BUCH-TIPP
Ribéry: Der Mann, der sein Gesicht zu lieben lernte
In "Franck" wird das aufregende Leben von Bayern-Star Ribéry wohltuend sachlich nacherzählt. Autor Alexis Menuge spart auch die Abneigung der Franzosen gegen den Nationalspieler nicht aus. Von Giovanni Deriu.

 

Franck Ribery
Brillenträger auf dem Marienplatz: Franck Ribéry feiert die Deutsche Meisterschaft mit den FC Bayern.
Foto Pixathlon

 

Franck Ribéry, hat im Leben und im Sport eigentlich schon alles durch. Ein Normalsterblicher bräuchte zwei Leben für das, was der Profi des FC Bayern erlebt hat. Dass Franck überhaupt noch lebt, gleicht einem Wunder - ist er doch als knapp Zweieinhalbjähriger im Auto seiner Eltern bei einem Unfall gegen die Windschutzscheibe geprallt. Der kleine Franck saß hinten, jedoch nicht angeschnallt – Mitte der Achtziger, dazu noch in Frankreich, war das keine Seltenheit. Francks Kopf krachte jedenfalls gegen die Scheibe. François, Ribérys Vater, erzählte später oft: "Zu dieser Zeit gab es für die Rücksitze noch keine Anschnallpflicht." Die Eltern standen unter Schock und hatten große Angst "ihn zu verlieren", wie auch in der interessanten Biographie "Franck", von Alexis Menuge nach zu lesen ist. Lange musste der zukünftige französische Nationalspieler im Krankenhaus bleiben. Aber er überlebte.
 
Draußen ging der Kampf des kleinen Francks weiter. Kinder brutal sein. Häufiger wurde Franck im Kindergarten oder später in der Schule als "Quasimodo" verspottet. Manche wären daran zerbrochen, doch auch aus der Familie und Verwandtschaft wurde Franck immer beschützt. Im Buch des Journalisten Alexis Menuge wird auch die Anekdote wiedergegeben, als die Menschen Ribery oft anstarrten, ergriff sein Vater oft die Initiative, um die Gaffer zurecht zu weisen: "Hast Du ein Problem? Passt irgendwas nicht?"
 
Offene Konfrontation, wie sie in der Heimatstadt und in den Straßen von Boulogne-sur-Mer gängig ist. Herzlich, aber wenn es sein muss, auch rauh und grob. Papa François war Erd- und Bauarbeiter, Francks Mutter, Marie-Pierre, eine tüchtige Kauffrau. Mit seinen drei Geschwistern (zwei Brüder und eine Schwester) wuchs Ribery in einer Plattenbausiedlung auf. Das Gebäude existiert nicht mehr, längst hat Ribery seine Eltern mit einem netten Häuschen versorgt, in das auch er sich nach dem Fußballstress gern zurück zieht.
 
Der Fußball rettete vielleicht auch Ribérys Lebenslauf, hier konnte er zeigen, was er wirklich konnte, im Fußball wurde Franck nicht auf seine Narbe in der rechten Gesichtshälfte reduziert. Über den FC Conti, einem kleinen Club der Wohnsiedlung, kam er zum A.C.O. Aiglon, wo "Scarface" - auch auf dem Platz wurde er von frustrierten Gegnern beschimpft – jedoch die meisten Tore erzielte und um sein Leben dribbelte. Mit Raffinesse dribbelte Franck die Gegner schwindelig, da war er gerade 13 Jahre alt. Ein Scout des OSC Lille entdeckte Ribéry, und es wurde eine Ausnahme gemacht - er wurde in die Fußball-Academy aufgenommen, die eigentlich erst für 15-Jährige Spieler konzipiert war. Hier bekam Franck auch sein erstes Taschengeld. Doch Rückschläge waren vorprogrammiert, wegen seiner geringen Körpergröße entschieden sich die Verantwortlichen gegen Ribéry. Seiner Heimatstadt Boulogne verhalf er dafür zum Aufstieg in die 3. Liga. Da war er gerade einmal 16 Jahre alt.
 
