SPORTRECHT
Nicht für 37 Prozent weniger
Bekommen entlassenen Trainern weiterhin Prämien? Das Landesarbeitsgericht Hamm hat den damaligen Zweitligisten SC Paderborn zur Nachzahlung von 132.000 Euro verurteilt. Von Rechtsanwalt Stefan Engelhardt, Sozietät Roggelin & Partner.

 

TrainerWas passiert, wenn Trainer entlassen werden? Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm sind weiter Prämien fällig.
Foto Pixathlon

 

Gibt es Prämien auch für freigestellte Fußballtrainer? Mit dieser Frage hatte sich das Landesarbeitsgericht Hamm in einer Entscheidung vom 11. Oktober, 14 Sa 543/11 auseinanderzusetzen.

Der Kläger dieses Verfahrens war beim SC Paderborn seit Februar 2008 befristet bis zum 30.06.2010 als Cheftrainer der 1. Mannschaft beschäftigt.

Der Arbeitsvertrag enthielt folgende Regelungen:

1.    Der Kläger erhält eine monatliche Grundvergütung zwischen 12.000 Euro und 15.000 Euro sowie einen Dienstwagen und Prämien für jeden Meisterschaftspunkt, der während der Zugehörigkeit zur 2. Fußballbundesliga erzielt wird, sowie für den Aufstieg in die 2. Fußballbundesliga.

2.    Ab dem Zeitpunkt einer Freistellung wird nur noch die Grundvergütung gezahlt. Die Aufstiegsprämie wird nur dann zeitanteilig gewährt und der Dienstwagen ist binnen 4 Wochen nach der Freistellung entschädigungslos herauszugeben.

3.    Die beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag sind binnen vier Monaten ab Fälligkeit gegenüber der Gegenseite geltend zu machen.

In der Saison 2009/2010 stieg die Mannschaft in die Zweite Liga auf, bereits zuvor, nämlich im Mai 2009, also zwei Spieltage vor dem Ende der Saison 2008/2009 stellte der Arbeitgeber den Kläger frei und forderte ihn gleichzeitig zur Rückgabe des Dienstwagens auf. Er zahlt seit diesem Zeitpunkt nur noch die Grundvergütung, so dass der Kläger mit seiner Klage nunmehr die Zahlung einer Punkteprämie für die zweite Saison 2009/2010, zeitanteilige Prämien für die Saison 2008/2009 und Schadenersatz für die Entziehung des Dienstwagens einklagte.

Er war der Auffassung, dass die arbeitsvertragliche Regelung, wonach eine Freistellung Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch hat unwirksam ist.

Das Arbeitsgericht gab der Klage lediglich in Höhe von ca. 40.000 Euro statt, weil ein Großteil der Ansprüche verfallen sei. Auf die Berufung des Arbeitnehmers sprach das Landesarbeitsgericht (LAG) ihm 132.000 Euro zu und ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

Nach Auffassung des LAG hat der Kläger gegen den beklagten Verein einen Anspruch auf Weiterzahlung der Prämien bis zum Vertragsschluss sowie auf Schadenersatz wegen der Entziehung des Dienstwagens. Die Ansprüche sind auch nicht verfallen.

Die arbeitsvertragliche Vereinbarung, nach der Prämien im Fall der Freistellung entfallen, ist gemäß § 308 Nr. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam, weil hierin ein unzulässiger einseitiger Änderungsvorbehalt durch den Verein zu Lasten des Klägers vorliegt.

Der Verein konnte den Kläger jederzeit einseitig und ohne Angabe von Gründen freistellen und so auch über die Prämienzahlung disponieren. Durch diese Regelung wurde jedoch erheblich in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen, die Gesamtvergütung konnte um bis zu 45,5 Prozent gekürzt werden. Im konkreten Fall belief sich die Kürzung auf 37,2 Prozent, was die vom BAG bei Änderungsvorbehalten anerkannte Grenze von 25 Prozent der Gesamtvergütung überschreitet.

Die Vereinbarung ist auch mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren. Gemäß § 615 Satz 1 BGB haben Arbeitnehmer bei einem Annahmeverzug des Arbeitgebers Anspruch auf Fortzahlung ihrer Vergütung. Zwar ist diese Vorschrift grundsätzlich dispositiv, angesichts des hohen Gerechtigkeitsgehalt der Vorschrift bestehen jedoch grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer formularmäßigen Abbedingung.

Die Auffassung des Vereins, es handele sich um einen gerechten Ausgleich, wenn ein freigestellter Trainer nicht das gleiche Entgelt bekommt wie ein aktiver Trainer, ist mit der gesetzlichen Lage, hier § 615 Satz 1 BGB, nicht zu vereinbaren.

Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist teilweise verfallen. Die ebenfalls einer AGB-Kontrolle unterlegene Ausschlussfrist ist unwirksam, weil die beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag und somit unzulässiger Weise auch Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz erfasst werden. Zudem weicht sie von wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts ab und kann letztendlich zu einem unzulässigen Haftungsausschluss führen.

 

Rechtsanwalt Stefan EngelhardtFrüher selber aktiver Fußballer: Rechtsanwalt Stefan Engelhardt

 

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