ENGLAND
895 Tage im Hotel
Was ist in den knapp zweieinhalb Jahren am "Old Trafford" nur schief gelaufen, mit dem "Hexer aus Setúbal", José Mourinho und Manchester United? Von Giovanni Deriu.

 

Jose MourinhoEnde bei Manchester United: Jose Mourinho. Foto Pixathlon

 

Richtig warm wurde der portugiesische Startrainer mit Manchester United wohl nie. Mourinho, für ihn ist das Beste gerade gut genug, logierte vom Start weg bis zum bitteren Ende (nach dem 1:3 Ligamatch gegen Klopps FC Liverpool) in einem luxuriösen Residenzhotel in Manchester. Zwei Suiten, fast eine Etage all inclusiv für ihn allein. Seine Familie und Ehefrau blieb in der Londoner Villa, oder besuchte ihn hin und wieder.

Mourinho, provozierte wohl dessen eigenen Abgang, in dem er offen zugab, dem FC Liverpool "momentan" nicht gewachsen zu sein, nicht im Thema Schnelligkeit, noch im Zweikampf und der Schnelligkeit.

Manchester und Mourinho hatten sich schlichtweg auseinander gelebt. Die Stars, unter anderem Pogba, der französische Weltmeister, führten ihr eigenes Leben, "Mou" erreichte sie nimmer.

Man kann auch sagen, nach Club-Ikone Alex Ferguson, blieben alle(!) Trainer unter ihren Erwartungen. Ohne Meisterschaft, ohne Champions-League-Titel. Immerhin, im Gegensatz zum Vorgänger und Mentor Louis van Gaal (einen FA-Titel), holte Mourinho den Uefa-Pokal, also die Europa-League sowie Supercup und Ligapokal.
Zu wenig. David Moyes oder gar Ryan Giggs blieben total farblos. Schlimm für die Supporters von United.

Van Gaal galt als abgehoben und besserwisserisch, Mourinho als emotional und arrogant.

Dass Mourinho aber satt ist, dem widerspricht der Startrainer selbst. Obwohl sein Konto jetzt, nach der zweiten Abfindung (davor Real Madrid), millionenschwer ist. Mourinho will wieder aufs Champions-League-Podest. Bloß wo? Bleibt er in England, wo sich die Besten messen, oder doch wieder Bella Italia? Der AC Milan und selbst Inter Mailand fühlen diskret vor. Eilig hat es Mourinho nicht.

Wie funktioniert das "System" Mourinho eigentlich? Mit drei Vereinen blieb er über 150 Heimspiele ungeschlagen, einmalig in Europa.

Im Buch „Anatomy of a Winner“, erhält man tiefere Einblicke. Schon hier wird die Geschichte beschrieben, wie der junge José dadurch geprägt wurde, als sein Vater, ein ehemaliger Torwart und späterer Trainer, an Heilig Abend per Telefon „entlassen wurde“. So ein Erlebnis brennt sich ein. Nie wolle José selbst entlassen werden, doch diese Erfahrung blieb ihm, wir wissen es, nicht erspart.

Wie gesagt, zu Mourinho wurde schon viel geschrieben und analysiert.

Mourinho selbst analysiert viel und schreibt noch viel mehr auf. Seine Kladde auf dem Laptop sowie in Papierform nennt er, „die Bibel“.

Während der Spiele, aber meist nur in der ersten Halbzeit, schreibt Mourinho in ein kleines Notizbuch. In der Halbzeitpause nutzt er es für zielgerichtete Ansprachen. Da kann man noch etwas für die zweite.

Zuerst also in Blattform, dann auch digital, damit ihn die Spieler auch immer auf den Smartphones abrufen zu können.

Darin heißt es unter anderem,

"Keiner ist größer als der Verein!"

Kein Spieler ist wichtiger als die Mannschaft!

und weiter heißt es in der „Bibel“: "Das Team hinter dem Team ist zu respektieren!"

Ein Strafenkatalog regele zudem immer die Geldbußen intern:

320 Pfund  bei 15 Minuten Verspätung

650 Pfund € bei Verspätungen bis zu einer halben Stunde

Spätestens Mitternacht müssen Spieler zu Hause sein

Es ist zudem verboten, Snacks vor dem Spiel zu essen und sich Essen oder Getränke vom Zimmerservice auf das Hotelzimmer bringen zu lassen !

Es ist klar, dass ein Mourinho selbst vorbildlich leben muss, und stets diszipliniert ist. Die Spieler sehen, dass er alle gleich und fair behandelt.

Über die Disziplin und Pünktlichkeit sagt Mourinho: „Ich würde eher nur mit zehn Spielern spielen lassen, als auf einen Spieler zu warten, der zu spät zum Bus kommt.“

So erreichte Mourinho bisher seine Stars, und trieb sie zu Höchstleistungen.

Mourinho sagt, für ihn bedeute Führen nicht, Befehle zu geben, sondern zu leiten. Er beziehe Spieler mit ein. Außerdem schützt Mourinho sein Team nach Außen. In Spanien bei Real, aber schon bei Chelsea und Inter Mailand, wurde Mourinho immer als „Psychokrieger“ wahrgenommen. Wir gegen den Rest der Welt.

Jorge Costa, ein Verteidiger, spielte unter Mourinho beim FC Porto, und berichtet später: „Er fragt Spieler, ohne seine Autorität zu verlieren“, er habe keine Angst davor. Und weiter, „Er hat uns in einer Art und Weise verändert, die sich niemand vorstellen kann. Vorher waren wir Spieler, danach Krieger, die füreinander kämpfen.“ Mourinho habe alle mit dem Virus „des Sieges“ infiziert. Ähnliche Aussagen kamen auch von Wesley Sneijder, bei Inter Mailand Mourinhos verlängerter Arm auf dem Platz, und von Zlatan Ibrahimovic.

Ibrahimovic, der später nach längerer Verletzung in die USA abwanderte, voller Hochachtung für den portugiesischen Starcoach: „Nach seinen Ansprachen pumpte das Adrenalin in uns…(…)“, für Mourinho, würde er, Ibra, sogar töten! Mein lieber Schwede, ein Glück kennen wir Ibrahimovics‘ Zuspitzungen.
Bei ManU sind sie zuletzt nicht einmal mehr die letzten wichtigen Meter gerannt. Allesamt müde Krieger...

RUND-Autor Giovanni Deriu analysiert und beschreibt Trainerbiografien.

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