Viel Geld gab es noch nicht, fleißig wie er war, Franck wollte eine Familie mit seiner Partnerin und jetzigen Frau Wahiba gründen, half er seinem Vater auf dem Bau. Der Job erdete ihn, nebenbei lernte der kleine Franck mit dem Presslufthammer umzugehen. Doch Geld mit dem Fußball zu verdienen, erschien ihm immer mehr als Privileg. Dorthin wollte er zurück. Brest und der FC Metz waren weitere Stationen, wie in "Franck" beschrieben wird. Trainer Jean Fernandez sein größter Förderer.
 
Bei Galatasaray in Istanbul, wohin er mit seiner Frau Wahiba zog, imponierte ihn der frenetische Empfang, mitten in der Nacht verharrten dort rund 10.000 Fans. Zahlungsprobleme ließen den bekannten Fußballer wieder in die Heimat zu Olympique Marseilles wechseln. Journalist Menuge beschreibt im Buch, dass Ribery immer wieder mit Formtiefs zu kämpfen hatte, auch verletzungsbedingt, diese "Krisen" aber immer meisterte.
 
Im ewigen Kampf der Giganten, Bayern gegen Real, beide Teams buhlten um Ribery, siegten bekanntlich die Bayern, sie ließen Ribery einfliegen und umgarnten ihn sehr lang. Dazu Ribéry: "Die Verantwortlichen des FC Bayern haben um mich gekämpft." Und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Aber auch die Negativschlagzeilen, von denen Real schon davor gewarnt wurde durch Informanten. Alles andere als "königlich" waren die Schlagzeilen um Riberys "Schäferstündchen" mit einer minderjährigen Prostituierten. Während dieser Zeit ging Ribéry auf Distanz zu Alexis Menuge, dem Münchner Korrespondenten von "L'Èquipe". Später suchte der Fußballer wieder den Kontakt, der Ausgangspunkt für dieses Buch. Der Autor schildert, nie ins Seichte abgleitend, Ribérys Familien- und Vereinskrise sehr authentisch.
 
Uli Hoeneß wurde (wie auch bei anderen Spielern) zur wichtigsten Bezugsperson bei den Bayern, zwischen den Zeilen liest es sich, als wäre Hoeneß schon immer Meister darin gewesen, durch Hilfe und Beistand auch Abhängigkeiten zu schaffen. Die Spieler danken es ihm bis heute. Auch die Geschichte, Ribéry habe nach dem Champions-League-Sieg mit Frau und Pott das Bett geteilt, wird im Buch aufgewärmt. Sympathisch ist das allemal. Der kleine Franzose, am Ziel der Träume.

Was passierte danach: Ronaldo schoss Portugal genial und fast im Alleingang zur Weltmeisterschaft - Der Goldene Ball ging an den Portugiesen, so sehr Hoeneß auch für den Franzosen trommelte - Hoeneß wurde später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt - Guardiola kam, holte das Double, immerhin, aber gegen Real Madrid sah man von Ribéry nicht viel. Als wollte er dem Vergleich mit Ronaldo aus dem Weg gehen. Im DFB-Pokal-Finale plagten Ribery gegen Borussia Dortmund Rückenschmerzen. Die Franzosen mögen Ribery immer noch nicht, was im Buch thematisiert wird, aber in Bayern hat er seine neue Heimat gefunden, hier respektieren ihn die Menschen. Alles hat seinen Preis. 

Lesen Sie mehr zum FC Bayern in der Süddeutschen Zeitung

Giovanni Deriu, 42, Sozialpädagoge und Redakteur.


 Franck Ribery Alexis Menuge: Franck, mit einem Vorwort von Daniel Van Buyten
riva - Verlag, ISBN 978-3-86883-408-6
250 Seiten, 16,99 Euro


 

 

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