easy go, geht in der Bundesliga nicht“, sagt er mit sehr ernstem Blick: „Easy going heißt, dass du schnell gehst.“ Manchmal muss selbst sein Coach über diesen Irrwisch schmunzeln, der nach dem Training Zusatzschichten mit Co-Trainer Dirk Bremser einlegt: „Ich musste ihm immer wieder sagen, dass er Kredit bei uns hat, dass die Umstellung auf die Bundesliga keinem Spieler in ein paar Tagen gelingt.“

In Israel werden die Club-Spiele neuerdings live im Fernsehen übertragen. Und am Strand von Netanya laufen die ersten Kids mit rot-weißem Club-Jersey herum. „Seitdem ich hier bin“, sagt Cohen nicht ohne Stolz, „wird dort viel über den FCN gesprochen.“ Ihm bedeutet das viel, sagt er: „Die meisten Kids in Israel träumen davon, bei Real oder Barca zu spielen. Bei mir war das anders. Ich war immer für die deutschen Mannschaften, wenn die gegen Manchester oder Madrid gespielt haben.“ Wie zum Beweis zählt Cohen ein halbes Dutzend Spiele auf, die er als Kind gesehen hat. Bayern mit Effe, Leverkusen mit dem jungen Ballack, die 80.000 in Dortmund. „Ich wollte immer in der Bundesliga spielen.“

Anfangs, berichten sie auf der Nürnberger Pressestelle, hatte Cohen allerdings durchaus ein paar Anpassungsschwierigkeiten. Schnee kannte er aus der Heimat nicht. Heute findet er, dass „es eigentlich hübsch aussieht, wenn alles so weiß ist.“ Und weil der gläubige Jude nicht wusste, wo man im Fränkischen koschere Lebensmittel bekommt, aß er einen Monat lang Thunfischpizza und – sandwiches. Mittlerweile kümmert sich Arno Hamburger, SPD-Stadtrat und Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde, um den 22-Jährigen. Mit einigen Gleichaltrigen im Team trifft er sich auch privat, Mehmet Ekici und Ilkay Gündogan, zwei Moslems, nennet er seine Freunde. „Ich hatte Angst vor der Einsamkeit. Dass der Alltag aus Training besteht und man dann alleine nach hause fährt.“ Es sei anders gekommen. „Die Leute hier kümmern sich um mich. Das Erste, was ich in Israel erzähle, ist deshalb, dass die Deutschen sehr warmherzige Leute sind.“ Viele reagierten dann überrascht. „es gibt eben viele Klischees über Deutsche“, sagt Cohen, „aber die stimmen nicht.“

Cohen wohnt in der Stadt, in der die NS-Rassengesetze beschlossen wurden. Er spielt in einem Stadion, das direkt an das Reichsparteitagsgelände grenzt, auf dem Hitler und Goebbels gegen die Juden hetzten. Cohen weiß, dass er in jedem Interview auf die Nazis angesprochen wird. „Schrecklich“ und „in Israel noch sehr präsent“ sei die Zeit, sagt er. Und dass sich das alles nie wiederholen dürfe. Cohen steht auf, das Nachmittagstraining ruft. „Ich habe hier in Nürnberg noch niemanden getroffen, der das anders sieht als ich“, sagt er, „das ist sehr schön.“

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