glosse
Wie ich einmal Uli Hoeneß war
Matthias Greulich erinnert sich an ein legendäres  Fotoshooting als Uli-Hoeneß-Double an der Seite von Tattoo-Theo.




Uli Hoeneß und Tattoo TheoMit Nadel und Farben: Theo sticht im Sunset Tattoo Studio auf St. Pauli eine Rübe in Ulis Unterarm
Foto Stefan Schmid

 

Die Rübe war das Wichtigste: Tattoo-Theo würde sie Uli Hoeneß auf den Unterarm stechen, ein Fotograf die Szene für die Ewigkeit festhalten. Da nicht ernstaft damit zu rechnen war, dass der Bayern-Manager beim Foto-Shooting mitmachen würde, musste ein Hoeneß-Double her. Dieses Double war ich,  wobei ein Hoeneß-Kopf später überdeutlich sichtbar auf das Bild unseres Fotografen Stefan Schmid montiert wurde. Immerhin: Tattoo-Theo war echt und pünktlich auf die Minute im Tätowierstudio auf St. Pauli erschienen. Die Idee mit der Rübe hatte ihm gefallen.

Im Januar 2002 arbeiteten wir mit der Redaktion des vom FC St. Pauli herausgegebenen Magazins „1/4NACH5“ an einer liebevoll-ironischen Begrüßung der großen Bayern und ihres Managers, der gerade 50 geworden war. „Einer von uns“, hieß die Geschichte des Kollegen Christoph Ruf über den CSU-Sympathisanten, der damals  zum ersten Mal mit Sympathiebekundungen für den Kiezklub aufgefallen war. Nun würde der am ganzen Körper tätowierte Theo Vetter bleibende Fakten schaffen.

Immerhin war Theo wegen des Bayern vor ein paar Jahren sogar für ein paar Stunden in den Knast gewandert, was ihn für diese Versöhnungsgeste denkbar geeignet erscheinen ließ. Während ich also in meinem besten Pullover auf dem Tätowierstuhl  Platz nahm, erzählte Theo in breitem Hamburger Akzent vom „Rübenkrieg“, wie ihn der Boulevard seinerzeit getauft hatten. „Als Bayern München zu uns ans Millerntor kam, meinte Uli Hoeneß, dass man auf so ’nem Rübenacker nicht Fußball spielen kann. Ich fühlte mich in meiner Ehre als Fan und Hamburger verletzt. Was bildet der sich ein?, dachte ich.“ Zum Rückspiel im Münchener Olympiastadion wollte er Hoeneß zehn Kisten Teltower Rübchen überreichen. „Da warteten schon fünf Ordner und haben mich festgehalten. ,Herr Hoeneß wünscht das nicht’, hieß es. Die Rüben sollte ich wieder mitnehmen. Dann haben mich fünf Polizisten abgeführt.“

 

Millerntor MagazinIm "Rübenkrieg" mit Arbeiterfaust: Das Cover des "Millerntor Magazins", das 1989 nicht im Stadion vekauft werden durfte. Spätere Ausgaben erschienen mit dem Aufdruck: "Empfohlen von Uli Hoeneß", weil der die Kreativität des Heftes gelobt hatte

 

Noch ein zweites Mal hatte es Ärger mit Theo und den Bayern gegeben: Seine Arbeiterfaust auf dem Cover der damaligen Stadionzeitung „Millerntor Magazin“ war dabei weniger das Problem als die plakative Titelzeile „Der Klassenkampf“. Der zwar zugespitzte aber zutreffende Hinweis auf die arg unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten beider Klubs war für einen schäumenden Hoeneß nicht hinnehmbar. Er machte deutlich, dass der FC Bayern beim geringsten Zwischenfall, wie dem Werfen von Pfennigstücken auf die Bayern-Trainerbank wie ein Jahr zuvor geschehen –  den Platz verlassen werde. Wie meist siegte auch hier die Abteilung Attacke gegen die hasenfüßige Konkurrenz: Der FC St. Pauli stoppte beschämt den Verkauf seiner eigenen Stadionzeitung.

Ob „Rübenkrieg“ oder Angriff auf die Pressefreiheit: Alles lange vergeben und vergessen. Uli Hoeneß war nun auf Lebenszeit St. Paulianer. Dass er anderthalb Jahre  später tatsächlich mithalf, den von der Insolvenz bedrohten Klub durch ein Benefizspiel zu retten und im „Retter“-T-Shirt eine Ehrenrunde auf dem „Rübenacker“ drehte, dürfte nicht nur seinem neuen Kumpel Theo Tränen in die Augen getrieben haben. Persönlich kann Theo Vetter seinem Idol Uli Hoeneß nun leider nicht mehr gratulieren, er ist am 14. Juli 2004 gestorben.

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